Im Land der "schlafenden Hexe": Ein Tag am Set der ARD-Serie "Watzmann ermittelt"
Im Mai 2019 ging Andreas Giebel erstmals als Kommissar Benedikt Beissl in "Watzmann ermittelt" auf Verbrecherjagd - zupackend, aber auch sympathisch, locker und mit zünftigem Lokalkolorit. Nun laufen die Dreharbeiten zur fünften Staffel der charmanten Heimatkrimiserie in Berchtesgaden. Ein Besuch am Set, der so manche Überraschung bereit hielt!
"Alle zur Basis!" - Wer bei diesen Worten an die Zentrale einer Raumstation oder an ein militärisches Gebaren denkt, liegt falsch. Es ist nur der Produktionsleiter der Krimiserie "Watzmann ermittelt" Moritz A. Sachs, der seine Crew zusammentrommelt. Die Basis, das ist eine Art Hauptquartier für Schauspieler und Produktionsteam an einem Filmset, und dort geht es eben auch mal zackig zu. Und, genau: Moritz A. Sachs, das ist der Schauspieler, der in der "Lindenstraße" als Klaus Beimer durchaus ein Stück Fernsehgeschichte mitgeschrieben hat. Die "Lindenstraße" ist jedoch gerade sehr weit weg. Hier, mitten auf dem weitläufigen Gelände des Stahlwerks Annahütte in der knapp 10.000 Seelen-Gemeinde Ainring bei Berchtesgaden, versteckt sich parallel zum deutsch-österreichischen Grenzfluss Saalach eine Art Containersiedlung. An einer Tür prangt ein Aufkleber mit dem Namen "Peter Marton", an einer anderen springt einem sofort der markante Schriftzug "Andreas Giebel" ins Auge. An einer Ecke bügelt jemand Hemden, und im schnuckeligen Catering-Wägelchen schwenken zwei lässige Typen mit Piloten-Sonnenbrille Pfannen und Töpfe ...
Hier wird gearbeitet und auch ein bisschen gelebt. Jedenfalls scheint so ein Set eine ganz besondere Eigendynamik zu entwickeln, das wird schnell klar, wenn man die Truppe der ARD-Serie besucht. Unter der sengenden Hitze in diesen Spätsommertagen mag der eine oder andere stöhnen, "Lindenstraße"-Legende Sachs nimmt's gelassen, tupft sich noch schnell die Stirn, dann schart er seine Leute um sich - und schon steht ein Shuttle bereit, das Journalisten, PR-Leute und Fotografen zu einem der wohl schönsten Motive im Oberland bringt: zu einem imposanten Herrenhaus auf einem Berchtesgadener Hügel mit Blick auf die "schlafende Hexe", einem der Drehorte für die neue, fünfte Staffel (voraussichtlicher Ausstrahlungstermin Anfang 2024) der beliebten Krimiserie "Watzmann ermittelt".
34 Jahre lang stand Sachs als Klaus Beimer für die "Lindenstraße" vor der Kamera, jetzt, über drei Jahre nach dem Ende der Kultserie, kümmert er sich als Produktionsleiter um alles, was Crew und Darsteller der Lucky Bird Pictures-Produktion "Watzmann ermittelt" brauchen ... Und während der Branchenkenner seinen geschätzten 30. Anruf an diesem Tag entgegennimmt - der Mann ist eben gefragt -, erwischen wir den Regisseur John Delbridge zwischen zwei Szenen. Die Devise im Gewusel an so einem Set heißt: die Gunst des Augenblicks zu nutzen. Hier und da gibt es doch kleine Lücken im straffen Zeitplan eines Drehtages ...
Regisseur John Delbridge über "gar nicht so blöde Kriminalgeschichten"
"Die Leute haben sich nicht nur an die Figuren gewöhnt, sie lieben sie und die bayerische Landschaft einfach", betont Delbridge in einem kurzen Statement zwischen zwei "Und bitte!"-Befehlen. Der Regisseur, der sich unter anderem mit Filmen der "Katie Fforde"- und "Inga Lindström"-Reihen einen Namen gemacht hat, ist in vielen Folgen der beliebten Heimatkrimis mit Leib und Seele dabei. In lässigen Shorts, Turnschuhen, Headset um den Hals und weißem Hemd streift er hochkonzentriert durch die fürstlichen Räume des alten Herrenhauses, das heute der Bildungsakademie BGLand gehört - immer auf der Suche nach dem perfekten Blickwinkel.
Auf die Frage, warum sich das Format bereits seit einigen Jahren erfolgreich am Vorabend im Ersten hält und vor allem auch bei den Jüngeren immer beliebter wird, antwortet er lachend mit britischem Akzent: "Wenn ich das richtig erklären könnte, hätte ich auch mit anderen Dingen viel Erfolg." Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: "Die Kriminalgeschichten, die wir erzählen, sind gar nicht so blöd" ...
