Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew/Washington (dpa) - Vor dem Tag der Streitkräfte in der Ukraine am Mittwoch hat Präsident Wolodymyr Selenskyj allen gedankt, die im Abwehrkampf gegen die russische Invasion stehen - Soldaten wie freiwilligen Unterstützern. «Ruhm allen, die für die Ukraine und die Ukrainer kämpfen und arbeiten!», sagte er in seiner Videoansprache am Vorabend des Feiertages.

Die Ukraine wehrt seit Februar 2022 einen großangelegten russischen Einmarsch ab und ist dabei auf ausländische Unterstützung angewiesen. Das Einwerben von Hilfe erlitt jedoch einen Rückschlag: Eine Videoschalte Selenskyjs nach Washington, um Mitglieder des US-Senates von einer Fortsetzung der Hilfen zu überzeugen, wurde kurzfristig abgesagt. In letzter Minute sei etwas dazwischen gekommen, sagte der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer.

In der Nacht auf Mittwoch herrschte über weiten Teilen der Ukraine wieder Luftalarm. Russland griff nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe erneut mit Kampfdrohnen an. Am Mittwoch ist nach Zählung der ukrainischen Militärs der 651. Tag des Krieges.

Lage in der Ukraine; Grafik/Redaktion: A. Brühl
Lage in der Ukraine; Grafik/Redaktion: A. Brühl

Selenskyj spricht nicht zu US-Senatoren

In Washington wurden keine Angaben gemacht, warum die Videoschalte des ukrainischen Staatschefs mit den US-Senatoren kurzfristig abgesagt wurde. Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak schrieb auf X (früher Twitter), dass er zu Gesprächen in der US-Hauptstadt sei.

Der demokratische Senator Schumer appellierte vor Journalisten an seine republikanischen Kollegen, weitere US-Hilfen schnell zu genehmigen. «Dies ist ein historischer Moment», sagte er. Man dürfe nicht länger warten. Die bisher vom US-Kongress bewilligten Mittel für die Ukraine werden nach Angaben der Regierung zum Jahresende komplett aufgebraucht sein.

Wenn das Parlament nicht handele, werde die Regierung keinerlei Mittel mehr haben, um weitere Waffen und Ausrüstung für die Ukraine zu beschaffen oder Ausrüstung aus eigenen Militärbeständen an Kiew zu liefern, warnte das nationale Haushaltsamt in einem Brief an die Führung in beiden Kongresskammern.

Pistorius: Liefern, was wir können - Opposition will mehr

In Deutschland räumte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Verzögerungen bei Waffenlieferungen an die Ukraine ein. Zugleich sagte er, die Kapazitäten würden so schnell wie möglich hochgefahren. «Wir haben gerade das Problem, das ist bekannt, dass die Rüstungsindustrie in bestimmten Bereichen nicht so schnell liefern kann, wie die Bedarfe da sind», sagte er im ZDF-«Heute Journal». Deutschland sei aber bei den Waffenlieferungen inzwischen der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine. «Wir liefern, was wir können.»

Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte forderte, die Bundesregierung solle die Militärhilfe ausweiten. «Der Frontverlauf wird sich trotz vieler Verluste voraussichtlich in den Wintermonaten nicht grundlegend ändern. Umso wichtiger bleibt eine langfristige Unterstützung der Ukraine», sagte der Vizevorsitzende im Verteidigungsausschuss der Deutschen Presse-Agentur.

Die Regierung solle ihre ablehnende Haltung zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern aufgeben. «Mit der Lieferung von Taurus könnte die Ukraine die voraussichtlich zunehmenden russischen Raketenangriffe an der Raketen-Basis bekämpfen», sagte Otte. Der Taurus ist einer der modernsten Flugkörper der Luftwaffe mit einer Reichweite um 500 Kilometer.

Eine weitere Nacht mit russischen Drohnenangriffen

Russland griff das Nachbarland nach ukrainischen Angaben in der Nacht zu Mittwoch erneut mit Kampfdrohnen an. Die ukrainische Luftwaffe meldete zunächst Gefahr für den Süden des Gebietes Odessa. Später flog eine weitere Gruppe von Shahed-Drohnen iranischer Bauart über das Gebiet Mykolajiw. Dann wurde der Luftalarm auf die Zentralukraine und die Hauptstadt Kiew ausgeweitet.

Zugleich teilte die ukrainische Luftwaffe mit, sie habe über dem Westen des Schwarzen Meeres nahe der Schlangeninsel einen russischen Kampfbomber vom Typ Suchoi Su-24 abgeschossen. Selenskyj bestätigte den Abschuss in seiner Videoansprache.

Selenskyjs Dank an die Front hinter der Front

Zum Tag der ukrainischen Streitkräfte sei es «sowohl sehr symbolisch als auch fair zu sagen, dass die Ukraine all ihren Freiwilligen dankt», sagte Selenskyj. Es seien «Tausende, Zehntausende, Hunderttausende, ja Millionen von mitfühlenden Ukrainern, die sich der Freiwilligenbewegung angeschlossen haben». Sie unterstützten die Armee, in dem sie Geld sammelten, Waffen, Fahrzeuge und Ausrüstung besorgten. Zugleich kümmerten die Freiwilligen sich um die Binnenflüchtlinge und andere Bedürftige im Land.

Wohnungen für heldenhafte Soldaten

Ukrainische Soldaten, denen die höchste Auszeichnung als «Held der Ukraine» verliehen worden ist, bekommen künftig vom Staat eine Wohnung. Selenskyj übergab in Kiew die ersten 21 Besitzurkunden an die Soldaten oder - falls sie nach dem Tode ausgezeichnet wurden - an deren Hinterbliebene übergeben. Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 sind etwa 360 Soldaten als «Held der Ukraine» ausgezeichnet worden. 210 von ihnen erhielten die Ehrung posthum.

Das wird am Mittwoch wichtig

In den USA berät die Rüstungsbranche mit ukrainischen Vertretern über Waffenproduktion. Das Weiße Haus teilte mit, man wolle die «Möglichkeiten für Koproduktionen und andere industrielle Kooperationen in der Ukraine» erkunden.

Der wegen des Ukraine-Krieges international isolierte russische Präsident Wladimir Putin besucht die Ölstaaten Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien.