Kondensstreifen über Bielefeld: Verschwörungstheorien und ihre Mechanismen

Schon mal in Bielefeld gewesen? Oder kennen Sie etwa jemanden, der dort wohnt? Beim zweiten „Nein“ verdichten sich die Indizien: Bielefeld kann gar nicht existieren. Alle Hinweise auf die Stadt seien Teil einer groß angelegten Verschwörung – das behauptete der deutsche Informatiker Achim Held zuerst im Jahre 1994 – ernst gemeint hat der Begründer der Theorie das allerdings nie.

Unter dem Titel Bielefeld-Verschwörung hat sich die Theorie inzwischen zum Running Gag gemausert und wird immer wieder gern satirisch verarbeitet. Jüngst widmete das ZDF dem Thema sogar zwei Folgen der Krimiserie „Wilsberg“. Während die Bielefeld-Verschwörung von seinem Urheber nie ernst gemeint war, erheben andere Verschwörungstheorien durchaus den Anspruch, die wahren Drahtzieher hinter den Kulissen der Welt zu entlarven. „Erfinder solcher Thesen sind fest davon überzeugt, dass sie als Einzige die Wahrheit tatsächlich erkannt haben. Und sie rücken auch nur selten davon ab“, erklärt der Arzt und Buchautor Dr. Thomas Grüter das Wesen der Verschwörungstheoretiker.

Sie misstrauen offiziellen Erklärungen und vermuten, dass bestimmte Ereignisse durch eine Verschwörung im Hintergrund gezielt herbeigeführt werden. „Oft geht es dabei um einen aufwühlenden Unglücksfall, der nicht als Zufall betrachtet wird, sondern bei dem ganz bestimmt jemand nachgeholfen hat“, so Grüter weiter. Für den Anhänger der Theorie hat das einen entscheidenden Vorteil: Gegen Zufälle kann er sich kaum absichern, wohl aber gegen böse Absicht. „Der Glaube an die Theorie bringt also ein gewisses Maß an gefühlter Kontrolle zurück“, erklärt der Experte.

US-Regierung als Drahtzieher von 9/11
Zusätzlich leben die Theorien davon, dass immer Vereinigungen existieren, denen derartige Verschwörungen zugetraut werden. Besonders beliebt sind derzeit die amerikanische Regierung, die CIA oder der israelische Geheimdienst Mossad. „Gruppen also, denen in weiten Teilen der Welt Misstrauen entgegengebracht wird und denen man zutraut, dass sie im Hintergrund Verbrechen begehen“, erläutert Grüter. Deutlich wird dies an einem sehr beliebten Themenfeld für Verschwörungstheoretiker: die Anschläge vom 11. September 2001. Demnach soll nicht das Terrornetzwerk Al-Qaida – wie stets von den USA behauptet – hinter den Anschlägen stecken, sondern die US-Regierung und ihre Geheimdienste selbst, um sich so die Unterstützung der US-Bevölkerung für die Kriege im Mittleren Osten zu sichern. Andere Theorien drehen sich um eine kontrollierte Sprengung der Türme des World Trade Centers.

„Diejenigen, die solche Theorien für möglich halten, glauben daran, weil der Inhalt besser in ihr Weltbild passt. Von ihrem Standpunkt aus erscheint er ihnen plausibler als die offizielle Version“, erklärt der Experte. So seien in Europa etwa jahrhundertelang Verschwörungstheorien gegen Juden absolut „in“ gewesen. Die Leute glaubten, dass die Juden in der Lage seien, jede beliebige Verschwörung im Hintergrund aufrecht zu erhalten und alle möglichen Verbrechen zu begehen. „Das hat sich ewig gehalten, obwohl nie etwas dran war. Aber es reicht das Misstrauen gegen eine als fremd oder feindlich empfundene Gruppe“, so Dr. Grüter.

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Wenn es Verhütungsmittel aus der Luft regnet
Charakteristisch für Verschwörungstheorien ist, dass sie in der Regel todernst gemeint sind und nur selten – wie im Fall Bielefeld – satirisches Potenzial besitzen. So wie die Chemtrail-Theorie: Sie besagt, dass es sich bei Kondensstreifen am Himmel nicht um Triebwerksabgase von Flugzeugen handelt, sondern um verschiedene chemische Giftstoffe. Wer hinter der Verbreitung der Gifte stehen könnte, ist selbstverständlich nebulös – es kursieren auch dazu die verschiedensten Theorien. Zu den schrägsten gehört sicherlich diese: „In den ländlichen konservativen Gebieten in Amerika gibt es die Theorie, dass die Liberalen dahinter stecken, also der politische Gegner. Ihnen wird unterstellt, dass sie Verhütungsmittel abwerfen, damit sich ihre Gegner nicht mehr vermehren können“, erklärt Dr. Thomas Grüter.

Solche Konspirationsthesen gehen von derart perfekt geplanten Verschwörungskonstrukten aus, dass sie unter normalen Umständen kaum möglich wären: Alle Eingeweihten müssten sich stets fehlerlos verhalten und dürften nichts nach außen an Unwissende weitertragen. Hier darf nun jeder selbst entscheiden, wie wahrscheinlich das perfekte Trugbild ist.