Ähnlich bescheiden wirken auch die Hauptdarsteller. Sowohl Peter Marton, Andreas Giebel und Gaststar Lara Joy Körner (spielt die Stahlwerk-Besitzerin Anette Loibl, deren blinde Tochter entführt wurde) als auch Newcomerin Paulina Rümmelein (25) zeigen an diesem heißen und anstrengenden Drehtag im Gespräch mit der "Presse" eine bemerkenswerte Coolness.
Andreas Giebel: "Ich bin natürlich wieder der Depp"
"Ich bin natürlich der Depp", beschwert sich Hauptdarsteller Giebel halb im Scherz über die Temperaturen. "Ich habe wieder ein Flanellhemd und eine Weste an" - ganz Oberkommissar Beissl eben. "Und wenn's blöd kommt, eine Lederjacke drüber." Eigentlich gehöre er ja schon in die Altersklasse, von der es heißt: "Die Alten müssen aufpassen." Lächelnd grummelt der 65-Jährige noch ein wenig vor sich hin, bevor er sich ein Herz fasst und über die Vorzüge "seiner" Serie philosophiert, in der er als eingefleischter Ermittler Benedikt Beissl den Fels in der Krimi-Brandung spielt.
Der Schauspieler und Kabarettist Giebel ist am Set schon fast so etwas wie der personifizierte Watzmann - unverrückbar eben und nicht aus der Ruhe zu bringen. Auf sein Team sei er stets stolz, sagt Giebel mit Blick auf die Set-Runner, die wie Wiesel von A nach B huschen. "Aber das ist für jeden schon wahnsinnig viel am Tag." Manchmal hat die Crew an einem Tag Material für ganze zwei Drehtage abzuarbeiten - kein Vergleich zu früheren Zeiten an Film- oder Seriensets. "Das ist auch den Umständen geschuldet, dass nie Geld da ist, aber es muss immer in hoher Qualität produziert werden - am besten in Kinoqualität", weiß der erfahrene Schauspieler. Die Zeiten haben sich geändert, alles müsse immer schneller gehen.
Worüber Andreas Giebel "positiv überrascht" ist
Vor allem auf der etwas höher gelegenen Terrasse des Herrenhauses, die nach ein paar Stunden in der prallen Sonne einer heißen Herdplatte gleichkommt, kann es nicht schaden, einen Zahn zuzulegen. So wird die kurzweilige Foto-Session mit den Hauptdarstellern und Neuzugang Rümmelein zum Höhepunkt des Tages, als Giebel und Marton ihren Auftritt haben. Hinter den Kulissen beides freundliche und herzliche Männer, vor der Kamera ganz die eisenharten Kommissare. "Nein, wir haben eine gesunde Distanz", weigert sich der 65-Jährige strikt, dem Wunsch der Fotografen nachzugehen und den Arm um seinen jüngeren Kollegen zu legen. Das passe eben einfach nicht zur Rolle, erklärt er. "Außerdem sind wir ja kurz davor, den Fall zu lösen", lässt er die recht hektische Presse-Meute wissen. "Wir sind zwar noch skeptisch, aber voller Hoffnung. Das muss man doch in unseren Gesichtern erkennen!" - Der Mann ist eben Profi. Und er hat einen gesunden bayerischen Humor.
Wie gut, dass Paulina Rümmelein, sie spielt in den neuen Folgen Beissls neue Kollegin Franzi, eine ebenso "natürliche Art" hat, wie Giebel gleich an ihrem ersten Drehtag schwärmt. 2022 war sie bereits als Praktikantin in einem Schönheitssalon, Kim Oleg, in der Serie zu sehen. So schnell wird aus einer Gastrolle ein festes Engagement. "Ich bin positiv überrascht", betont Giebel. Dank ihres Talents könne er sich mit ihr auch ohne Worte verständigen. "Ich brauche einfach das Gefühl, dass man auch mal improvisieren kann und schaut, was dabei herauskommt." Das Zusammenspiel der einzelnen Darstellerinnen und Darsteller scheint nicht nur vor der Kamera gut zu funktionieren. Auch hinter der Kamera herrscht ein permanenter, reger Austausch zwischen den Schauspielerinnen und Schauspielern.
"Ich finde es immer spannend, die Herangehensweisen verschiedener Spieler zu sehen", schwärmt Rümmelein an ihrem ersten Drehtag. Anfangs habe sie sich, wie sie im Gespräch verrät, allerdings so gar nicht als Polizistin gesehen. "Ein Kindheitsfreund von mir ist Polizist geworden, mit ihm habe ich mich dann zusammengesetzt und viel über die Ausbildung und die Arbeit erfahren." So habe die quirlige Blondine zu Franzis Art und Wesen direkt einen Zugang gefunden. "Als ich dann zum ersten Mal die Uniform mit allem drum und dran anziehen durfte, hat sich Wesen und Beruf(ung) dann fast automatisch zusammengefügt." - Vorbereitung ist eben alles ...