Late-Night-Provokateur Edin Hasanovic: "Meine Vision ist es, das Publikum zum Kochen zu bringen"

Der Anzug und ein bisschen Protzen mit Autos und Pyro gehören zum Late-Night-Geschäft. Nachts ist es eben Zeit für Übertreibungen und ein Gala-Ausgeh-Gefühl. Sogar eine Showtreppe hat das ZDF seinem neuen Late-Night-Host Edin Hasanovic spendiert. (Bild: ZDF / Ben Knabe)
Der Anzug und ein bisschen Protzen mit Autos und Pyro gehören zum Late-Night-Geschäft. Nachts ist es eben Zeit für Übertreibungen und ein Gala-Ausgeh-Gefühl. Sogar eine Showtreppe hat das ZDF seinem neuen Late-Night-Host Edin Hasanovic spendiert. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Das ZDF startet mit "Edins Neo Night" eine neue Show, deren Host Edin Hasanovic sich vorgenommen hat, einiges anders zu machen: Der 32-jährige Schauspieler ("Skylines") will den Saal zum Kochen bringen und den Deutschen ihre Bescheidenheit in Sachen Unterhaltung austreiben. Kann das gelingen?

Edin Hasanovic wurde 1992, zu Beginn des Bosnienkrieges, in Zvornik geboren. Wenige Monate später floh seine Mutter mit ihm nach Deutschland. Dort entdeckte man das besondere Unterhaltungstalent des Einwandererkindes, das 2011 in Berlin-Prenzlauer Berg sein Abitur machte. Schon damals war Edin Hasanovic Schauspieler: In der preisgekrönten ZDF-Serie "KDD - Kriminaldauerdienst" (2007-2010) spielte er einen "schwierigen" Jungen aus dem Kosovo. Mit dem Erwachsenwerden wurden nicht nur die Rollen größer. Es wurde offenbar, dass der Mann ein großes Entertainment-Talent besitzt. Er bewies es als "Host" mehrerer Galas wie dem "Deutschen Filmpreis". Nun gibt das ZDF seinem Ziehsohn eine Late-Night-Show in die Hand, die anders werden könnte, als jene, die man gewohnt ist: "Edins Neo Night" startet am Samstag, 27. April, in der ZDF Mediathek. Am Sonntag, 28. April, 20.15 Uhr, folgt die lineare Version bei ZDFneo. Im Wochenrhythmus folgen sechs halbstündige Episoden. Zunächst. Wenn man Edin Hasanovics Plänen, die er im Interview verrät, glauben will, kommt da etwas Ungewöhnliches auf Deutschland zu.

teleschau: Zu einer Late-Night-Show gehören Elemente wie ein Stand-up-Comedy-Auftritt des Gastgebers, eine Live-Band und Gäste. Das ist bei Ihnen auch so?

Edin Hasanovic: Alles das gibt es auch bei mir. Aber dann kommt noch die Komponente Edin Hasanovic hinzu. Die ist ziemlich unberechenbar, leidenschaftlich und feurig.

teleschau: Also Chaos als Show-Prinzip?

Hasanovic: Sagen wir besser: Bauchgefühl und Spontaneität. Was wir nicht wollen, ist der moralische Zeigefinger. Ich möchte nicht explizit politisch sein. Wenn jemand in meiner Show sitzt und denkt: "Oh, das war jetzt schlau" oder "Das bringt mich zum Nachdenken", würde mir das nicht gefallen. Was ich lieber will, ist, dass die Leute gar nicht verstehen, was ich da sage, dass aber in ihrem Körper eine Resonanz entsteht. Dass sie zum Beispiel Bock haben, sich im Studio mit mir zu bewegen. So war es zumindest beim Piloten, den wir gedreht haben. Da standen am Ende die Leute alle auf ihren Plätzen. Und zwar nicht, um mich zu feiern, sondern weil sie die Musik und die Show so mitgenommen hat.

Schauspieler Edin Hasanovic wird Late-Night-Host. Das ZDF startet mit "Edins Neo Night" eine neue Show, deren 32-jähriger Gastgeber sich vorgenommen hat, einiges anders zu machen: Edin Hasnanovic will in sechs Folgen à 30 Minuten den Saal zum Kochen bringen und den Deutschen ihre Bescheidenheit in Sachen Unterhaltung austreiben. Kann das gelingen? (Bild: ZDF / Ben Knabe)

"Ironie ist mir auf der Bühne fremd, genauso wie Scham"

teleschau: Was ist denn das Unberechenbare an Ihnen?

