Liebe auf Knopfdruck? Diese Sky-Serie schafft Online-Dating ab
Egal, ob in Haushalt, Freizeit oder Arbeitswelt: Ohne technischen Fortschritt geht nichts. Aber lässt sich auch die Liebe technisieren, der perfekte Partner kreieren? Eine spannende Frage, die die Sky-Serie "Tender Hearts" so tiefgründig wie humorvoll zu beantworten versucht.
Bo (Madieu Ulbrich) ist freundlich, gut informiert, rücksichtsvoll. 73 Prozent aller heterosexueller Frauen in Westeuropa finden seine schlanke Gestalt attraktiv, wie er erklärt. Bo ist der neue Partner von Mila (Friederike Kempter) - und allen voran ist er ein "Lovedroid", ein KI-gesteuerter, lebensechter Roboter der Marke "Tender Hearts". Die gleichnamige Sky-Serie lotet ab 6. April die Potenziale und Herausforderungen einer Beziehung zu einer (wenn auch sehr klugen und lernwilligen) Maschine aus.
Der Job stimmt, die Freunde um den treuen Toni (Vladimir Korneev) ebenso, nur in Sachen Liebe ging Games-Programmiererin Mila zuletzt leer aus. Mehr als bedeutungsloser Sex mit Online-Dates war seit der schmerzhaften Trennung von ihrem langjährigen Freund vor einem Jahr nicht drin. Der rettende Anker in einer nicht näher benannten und durchtechnisierten Zukunft scheint "Friendly Bo" zu sein, einer von drei Liebesrobotern, der dem amourösen Tun Milas etwas mehr Aktivität einhauchen soll als der Dildo neben ihrer Zahnbürste.
Schnittstelle am Bauchnabel: Einmal aufladen, bitte!
Einmal ausgepackt und über die Ladeschnittstelle am Bauchnabel mit Energie versorgt erwacht Bo zum Leben. Dank Videos und anderen Social-Media-Posts wurde er von den findigen Entwicklern bereits auf Mila gebrieft, was ein rasches Aneinandergewöhnen ermöglicht. Wären da nicht der künstliche Geruch von Bos Haut und die ersten, recht rumpeligen Sex-Versuche, man könnte fast von einem mehr oder minder reibungslosen Kennenlernen von Mila und Bo sprechen.
Doch ganz so leicht gestaltet es sich in "Tender Hearts" (Regie: Pola Beck, "Das letzte Wort") für Mila dann nicht. In ihrem vermeintlich so toleranten Freundeskreis leidet Bo unter Akzeptanzproblemen. Sie selbst schwankt immer wieder, ob eine Beziehung zu Bo verwerflich, seltsam oder doch eigentlich völlig in Ordnung ist. Überdies wirft die achtteilige Produktion kluge Fragen auf: Kann Liebe ohne zwischenmenschliche Signale und nonverbale Kommunikation gelingen? Und wie kann eine Beziehung auf Augenhöhe klappen, wenn man den Partner bei Differenzen zur Strafe einfach per Knopfdruck ausschalten kann?
Beim Phallus-Shoppen mit dem Unternehmens-Guru
Bo-Darsteller Madieu Ulbrich ist es zu verdanken, dass das Publikum derselben Illusion aufsitzt wie Mila. Mit Siri-ähnlicher Stimme, eigenwilliger Rhetorik und bisweilen recht abgehakten Bewegungen bringt er das Roboterhafte ebenso glaubwürdig rüber wie wenn er voller Empathie immer wieder menschelt. Spannend wird es, als Bo zunehmend ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln scheint.
Derweil jubeln im Hintergrund die Tender-Hearts-Entwickler über die Entwicklung ihrer klugen Maschine, und Andreja (Marie-Lou Sellem), eine Art Tender-Hearts-Sektenguru, wickelt beim Penis-Shoppen Mila um den Finger. Ja, richtig gelesen: In astreinem PR-Gelaber preist Andreja die verschiedenen Aufsätze vom "classy" Modell über den mit Gold überzogenen Phallus bis zum Typen mit anpassbarer Vorhaut an.
All das bringen die Serienmacher mit einer Mischung aus zwischemmenschlichem Drama, Humor und bisweilen auch richtig dosierten Peinlichkeiten gelungen unter einen Hut. Trotzdem vermeidet es "Tender Hearts" glücklicherweise, den moralischen Zeigefinger zu erheben. Ein gutes Paket also, das sicher mehr als 73 Prozent der Streamingfans überzeugen sollte.