Lauterbach verspricht Ende der Medikamenten-Krise: "Werden das in den Griff bekommen"

Die Knappheit von Medikamenten in Deutschland ist mit Blick auf den kommenden Winter ein drängendes Thema. Bei "Markus Lanz" kritisierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das deutsche Gesundheitssystem scharf und kündigte Korrekturen an.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach äußerte sich im Gespräch mit Markus Lanz zu den vielen Lieferengpässen von Medikamenten. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach äußerte sich im Gespräch mit Markus Lanz zu den vielen Lieferengpässen von Medikamenten. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Alleine in diesem Jahr gibt es bei rund 500 Arzneien Lieferengpässe, wie der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek jüngst verkündete. Vor über einem Jahr lag die Zahl im gleichen Zeitraum noch bei knapp 300 Medikamentenengpässen. Ein rapider Anstieg, der mit Blick auf den kommenden Winter für große Verunsicherung sorgt.

Laut des Apothekerverbands Nordrhein sind mittlerweile 1,5 Millionen Menschen täglich von den Lieferengpässen betroffen. Zu der Angst, dass bald die Versorgung mit Antibiotika auf der Kippe stehen könnte, bezog Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" Stellung und versprach eine grundsätzliche Reform des Gesundheitssystems.

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Bei "Markus Lanz" debattierten Kai Joachimsen (rechts), Ulrike Holzgrabe und Karl Lauterbach (Zweiter von links) über die Abhängigkeit der EU von China. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Das deutsche Gesundheitssystem: "super teuer" und "sehr ineffizient"

In den Augen Lauterbachs ist das deutsche Gesundheitssystem allgemein nicht nur "super teuer", sondern auch "sehr ineffizient". "Wir müssen immer wieder bedenken: Kein Land in Europa gibt so viel für Gesundheit aus wie wir. Niemand! Und wir haben halt nicht die tolle Behandlungsqualität. Somit muss ich auch dafür sorgen, dass die Qualität besser wird", versprach der SPD-Politiker.

Ein großer Baustein seiner Arbeit: die Bekämpfung der Lieferengpässe. Die Medikamentenknappheit in Deutschland liege laut Lauterbach vor allem daran, dass man "weniger bezahlt" habe. "Das heißt, wenn es knapp wurde, dann hat man zuerst in Deutschland nicht mehr verkauft."

Lauterbach schloss, es müsse deshalb "eine Kurzfrist- und eine Langfristlösung" geben. Zur kurzfristigen Lösung zähle demnach das sogenannte Lieferengpassbekämpfungsgesetz, das besage: "Derjenige, der jetzt den Vertrag mit der Krankenkasse bekommt, der muss sechs Monate Lagerhaltung garantieren." Der SPD-Politiker erklärte: "Wenn wir innerhalb von Europa nicht die Dümmsten sein wollen, dann muss das kommen. (...) Ich muss mehr vom europäischen Markt nach Deutschland holen. Da ist die Lagerhaltung ein guter Weg. Es ist nicht die endgültige Lösung, wir müssen mehr machen."

Pharmazeutin Ulrike Holzgrabe kritisierte im Gespräch mit Karl Lauterbach:
Pharmazeutin Ulrike Holzgrabe kritisierte im Gespräch mit Karl Lauterbach: "Wenn ich in eine Apotheke gehe, dann sehe ich lauter leere Regale." (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Lauterbach will neue Strategie noch im November vorstellen

Dem stimmte im ZDF-Talk Pharmazeutin Ulrike Holzgrabe zu, die vor allem auch die enorme Abhängigkeit der EU von China kritisierte: "Wir müssen davon wegkommen, dass wir nur noch ein Land in der Welt haben, dass so eine große Macht hat." Lanz hakte nach: "Also die Abhängigkeit ist sehr groß?" Holzgrabe antwortete besorgt: "Ja, so zwischen 60 und 70 Prozent."

Zwar gebe es laut der Medizin-Expertin noch "Produzenten in Europa", doch diese würden "immer weniger". Auch Kai Joachimsen, Chef des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, warnte bei Lanz: "Wir müssen so schnell wie möglich geopolitisch unabhängiger werden." Karl Lauterbach offenbarte daraufhin, dass es bereits eine neue Pharmastrategie gebe, die gemeinsam mit einem neuen Medizinforschungsgesetz noch im November vorgestellt werde.

Dabei gehe es vor allem darum, den Standort für Medikamentenforschung und -produktion wieder nach Deutschland zu holen. "Wir werden das Problem in den Griff bekommen", versprach der Gesundheitsminister und erklärte, dass bereits die Produktion von Kinderarzneimitteln "deutlich gesteigert worden" sei, was einen besseren Winter als im letzten Jahr verspreche.

Bei Zerschlagung der Hamas "könnten Dinge passieren"

Weniger optimistisch zeigten sich die Gäste bei "Markus Lanz" in Bezug auf den Krieg im Nahen Osten. Journalistin Mariam Lau warnte zunächst vor der wichtigen Rolle des Iran und erklärte: "Im Iran spricht man von einer Achse des Widerstands. Und so wie wir sagen, 'Der Schutz Israels gehört zu unserer Staatsräson', gehört die Vernichtung Israels zur iranischen Staatsräson."

Journalistin Mariam Lau erläuterte bei
Journalistin Mariam Lau erläuterte bei "Markus Lanz" ihre Einschätzung, dass das iranische Regime nicht an einem großen Krieg interessiert sei. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Lau geht zwar aktuell nicht von einem Flächenbrand aus, denn "den großen Konflikt will der Iran nicht", aber sie offenbarte mit ernster Miene: "Wenn es den Israelis wirklich gelingen sollte, die Hamas so zu dezimieren, dass sie praktisch nicht mehr kampffähig ist - das ist eine Schwächung, von der ich denke, die kann der Iran (...) nicht auf sich sitzen lassen, und dann könnten Dinge passieren."

"Ein Großteil der Weltöffentlichkeit steht gegen Israel"

Als bedrohlich bewerteten die "Markus Lanz"-Gäste auch den weltweit ansteigenden Antisemitismus. "Woher kommt die anti-israelische Haltung in der progressiven Linken?", wollte Lanz in dem Zusammenhang wissen. "Israel war bei der deutschen Linken beliebt bis 1967", erklärte Mariam Lau. Das Blatt habe sich gewendet, als "das Opfer" Israel angefangen habe, "sich zu verteidigen und eine militärische Macht zu sein, an der man nich mehr vorbeikommt. Da war es mit der Sympathie vorbei".

Karl Lauterbach stimmte zu: "Es gibt in linken, intellektuellen Kreisen massive Vorbehalte gegen Israel, weil Israel dort gesehen wird als der Apartheid- und Unterdrückerstaat, der gerade jungen Palästinenserinnen und Palästinensern die Lebensqualität wegnimmt." Mariam Lau sah derweil das Problem nicht nur auf der linken Seite, denn: "Wenn ich mir die UN-Abstimmung ansehe, wo wir uns leider Gottes enthalten haben, da kann man nur sagen: Ein Großteil der Weltöffentlichkeit steht gegen Israel."

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