Hasanovic: Das Feuer, das meine Freunde seit Jahren kennen. Diese Freunde denken ja, sie sind mich jetzt los, weil ich das nun auf der Bühne ausleben kann. Sie werden mich aber auch in Zukunft auf jeder Autofahrt aushalten müssen. Zum Beispiel als Sänger, wenn mich ein Song kickt oder als "Bewegungstalent", das im Sitzen tanzt. Unterhaltung ist bei mir körperlich, leidenschaftlich. Ironie ist mir auf der Bühne fremd, genauso wie Scham. Meine große Vision ist es, das deutsche Publikum zum Kochen zu bringen.

teleschau: Wie sieht ein "kochendes" Publikum aus?

Hasanovic: Man kennt es von Ellen DeGeneres oder Oprah Winfrey, dass der Saal ein Eigenleben entwickelt. So etwas kann man nicht planen. Ich hätte aber schon Bock drauf, dass sich das Publikum ein bisschen undeutsch bewegt. Dass sie abgehen und dabei laut sind.

teleschau: Das klingt, als wollten sie eigentlich eine Party feiern ...

Hasanovic: Exakt. Eine mit Kameras, die unter dem Siegel Late-Night stattfindet. Aber ganz richtig, eigentlich plane ich eine Party!

teleschau: Stammt das Showkonzept von Ihnen?

Hasanovic: Ja, ich durfte fast alles entscheiden. Sogar eine eigene Showtreppe wurde mir genehmigt. Ich möchte den klassischen Late-Night-Rahmen dazu nutzen, anders zu sein. Es wird Gäste geben, ich habe eine Band. Und ich werde am Anfang versuchen, lustig zu sein. Trotzdem: Dies ist nur der Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens will ich extremer sein als vieles von dem, was man vom deutschen Fernsehen kennt. Vielleicht wird das dann lustiger als andere Sendungen. Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es.

Vom Schauspieler zum Entertainer? Edin Hasanovic schenkt man mit der Show "Edins Neo Night" das, worin der Mann laut eigener Einschätzung am besten ist: die "Komponente Edin Hasanovic". Sie ist "ziemlich unberechenbar, leidenschaftlich und feurig." Wird das deutsche Publikum dies aushalten? 
 (Bild: ZDF / Ben Knabe)
Vom Schauspieler zum Entertainer? Edin Hasanovic schenkt man mit der Show "Edins Neo Night" das, worin der Mann laut eigener Einschätzung am besten ist: die "Komponente Edin Hasanovic". Sie ist "ziemlich unberechenbar, leidenschaftlich und feurig." Wird das deutsche Publikum dies aushalten? (Bild: ZDF / Ben Knabe)

"So wie ich verhalten sich Kinder nicht mit zwölf Jahren"

teleschau: Sie haben vor der Kamera als Jugendlicher angefangen und sind heute ein anerkannter Schauspieler. Vom Schauspieler zum Entertainer zu werden, ist ungewöhnlicher als andersherum ...

Hasanovic: Mag sein, aber das ist mir egal. Ich spiele seit 20 Jahren, und irgendwann kam jemand von der Filmakademie auf mich zu und fragte, ob ich den First-Steps-Award moderieren möchte, den größten deutschsprachigen Nachwuchspreis. Dann kam der Deutsche Filmpreis. Ich habe mich nie gefragt, ob ich das kann oder gelernt habe. Es fühlt sich normal und natürlich für mich an, auf der Bühne zu stehen. Dass es so ist, konnte man schon auf Videos erkennen, auf denen ich zwölf Jahre alt bin. Auch, wenn ich diese Videos nicht besonders mag!

teleschau: Das müssen Sie erklären ...

Hasanovic: Es gibt alte Videoaufnahmen von mir als Kind, auf denen ich sehr deutlich "performe". Das Zuschauen ist mir unangenehm, weil ich so unkindlich bin. So wie ich verhalten sich Kinder nicht mit zwölf Jahren, denke ich heute. Ich schäme mich beim Zuschauen und mache dann immer so ein bisschen meine Mutter an, weil sie zugelassen hat, dass ich mich so verhalte. Aber mein Gott, was soll sie machen? Ich war eben so.

teleschau: Wo kommt ihr Show-Gen her? Aus der Familie?

