Letzte Generation: Sind nach Razzia «stärker als je zuvor»
Berlin/München (dpa) - Nach der Razzia gegen die Klima-Protestgruppe Letzte Generation betonen die Aktivisten, dass eine Radikalisierung nicht zu befürchten ist und ihre Proteste weitergehen. Die Durchsuchungen von 15 Wohnungen am Mittwoch hätten Wunden in das Vertrauen in einen Staat geschlagen, «der friedliche Protestierende wie Schwerverbrecher behandelt», teilte die Gruppe am Donnerstag mit. Man erfahre nun viel Unterstützung und werde Proteste, Blockaden und Demonstrationen in den nächsten Tagen und Wochen auf ganz Deutschland ausweiten.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezweifelte, dass die Blockadeaktionen den Klimaschutz voranbringen. Die Frage sei, ob Leute mit durchschnittlichem Einkommen und Wohnsituation jetzt anders auf ihr Auto, ihr Haus, ihren Konsum blickten und zu Veränderungen bereit seien. «Und das kann ich einfach nicht erkennen», sagte er im Podimo-Podcast «Stand der Dinge», der von der Deutschen Presse-Agentur produziert wird.
Sitzblockaden auf Straßen und Aktionen in Museen
Die Gruppe macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Die Mitglieder kleben sich dabei häufig fest - an Straßen oder auch an Kunstwerken. Kernforderungen sind derzeit Tempo 100 auf allen Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr.
CDU-Chef Friedrich Merz lehnte ein Treffen mit der Gruppe als sinnlos ab. «Das sind Straftäter und keine Gesprächspartner», sagte er dem Sender n-tv. Man dürfe zwar protestieren, und das Bundesverfassungsgericht habe auch kurzfristige Blockaden des öffentlichen Lebens für zulässig erklärt. «Aber massive Sachbeschädigung, das Beschädigen von Kunstwerken, das Beschmieren von Gedenktafeln, die Kleberei auf den Autobahnen, mittlerweile auf den Autos selbst, das sind ganz einfach Straftaten, und das hat mit legitimem Protest nichts mehr zu tun.»
FDP-Vize: Letzte Generation macht Bürger wütend
FDP-Bundesvize Johannes Vogel sagte im ARD-«Morgenmagazin», jede Aktion der Umweltaktivisten führe dazu, «dass eine wütende Bürgerin und ein wütender Bürger mehr in diesem Land entsteht und Menschen gegen das Ziel Klimaschutz aufgebracht werden.»
Rund 170 Beamte hatten bei der Razzia am Mittwochmorgen 15 Wohnungen und Geschäftsräume der Klimaschutzgruppe in sieben Bundesländern durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
Der Extremismusforscher Matthias Quent sieht nun die Gefahr, dass das Vorgehen der Ermittler zu einer Radikalisierung einzelner Mitglieder führen könnte, wie er der dpa sagte. Die Gruppe wies solche Mutmaßungen zurück und erklärte: «Wenn sich gestern Einzelne fragen, ob die Letzte Generation sich jetzt verändert, ja gar in den Untergrund geht, dann haben sie nicht verstanden, was die Letzte Generation eigentlich ist. Die Letzte Generation kommt aus der Mitte der Gesellschaft.»
Demo in Berlin mit 300 bis 400 Menschen
An einer ersten Demonstration am Mittwochabend in Berlin hatten sich nur 300 bis 400 Menschen beteiligt. Auch der Informationskanal der Gruppe bei Telegram hat weiterhin rund 1700 Mitglieder, ohne dass sich daran zuletzt viel geändert hätte.
Berlins neue Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) nannte die Straßenblockaden der Letzten Generation «absolut unverantwortlich». Badenberg fragte: «Wer trägt die Verantwortung, wenn da jemand zu spät ins Krankenhaus kommt?» Der Deutschen Presse-Agentur sagte sie: «Wir als Gesellschaft können es nicht gutheißen, dass hier Menschen mittels Gewalt ihren Willen durchsetzen wollen.»
Scholz nennt die Aktionen «völlig bekloppt»
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte erklärt, die Razzia zeige, «dass der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt». Am Montag hatte Kanzler Olaf Scholz die Anklebe-Aktionen der Gruppe «völlig bekloppt» genannt.
Unter Juristen ist umstritten, ob die Letzte Generation nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs als kriminelle Vereinigung eingestuft werden kann. Eine gerichtliche Feststellung dazu gibt es noch nicht. Verschiedene Staatsanwaltschaften ermitteln aber in diese Richtung. Andere wiederum sehen bisher keinen Anfangsverdacht.