Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Washington (dpa) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei seinem Besuch in der US-Hauptstadt Washington weitere Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zugesagt bekommen.
Anschließend reiste er überraschend weiter zu einem Besuch im benachbarten Nato-Land Kanada, wo ebenfalls ein Treffen mit dem Regierungschef und zudem eine Rede vor dem Parlament geplant war. Einer Mitteilung zufolge sollte der Ukrainer noch in der Nacht in der Hauptstadt Ottawa eintreffen.
Die USA stellen dem angegriffenen Land zusätzliche Waffen und Ausrüstung im Wert von insgesamt 325 Millionen US-Dollar (305 Millionen Euro) bereit, wie die US-Regierung ankündigte. Seit Kriegsbeginn beläuft sich die Militärhilfe der Vereinigten Staaten für die Ukraine demnach auf 43,9 Milliarden Dollar.
Das neue Paket enthält unter anderem Artilleriemunition und Geschosse zur Abwehr feindlicher Luftangriffe. International geächtete Streumunition, wie sie auch Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt hat, ist ebenfalls enthalten. Neu genehmigt wurden laut Pentagon-Angaben Waffen und Ausrüstung im Wert von 128 Millionen Dollar aus Beständen des US-Militärs. Hinzu kommen demnach Waffen und Ausrüstung im Wert von 197 Millionen US-Dollar, die bereits zuvor genehmigt worden waren.
US-Präsident Joe Biden kündigte während Selenskyjs Besuch an, dass die ersten von den USA zugesagten Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams in der kommenden Woche geliefert würden. Die US-Regierung hatte im Januar zugesagt, der Ukraine 31 Abrams-Panzer zu liefern.
Selenskyj: «Genau das, was unsere Soldaten jetzt brauchen»
Selenskyj betonte in Washington seine Dankbarkeit für die Unterstützung der USA an «allen 575 Tagen» des Krieges. Die neuen Militärhilfen seien «genau das, was unsere Soldaten jetzt brauchen», sagte er nach dem Treffen mit Biden und diversen Kabinettsmitgliedern im Weißen Haus. Amerika helfe auch dabei, die ukrainische Flugabwehr zu stärken und neue Angriffe auf sein Land zu verhindern.
Allerdings bekam Selenskyj nicht alles, was er sich erhofft hatte. Auf die erbetenen ATACMS-Raketen, die den ukrainischen Truppen bei ihrer Gegenoffensive helfen sollten, muss Kiew vorerst verzichten. Die ATACMS haben eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern und werden vom Boden auf Ziele am Boden abgefeuert - hätten also militärische und logistische Ziele im Hinterland der Front treffen können, um den Nachschub der russischen Besatzungstruppen speziell im Süden zu stören.
Selenskyj reist von USA weiter nach Kanada
Mit diesem Rückschlag im Gepäck machte sich Selenskyj dann auf den Weg nach Kanada. Premierminister Justin Trudeau wollte ihn dort in der Hauptstadt Ottawa empfangen, wie sein Büro am Donnerstagabend mitteilte. «Kanada unterstützt das ukrainische Volk in seinem Kampf um seine Souveränität und seine Demokratie sowie unsere gemeinsamen Werte wie die Achtung der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Selbstbestimmung auch weiterhin ohne Wenn und Aber», erklärte Trudeau. Er freue sich, Selenskyj in Kanada willkommen zu heißen.
Medienberichten zufolge ist es Selenskyjs erster Besuch in Kanada seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022. Das G7-Land hat der Ukraine seit Kriegsbeginn nach eigenen Angaben mehr als 8,9 Milliarden Kanadische Dollar (6,2 Milliarden Euro) zur Verfügung gestellt, etwa ein Fünftel davon entfällt auf Militärhilfe. Geliefert wurden unter anderem Leopard-2-Panzer, Luftabwehr- und Artilleriesysteme, gepanzerte Fahrzeuge und Munition. Ferner wurden zehntausende ukrainische Militär- und Sicherheitskräfte durch die Kanadier geschult. Seit der russischen Invasion hat Kanada zudem über 175.000 Ukrainer aufgenommen und zahlreiche Sanktionen gegen Russland verhängt.
Treffen mit Senatoren in Washington
Nach seiner Teilnahme an der UN-Generaldebatte in New York diese Woche hatte Selenskyj den Stopp in Washington auch dazu genutzt, bei Parlamentariern für eine langfristige Unterstützung seines Landes durch die USA zu werben. Denn seit seinem Besuch im Dezember 2022 hat sich die politische Lage in Washington verändert. Die Republikaner haben seit Januar im US-Repräsentantenhaus das Sagen, und in ihren Reihen herrscht beträchtliche Skepsis, ob die USA weiter im großen Stil Geld in einen Krieg pumpen sollten, dessen Ende nicht abzusehen ist.
Deshalb traf Selenskyj diesmal auch Kongressabgeordnete. Der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, sagte nach dem Treffen, Selenskyj habe die Senatoren bei dem Treffen vor den Gefahren gewarnt, die es mit sich bringen würde, wenn keine weiteren Mittel für die Ukraine bewilligt werden. Sein Parteikollege aus dem US-Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, pflichtete ihm bei. «Es ist wichtig, dass wir hinter der Ukraine stehen, bis der Sieg errungen ist», sagte der oberste Demokrat in der Kammer.
Besuch beim Verbündeten unter veränderten Vorzeichen
Kurz vor Weihnachten war der ukrainische Präsident schon einmal in Washington zu Gast gewesen.
Damals wurde er wie ein Held empfangen, sprach unter dem Jubel von Abgeordneten und Senatoren vor beiden Kongresskammern und nahm ein großes Militärpaket im Umfang von 1,85 Milliarden US-Dollar mit nach Hause - inklusive eines schlagkräftigen Patriot-Luftabwehrsystems. Diese uneingeschränkte Rückendeckung im Parlament gibt es so nicht mehr.
Zwar steht die Mehrheit der Republikaner im Kongress hinter der Unterstützung für die Ukraine, vor allem rechte Hardliner begehren aber dagegen auf. «Die USA verpulvern Geld, das wir nicht haben, um für diesen Krieg zu bezahlen, während die EU und andere führende Politiker auf der Weltbühne abwesend sind», schimpfte etwa der republikanische Senator Roger Marshall.
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Ukraine meldet Zerstörung von russischem Kommandopunkt
Das Kriegsgeschehen in der Ukraine geht unterdessen weiter. Die ukrainische Armee zerstörte nach Geheimdienstangaben eine versteckte Kommandostelle der russischen Streitkräfte in der besetzten Stadt Melitopol. Der Stab sei in einer Motorenfabrik untergebracht gewesen und per Raketenangriff vernichtet worden, berichteten ukrainischen Medien am Donnerstag unter Berufung auf den Geheimdienst SBU.
Melitopol im Süden der Ukraine dient der russischen Besatzung als Verwaltungshauptstadt für das nicht vollständig eroberte Gebiet Saporischschja. Die ukrainische Seite nahm für sich in Anspruch, bei dem Angriff den Kommandeur der 58. Armee Russlands und dessen Stabschef verletzt zu haben. Unabhängig überprüfen ließ sich diese Behauptung nicht.
Was heute wichtig wird
Selenskyj dürfte auch in Kanada um weitere finanzielle und militärische Unterstützung für sein Land werben. Während seines bis Freitag geplanten Aufenthalts ist eine Rede des Ukrainers vor dem Parlament vorgesehen, wie Trudeaus Büro mitteilte. Danach werde der Gast aus Kiew nach Toronto weiterreisen, wo er mit kanadischen Wirtschaftsführern zusammentreffe.