LNG-Terminals machen Deutschland zum Drehkreuz für Flüssiggas: Tschechiens Gas kommt bald aus Stade statt aus Russland
Jahrelang konnte sich Deutschland nicht zum Bau von Flüssiggas-Häfen durchringen. Jetzt sind sie da – und zudem über die Landesgrenze gefragt. Der tschechische Versorger ČEZ sicherte sich letzte Kapazitäten in Stade. Damit ist das LNG-Terminal ausgebucht – noch vor es überhaupt fertig gebaut ist.
Sogenannte LNG-Terminals für den Import von Flüssiggas haben Deutschlands Energieversorgung im vergangenen Winter gesichert, sind aber unter Klimaschützern umstritten. „Laut Analyse ist weder der Bau der festen LNG-Terminals in Stade und Wilhelmshaven noch das geplante Mega-Terminal vor Rügen für Gewährleistung der Energiesicherheit notwendig“, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Hafen-Anlagen, an denen das Gas ins deutsche Netz eingespeist wird.
Dieser Sicht hat die Bundesregierung stets widersprochen, jetzt wird ihr auch die tschechische Regierung widersprechen. Denn das in Stade bei Hamburg geplante Terminal dient in Zukunft auch der Versorgung des osteuropäischen Nachbarn mit „Liquified Natural Gas“ (LNG). Dazu wurden jetzt Vorverträge unterzeichnet.
Der tschechische Energiekonzern ČEZ bucht am Hanseatic Energy Hub (HEH) an der Elbe eine Kapazität von zwei Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Der Vertrag läuft über 15 Jahre und kann auf bis zu 25 Jahre inklusive einer Umstellung auf Ammoniak verlängert werden.
Deutsche LNG-Terminals in Europa gefragt
Deutschland, das sich jahrzehntelang schwer damit tat, in den Bau von Flüssiggas-Terminals zu investieren, wird damit schon kurz nach der ersten Inbetriebnahme zu einem internationalen Drehkreuz für LNG. Mit der Buchung kann die Tschechische Republik ab 2027 mehr als ein Viertel ihres derzeitigen jährlichen Gasverbrauchs über Stade decken. Für sein Land sei dies „ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung der Energiesicherheit und Unabhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen“, sagte Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala in Prag.
Damit ist das Projekt Stade auch ausgebucht: Die deutschen Energieversorger EnBW und SEFE (ehemals Gazprom Germania) haben sich bereits sechs, beziehungsweise vier Milliarden Kubikmeter Kapazität dort gesichert. Mit der ČEZ kommt ein dritter Kunde hinzu. Die restliche Importkapazität des Stader Terminals soll für kurzfristige Spotmarkt-Käufer freigehalten werden.
Mit der Buchung der Tschechen könne die finale Investitionsentscheidung für das LNG-Terminal Stade nun in wenigen Wochen erfolgen, sagte Johann Killinger, Mitgesellschafter und Geschäftsführer des Hanseatic Energy Hubs. Die Kritik von Umweltschützern an einer angeblichen „Überkapazität“ von LNG-Häfen in Deutschland, weist er zurück: „Die Kapazität der Energieimport-Infrastruktur darf nicht auf Kante genäht werden, da sonst das System nicht gegen Ausfälle gewappnet ist“, sagte Killinger: „Dabei tragen wir auch eine Verantwortung für unseren europäischen Nachbarn.“
Aus Zeitgründen hatte die Bundesregierung bislang schwimmende LNG-Terminals gebucht, die vor Wilhelmshaven und Brunsbüttel festmachten. Dabei handelt es sich um Schiffe, die als eine Art Fabrik dienen: Sie übernehmen von Tankern das auf minus 160 Grad Celsius gekühlte und somit verflüssigte Erdgas, erwärmen es und speisen den Brennstoff dann gasförmig ins deutsche Pipeline-Netz ein. Solche schwimmenden Terminals werden auch „Floating Storage and Regasification Unit“ genannt und mit FSRU abgekürzt.
Flüssiggas-Terminals: Deutschlands Standortvorteil
Stade gehört jedoch zu den Standorten, an denen ab 2027 ein festes, landgestütztes Terminal entstehen soll. „Onshore-Terminals werden nach und nach die temporären schwimmenden Terminals ersetzen, sodass wir von Anfang an bestrebt waren, langfristige Kapazitäten in einem der landbasierten Terminals zu erwerben“, erklärte Daniel Beneš, der Chief Operating Officer von ČEZ.
Bis 2027 hatten die Tschechen Kapazitäten am schwimmenden FSRU im niederländischen Eemshaven gebucht. „Dank Stade können wir die LNG-Lieferungen nach diesem Datum problemlos fortsetzen“, so Beneš: „Ein weiterer Vorteil wird sein, dass das Gas auf seinem Weg in die Tschechische Republik nur eine internationale Grenze passieren muss.“
HEH-Chef Killinger hob die Vorteile für den Umweltschutz hervor: „Wenn es den Standort Stade nicht gäbe, müsste man ihn eigentlich erfinden“, erklärte Killinger in einem Statement: „Wir bauen in einem bestehen Industriepark und können durch die vorhandene Abwärme das Terminal CO₂-neutral betreiben.“ Mit dem lokalen Werk des Chemiekonzerns Dow „haben wir einen Shareholder und Partner vor Ort, der uns mit seiner ganzen fachlichen Expertise und Know-how unterstützt.“
Weil Erdgas aus Gründen des Klimaschutzes bis 2045 aus dem deutschen und bis 2050 aus dem europäischen Energiemix verschwinden soll, plant HEH in Stade in den 2030er-Jahren die Umstellung auf Ammoniak. Dieser Stoff auf Basis von grünem Wasserstoff kann als Energieträger oder direkt als Rohstoff in der Chemieindustrie dienen.
Zu den Gesellschaftern des LNG-Terminals HEH gehört die Buss-Gruppe, ein Hamburger Spezialist für maritime Logistik. Ebenso gehört der mit Bau und Betrieb solcher Terminals erfahrene spanische Energiekonzern Enagás zu den Partnern, ebenso wie Dow. und die Partners Group.
Der Artikel erschein zuerst bei Welt.