Hasanovic: In meiner Familie gibt es niemanden, der so war oder ist. Ich weiß aber, dass meine Mutter eine Ader dafür hat, sich kreativ auszudrücken, dies aber nie durfte. Meine Mutter war es aber auch, die nicht wollte, dass ich mich vor Leuten schäme. "Glasno i jasno", hieß es bei uns immer auf Bosnisch. Das heißt so viel wie: laut und deutlich. Alle Lieder, die ich singen durfte, mussten laut und deutlich aufgeführt werden. Die Vorgabe war schon früh da, ich wurde da aber nicht reingezwängt. Ein Verständnis für Show war bei mir schon sehr früh da. Nur mein Alter musste noch nachwachsen.

Normale Late-Night-Show mit Stand-up-Comedy-Auftritt des Gastgebers, einer Live-Band und Gästen. Trotzdem möchte "Host" Edin Hasanovic bei "Edins Neo Night" einiges anders machen als man es im deutschen Fernsehen gewohnt ist. Eine Party ist dem Gastgeber lieber als dass er besonders schlau oder genial rüberkommt.  (Bild: ZDF / Ben Knabe)
Normale Late-Night-Show mit Stand-up-Comedy-Auftritt des Gastgebers, einer Live-Band und Gästen. Trotzdem möchte "Host" Edin Hasanovic bei "Edins Neo Night" einiges anders machen als man es im deutschen Fernsehen gewohnt ist. Eine Party ist dem Gastgeber lieber als dass er besonders schlau oder genial rüberkommt. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

"Habe mir fest vorgenommen, die Regeln des deutschen Showgeschäftes zu missachten"

teleschau: Man könnte es einfach halten und sagen: Sie sind die klassische Rampensau!

Hasanovic: Eigentlich bin ich das nicht. Die klassische Rampensau wäre für mich jemand, der sich anders verhält und redet, wenn eine Kamera angeschaltet wird. Bei mir ist es so: Ich bin immer die Rampensau, auch wenn gerade keine Bilder aufgenommen werden und wenn keine Tonaufnahme läuft. Wenn nun jemand auf mich zukommt und sagt: Wir machen mit dir eine Show, die du selbst gestalten kannst, dann ist das für mich ein Spielplatz, eine Party und das größte Geschenk "ever".

teleschau: Schauen Sie andere Late Night-Shows? Gibt es persönliche Helden?

Hasanovic: Ich habe das Genre schon immer verfolgt. Seit ich aber weiß, dass ich selbst eine Late Night-Show machen werde, ist meine Aufmerksamkeit für das, was andere machen, noch mal gestiegen. Trotzdem wäre es jetzt doof, wenn ich amerikanische Vorbilder nennen würde. Solche Leute wie Jimmy Fallon oder Jimmy Kimmel. Dann würde man mich natürlich sofort mit diesen Größen vergleichen.

teleschau: Könnte man sich als deutscher Late Night-Talker denn so verhalten, wie es Kimmel oder Fallon mit ihren prominenten Gästen im US-Fernsehen tun?

Hasanovic: Man kann alles tun, wenn man sich traut. Ich habe mir jedenfalls fest vorgenommen, die Regeln des deutschen Showgeschäftes, seien es nun geschriebene oder auch ungeschriebene Gesetze, zu missachten. Natürlich muss man sich ein bisschen ans Publikum anpassen. Aber mein großes Ziel ist, den Regelrahmen zu sprengen. Was mir an Amerika gefällt, ist, dass sie immer wieder über sich selber lachen. Ich glaube, wenn man einen Host hat, der über sich selbst lacht, lädt das dazu ein, ein Teil der Show zu werden. Genau das ist mein Ziel: alle, die da zusammenkommen, sind die Show.

