Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
London/Kiew (dpa) - Die Ukraine ist bei ihren Bemühungen, moderne westliche Kampfjets für ihren Abwehrkampf gegen Russland zu bekommen, einen Schritt weiter. Großbritannien und die Niederlande wollen eine internationale Koalition aufbauen, um der Ukraine bei der Beschaffung von US-Jets vom Typ F-16 zu helfen, wie ein britischer Regierungssprecher laut Nachrichtenagentur PA gestern Abend sagte.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, das werde auch von Frankreich unterstützt. Er sieht in den Bemühungen um eine Stärkung der ukrainischen Luftwaffe eine positive Entwicklung.
Die USA allerdings lehnen es bislang ab, die von der Ukraine gewünschten Kampfjets vom Typ F-16 zu schicken. Diese Position bestätigten US-Vertreter mehrfach. Selenskyj und die ukrainische Führung sind seit Monaten bemüht, von westlichen Verbündeten moderne Kampfflugzeuge zu erhalten. Bisher haben sich alle Partner der Ukraine, allen voran die USA, in dieser Frage weitgehend zurückgehalten.
Großbritannien und Niederlande für Kampfjet-Koalition
Ein britischer Regierungssprecher sagte: «Der Premierminister (Rishi Sunak) und der niederländische Ministerpräsident (Mark) Rutte vereinbarten, eine internationale Koalition zu bilden, um die Ukraine mit Luftkampfressourcen auszustatten, von der Ausbildung bis zur Beschaffung von F16-Jets.» Von der niederländischen Regierung gab es zunächst dafür keine Bestätigung.
Auf seiner kurzen Europa-Tournee der vergangenen Tage scheint Selenskyj auch in Frankreich Unterstützung für die angestrebte Kampfjet-Koalition erhalten zu haben. «Gestern haben wir in Großbritannien mit Rishi (Sunak), dem Premierminister, vereinbart, dass wir an einer Koalition von Kampfjets arbeiten - Ausbildung, Flugzeuge, Ergebnisse», sagte Selenskyj gestern in seiner abendlichen Videoansprache. «Gestern wurde dies vom französischen Präsidenten (Emmanuel) Macron unterstützt, und heute vom niederländischen Premierminister Mark Rutte», fügte er hinzu. «Ein guter Start für die Koalition! Ich danke Ihnen allen!»
Allerdings hatte Macron am Sonntag auf Selenskyjs wiederholte Forderungen, Kampfjets zu liefern, ebenso wie Bundeskanzler Olaf Scholz, zurückhaltend reagiert.
Bei Selenskyjs Besuch in Großbritannien hatte Sunak angekündigt, London wolle ukrainische Piloten «recht bald» an westlichen Jets ausbilden. Der Premier kündigte den Aufbau einer Flugschule für ukrainische Piloten an. Damit könnten sie an verschiedenen Flugzeugtypen ausgebildet werden. Gestern bekräftigte Sunak laut dem Regierungssprecher, die Ukraine habe ihren rechtmäßigen Platz in der Nato.
Selenskyj: Zeigen, was Macht der freien Welt bedeutet
Nach dem erneuten heftigen Raketenbeschuss auf die Ukraine betonte Selenskyj den europäischen Zusammenhalt. «Russland bemüht sich sehr, seine Fähigkeit zu töten zu verbessern. Wir bemühen uns sehr, den Schutz unserer Bevölkerung zu verbessern. Und ich danke allen Ländern und Führern, die uns dabei helfen, unsere Luftverteidigung insgesamt zu verbessern. Wir zeigen, was unsere 100 Prozent bedeuten und was die Macht der freien Welt bedeutet», sagte Selenskyj gestern beim Europaratsgipfel in Reykjavik per Videoschalte.
Europarat will Russland zur Rechenschaft ziehen https://t.co/qibfXJaeUo
— Helmut Baltrusch (@Balelt41) May 17, 2023
Scholz: Brücken zum «anderen Russland» nicht abbrechen
Bundeskanzler Scholz sprach sich beim Europarats-Gipfel dafür aus, die Brücken zum «anderen Russland» jenseits von Präsident Wladimir Putin und seiner Regierung nicht abzubrechen. Irgendwann werde Russlands Krieg gegen die Ukraine enden, sagte der SPD-Politiker zum Auftakt des Spitzentreffens, zu dem mehr als 30 Staats- und Regierungschefs aus den insgesamt 46 Mitgliedsländern erwartet wurden. «Und eines ist sicher: Er wird nicht mit einem Sieg des Putin'schen Imperialismus enden.» Denn man werde die Ukraine so lange unterstützen, bis ein gerechter Frieden erreicht sei.
Russen dringen in Bachmut vor - Ukrainer dringen um Bachmut vor
Bei den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut entwickelt sich eine paradoxe Frontlage. Während ukrainische Truppen an den Fronten rund um die Stadt weiter vordringen, drücken russische Truppen die ukrainischen Verteidiger innerhalb der Stadt weiter zurück, wie die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar auf Telegram mitteilte. «Innerhalb weniger Tage haben unsere Truppen nördlich und südlich von Bachmut rund 20 Quadratkilometer vom Feind gesäubert, dieser wiederum rückt innerhalb von Bachmut vor und zerstört die Stadt vollständig mit seiner Artillerie.»
Mit dem Vorrücken ukrainischer Truppen an den Flanken der russischen Streitkräfte könnte sich die vom ukrainischen Heereskommandeur Olexander Syrskyj angedeutete «Mausefalle» für die russischen Soldaten weiter schließen.
Kiew: Rund 400.000 Russen im Einsatz in der Ukraine
In der Ukraine sind nach Schätzungen des ukrainischen Militärgeheimdienstes gegenwärtig rund 400.000 Russen im Einsatz. Die rein militärische Komponente bestehe aus rund 370.000 Soldaten, sagte Geheimdienstchef Kyrylo Budanow im Staatsfernsehen in Kiew. Dazu kämen noch etwa 20.000 Angehörige der Russischen Garde, einer paramilitärischen Eliteeinheit der Russischen Föderation. Private Gruppierungen stellten weitere knapp 7000 Kämpfer. Zu Letzteren gehört etwa die Söldnertruppe Wagner unter ihrem Anführer Jewgenij Prigoschin.
Die bisherigen Verluste der russischen Truppen seit Beginn der Invasion in die Ukraine im Februar des Vorjahres werden in Kiew auf knapp 200.000 geschätzt. Aus dieser täglich aktualisierten Statistik geht jedoch nicht klar hervor, ob damit nur Tote oder auch Verwundete gemeint sind. Tatsächliche Zahlen über Truppenstärken oder Verluste werden von beiden Konfliktparteien nicht veröffentlicht.
Das wird heute wichtig
Die 46 Länder des Europarats wollen bei ihrem Gipfel in Reykjavik ein Register für die Kriegsschäden in der Ukraine beschließen. So sollen alle Schäden durch den russischen Angriffskrieg dokumentiert werden, damit Russland rechtlich und finanziell dafür gerade stehen muss.
Dem Register könnten dann alle Mitgliedsländer, aber auch Beobachter und andere Staaten beitreten. Die Idee geht unter anderem auf eine Resolution der Vereinten Nationen zurück. Auch der französische Präsident Macron warb für das Register: «Ich rufe alle Staaten auf, sich ihm anzuschließen und aktiv zu seiner Ausarbeitung beizutragen.»