"Die Leute werden vorsätzlich belogen?": Lanz legt sich in Steuer-Debatte mit CDU-Vize an

Warum sagen Sie's nicht einfach? Es versteht keiner hier, was Sie gerade erklären
Warum sagen Sie's nicht einfach? Es versteht keiner hier, was Sie gerade erklären", schimpfte Markus Lanz (links) in Richtung seines Gasts Carsten Linnenmann. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Bei "Markus Lanz" wollte CDU-Vize Carsten Linnemann erklären, was hinter der geplanten Steuerreform seiner Partei steckt. Dabei geriet er mit dem ZDF-Moderator mächtig aneinander. "Warum sagen Sie's nicht einfach? Es versteht keiner hier, was Sie gerade erklären", schimpfte Lanz.

Seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der wachsenden Sorge vor einem Angriff Chinas auf Taiwan wird immer mehr die Frage laut, wie ergiebig der deutsche Wirtschaftsstandort in Zukunft noch sein wird. Die USA fördern mit dem sogenannten "Inflation Reduction Act" dank zahlreicher Subventionen den Markt im eigenen Land fördern. Deutschland hingegen bangt um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Bei "Markus Lanz" debattierten die Gäste am Dienstagabend unter anderem über die wirtschaftlichen Pläne der Bundesregierung. CDU-Vize Carsten Linnemann machte dabei deutlich, wofür sich seine Partei besonders einsetzen will, und geriet dabei nicht nur mit dem ZDF-Moderator aneinander.

Dass die CDU nach der verlorenen Bundestagswahl künftig einen neuen Kurs fahren will, wurde klar, als Linnemann nach der Klausurtagung seiner Partei am Comer See verkündete hatte: "Wir müssen neue Prioritäten setzen! Ich will 2025 einen ehrlichen Wahlkampf führen."

Eine Steilvorlage für Markus Lanz: "Bislang waren Sie nicht ehrlich? Die Leute werden vorsätzlich belogen? Das ist ja irre!", provozierte er seinen Gast. Linnemann räumte ein: "Mit unbequemen Wahrheiten gewinnt man keine Wahl." Er lenkte daraufhin das Thema auf die von der CDU geplante Steuerreform, die gleichzeitig auch den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken solle: "Es will keiner nach Deutschland kommen wegen unserer hohen Steuern. Wir sind nicht attraktiv."

Im ZDF-Talk diskutierten am Dienstagabend, von links: Gastgeber Markus Lanz, Carsten Linnemann, Ulrike Herrmann, Jens Südekum und Rüdiger von Fritsch. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Im ZDF-Talk diskutierten am Dienstagabend, von links: Gastgeber Markus Lanz, Carsten Linnemann, Ulrike Herrmann, Jens Südekum und Rüdiger von Fritsch. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

CDU-Vize Carsten Linnemann: "Der Mittelstandsbauch muss abgeschafft werden"

Der CDU-Vize erklärte weiter: "Ich möchte eine große Steuerreform, bei der fast alle entlastet werden. Deswegen möchte ich den Steuertarif erhöhen." ZDF-Moderator Markus Lanz fragte ungläubig: "CDU und Steuererhöhung. Wessen Idee war das?" Auf die Stichelei wollte Linnemann nicht eingehen. Er antwortete stattdessen sichtlich genervt: "Wenn wir die Steuerreform machen, müssen wir den Soli komplett abschaffen. Der sogenannte Mittelstandsbauch muss abgeschafft werden." Lanz hakte nach: "Also Sie wollen doch Steuern erhöhen? Warum sagen Sie's nicht einfach? Es versteht keiner hier, was Sie gerade erklären." Als der Politiker erneut keine klare Antwort gegen konnte, schaltete sich Journalistin Ulrike Herrmann in die Diskussion mit ein.

Sie erklärte am Dienstagabend: "Es geht um eine Steuerentlastung von 50 Milliarden Euro. Diese Entlastung kommt dadurch zustande, dass der Soli abgeschafft werden soll. Den bezahlen die obersten 5 Prozent der Bevölkerung." Demnach sollen bei der von der CDU geplanten Steuerreform "im Wesentlichen die Sehr-gut-Verdiener und ein bisschen die obere Mittelschicht" profitieren: "Die Entlastung wird vor allem die Gutverdiener begünstigen."

Ein Vorwurf, den Carsten Linnemann nicht so einfach hinnehmen wollte. "Das stimmt doch gar nicht!", konterte der Unionspolitiker. "Wenn Sie unten entlasten, entlasten Sie ja oben auch mit." Das sah Ökonom Jens Südekum anders. Er warnte: "Die Rechnung wird nicht aufgehen, dass alle entlastet werden. Eine echte Reform wäre, oben zu belasten, um dann Mittel zu haben, unten und in der Mitte zu entlasten."

Ulrike Herrmann: "Die Erbschaftssteuer muss nicht vereinfacht, sondern gerechter werden"

Auch beim Thema Erbschaftssteuer konnten sich die Gäste nicht ganz einigen. Carsten Linnemann vertrat im Gespräch mit dem ZDF-Moderator die Meinung, dass deutsche Familienunternehmen dadurch nicht benachteiligt werden sollten: "Entscheidend ist, dass wir die Regeln so machen, dass die Familienunternehmen weiter in der Substanz geschützt werden." Ökonom Jens Südekum sieht andere Prioritäten und gab zu bedenken, dass Arbeit "meistens sehr hoch besteuert" werde, "aber Vermögen sehr niedrig". Journalistin Ulrike Herrmann stimmte zu und ergänzte: "Die Erbschaftssteuer muss nicht vereinfacht, sondern gerechter werden."

CDU-Vize Carsten Linnemann forderte im ZDF-Talk:
CDU-Vize Carsten Linnemann forderte im ZDF-Talk:

Auch zur Aktivrente äußerte sich Carsten Linnemann und erklärte beiläufig, dass er für eine verpflichtende private Rentenversicherung eintrete. Zur Steigerung des Renteneintrittsalters sagte er selbstbewusst: "Macht doch Sinn, wenn wir immer älter werden, dass wir länger arbeiten müssen." Ergänzend erklärte er, dass wir uns sonst "unser Gesundheitssystem" sowie "unser Rentensystem" langfristig "nicht mehr leisten" könnten. Als Lanz ihn jedoch auf eine Zahl festnageln wollte und fragte "Arbeiten bis 72?", blieb Linnemann schwammig und sagte lediglich: "Die Debatte finde ich schwierig. Ich finde es klüger, es mit der Lebenserwartung zu machen."

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