"Edins Neo Night" startet am Samstag, 27. April, in der ZDF Mediathek. Am Sonntag, 28. April, 20.15 Uhr, folgt die lineare Version bei ZDFneo. Im Wochenrhythmus folgen danach sechs halbstündige Episoden.  (Bild: ZDF / Ben Knabe)
"Edins Neo Night" startet am Samstag, 27. April, in der ZDF Mediathek. Am Sonntag, 28. April, 20.15 Uhr, folgt die lineare Version bei ZDFneo. Im Wochenrhythmus folgen danach sechs halbstündige Episoden. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

"Groß zu werden als Mensch, hat nichts Negatives an sich"

teleschau: Welche Regeln gibt es denn im deutschen Late-Night-TV?

Hasanovic: Zum Beispiel die, dass es abendlich dunkel sein muss. Mir war hingegen wichtig, dass es bei uns schön hell ist. Wir Deutsche fühlen uns im Studio eher in einer schummrigen Anonymität wohl. Wir wollen uns verstecken - und dann zuschauen. Es ist aber nicht das, was ich machen will. Ich möchte, dass sich die Menschen bei mir etwas trauen - und dass sie dafür belohnt werden. Keiner wird angemacht oder zurechtgewiesen. Groß zu werden als Mensch, hat nichts Negatives an sich. Ich glaube, das müssen wir Deutsche noch lernen. Wer aus sich herausgeht, ist nicht aufdringlich oder arrogant, sondern er feiert nur das Leben. Aus sich Herausgehen und Überheblichkeit haben erst mal gar nichts miteinander zu tun.

teleschau: Würde Sie sagen, im deutschen Showgeschäft ist man zu bescheiden?

Hasanovic: Ich würde sagen, dass es eine deutsche Tendenz gibt, selbst in der Show bescheiden zu bleiben. Nach dem Motto: Es ist doch nur Show, ansonsten will ich nicht weiter stören. Aus diesem Grunde tut sich Deutschland auch so schwer mit Stars. Der Begriff hat hierzulande fast schon einen Beigeschmack. Stars sind Menschen, die sich eventuell zu viel herausnehmen. Die Folge davon ist aber auch, dass man keine oder zu wenige echte Stars hat.

teleschau: Gibt es deutsche Entertainer, die Sie toll finden?

Hasanovic: Jemand, der meine Kindheit geprägt hat, ist auf jeden Fall Stefan Raab. Fast alles, was er gemacht hat, war sehr kurzweilig. Es war nicht immer superschlau oder durchdacht, aber es war lustig. Ich feierte aber auch Harald Schmidt, obwohl das eine völlig andere Art der Unterhaltung war. Harald Schmidt war in seiner Late-Night-Zeit eine Instanz. Jemand, bei dem man gespannt war, was heute passieren würde. Er ist auf jeden Fall auch ein Vorbild.

"Wenn du einen Grimme-Preis gewinnst, musst du aufpassen"

teleschau: Wenn man so viel Leidenschaft in die Dinge reinlegt - haben Sie nicht Angst, man könnte auch verbrennen?

Hasanovic: Man kann scheitern, das ist mir schon öfter passiert. Zu verbrennen, davor habe ich eigentlich keine Angst. Ich war fast noch ein Kind, als ich mit "KDD - Kriminaldauerdienst" meinen Durchbruch als Schauspieler erlebte. Später habe ich mal eine Serie namens "Skylines" für Netflix gedreht. Beide Serien haben einen Grimme-Preis gewonnen, wurden aber schnell abgesetzt. "KDD" immerhin erst nach drei Staffeln. "Skylines" schon nach einer. Jemand hat mal zu mir gesagt: Wenn du einen Grimme-Preis gewinnst, musst du aufpassen, dann wird das Format abgesetzt (lacht). Mich hat beides sehr geschmerzt, weil ich die Projekte sehr liebte, aber es zerstört mich nicht als Mensch oder Performer. Ich habe sowieso keine andere Wahl. Alles, was ich tue, muss ich zu 100 Prozent durchziehen. Einen Edin Hasanovic, der auf 75 oder 80 Prozent läuft, den gibt es nicht.

teleschau: Können Sie verraten, wen Sie in Ihren ersten Sendungen zu Gast haben?

Hasanovic: Leute, mit denen man Spaß haben kann. Es kommen Katrin Bauerfeind, die Wolter-Zwillinge, Steven Gätjen, Annette Frier. Leute, die nicht eitel sind und Spaß vertragen können. Danach habe ich meine Gäste ausgesucht.