"Ich möchte Olaf Scholz persönlich danken": Melnyk gibt sich bei "Maybrit Illner" versöhnlich

Andrij Melnyk zeigte sich bei "Maybrit Illner" ungewohnt versöhnlich: "Ich möchte dem Kanzler persönlich danken." (Bild: ZDF)
Andrij Melnyk zeigte sich bei "Maybrit Illner" ungewohnt versöhnlich: "Ich möchte dem Kanzler persönlich danken." (Bild: ZDF)

Andrij Melnyk nimmt kein Blatt vor den Mund. Auch im ZDF-Studio bei Maybrit Illner fand der ukrainische Botschafter einmal mehr klare Worte - zeigte sich jedoch auch von einer ungewohnt versöhnlichen Seite.

"Ich möchte dem Kanzler persönlich danken", beteuerte Andrij Melnyk am Donnerstagabend. "Deutschland hat das Eis gebrochen." Es waren erstaunlich warme Worte, die der ukrainische Botschafter zu Gast bei Maybrit Illner anlässlich Scholz' Besuch in der Ukraine fand - und das, obwohl Melnyk nur wenige Tagen zuvor mit der Behauptung Schlagzeilen gemacht hatte, ukrainische Geflüchtete fühlten sich in Deutschland nicht willkommen. Ein Missverständnis, wie er nun im ZDF-Talk einräumte: "Das habe ich nicht so gemeint. Das wurde aus dem Zusammenhang gerissen."

Zwar stehe er durchaus zu seiner Aussage, dass manche Menschen aus der Ukraine der Auffassung seien, ihr Land werde im Stich gelassen. "Aber ich möchte heute sagen, dass wir die Hilfe schätzen, die von der Bundesregierung und den Kommunen kommt und von den vielen tausend Ehrenamtlichen. Und wir hoffen, dass die Hilfsbereitschaft der Deutschen anhält."

Auch sonst zeigte sich der ukrainische Diplomat ungewohnt versöhnlich. Der Grund: Olaf Scholz war am Donnerstag gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem italienischen Regierungschef Mario Draghi und dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis nach Kiew gereist. "Mit diesem Besuch haben sie den Befreiungsschlag versucht. Es sind nicht irgendwelche Europäer, es sind die drei Gründungsmitglieder. Drei große wichtige EU-Länder", lautete das Fazit der zugeschalteten Leiterin des ZDF-Studios in Brüssel, Anne Gellinek.

Anne Gellinek, Leiterin des ZDF-Studios in Brüssel, resümierte: "Mit diesem Besuch haben sie den Befreiungsschlag versucht."
 (Bild: ZDF)
Anne Gellinek, Leiterin des ZDF-Studios in Brüssel, resümierte: "Mit diesem Besuch haben sie den Befreiungsschlag versucht." (Bild: ZDF)

"Kein anderes Land hat mehr von der Osterweiterung der EU profitiert"

"Es war ein wichtiger Besuch für die Ukraine", resümierte auch Melnyk. "Hoffentlich auch für den Bundeskanzler selbst, weil er sich vor Ort selbst ein Bild machen konnte, wie verzweifelt die Lage ist." Der Kanzler hatte sich bei seinem Aufenthalt klar dafür ausgesprochen, dass die Ukraine EU-Beitrittskandidat werden solle - eine "starke Message", wie der ukrainische Botschafter fand: "Die Worte, die wir in Kiew gehört haben, geben uns auf jeden Fall ein bisschen Hoffnung, dass das Urteil des Europäischen Rats nächste Woche positiv ausfällt."

Man sei zwar noch nicht über den Berg, sagte Melnyk. Nichtsdestotrotz sei er optimistisch - und betonte, dass sein Heimatland kein reiner Bittsteller sei: "Der EU-Beitritt ist kein Geschenk an die Ukraine. Es ist etwas, was auch im ureigenen Interesse der Bundesrepublik ist." Immerhin, gab Melnyk zu bedenken, habe "kein anderes Land mehr profitiert von der Osterweiterung der EU als Deutschland". Auch in sicherheitspolitischen Fragen wolle und werde die Ukraine als EU-Mitglied eine elementare Rolle spielen, versicherte er.

"Deutschland ist das Land, das sehr viel ankündigt und sehr viel spät macht", bemängelte Roderich Kiesewetter (CDU). (Bild: ZDF)
"Deutschland ist das Land, das sehr viel ankündigt und sehr viel spät macht", bemängelte Roderich Kiesewetter (CDU). (Bild: ZDF)

Waffentraining mit YouTube-Videos

So wohlwollend sich der 46-Jährige auch zeigte: Ganz ohne Regierungskritik ging es in der Sendung dann doch nicht. "Es geht jetzt nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, dass nach diesem wichtigen Besuch die Erkenntnis da ist, dass man doch viel mehr tun könnte und sollte", erklärte Melnyk - und wies darauf hin, dass Deutschland noch immer zu langsam handle und der Ukraine militärisch zu wenig unter die Arme greife. "Es geht um Schnelligkeit! Jeder Tag kostet viele Menschenleben!" In seinem Heimatland gebe man den Deutschen derzeit "die historische Chance, spätestens heute zu beginnen, viel mehr zu tun".

Auch Roderich Kiesewetter von der CDU beanstandete die Zögerlichkeit des Kanzlers: "Macron hat sich sehr klar dazu bekannt, dass die Ukraine gewinnen muss und dass Waffenlieferungen schnell erfolgen müssen. Deutschland ist das Land, das sehr viel ankündigt und sehr viel spät macht." Die Lage sei dringlich, warnte er. "Wir brauchen diese Waffen", stimmte auch Melnyk zu. "Die Menschen müssen daran ausgebildet werden. Aber wir lernen schnell, wenn nötig auch mit YouTube-Videos."