Mahnmal in Niedersachsen erinnert an gequälte Kurkinder
Bad Salzdetfurth (dpa) - In Erinnerung an das Leid Zehntausender Kurkinder ist im niedersächsischen Bad Salzdetfurth ein Mahnmal eingeweiht worden. Es handelt sich laut der Initiative Verschickungskinder um die bundesweit erste Einweihung eines solchen Mahnmals.
Die Gedenkstele soll insbesondere an Stefan, Kirsten und André erinnern, die 1969 in der Kinderheilanstalt in der Kleinstadt im Landkreis Hildesheim ums Leben kamen. Der dreijährige André wurde damals in dem Heim namens Waldhaus von drei älteren Jungen totgeprügelt, der siebenjährige Stefan erstickte an Erbrochenem und Kirsten starb infolge einer Infektion.
Bei allen Todesfällen könne man zumindest ansatzweise Fahrlässigkeit unterstellen, heißt es in einer Studie, die die Diakonie dazu in Auftrag gab. Das Kurheim wurde von einer Vorgänger-Organisation der Diakonie betrieben. Auch die Mutter und der Bruder des 1969 getöteten damals dreijährigen André nahmen an der Gedenkveranstaltung am Samstag teil. Die Mutter weinte. Nach Angaben des Bruders wurde über die Umstände von Andrés Tod sehr lange geschwiegen.
Kinder kamen traumatisiert zurück
Geschätzte acht bis zehn Millionen Kinder im Alter von etwa zwei bis zwölf Jahren wurden zur Erholung wochenlang ohne ihre Eltern in Kurorte geschickte - viele kamen traumatisiert zurück. Besonders schlimm war es für die Jüngsten, sagte Anja Röhl, Gründerin der 2019 gegründeten Initiative Verschickungskinder. Rund 15.000 Berichte von Betroffenen aus ganz Deutschland hat die Initiative inzwischen gesammelt. Darin geht es unter anderem um Prügel, Redeverbot, Schlafzwang und Schikanen beim Essen.
Was nach 1945 über Jahrzehnte in Kinderkurheimen an der Nordsee oder in Luftkurorten in den Bergen passierte, ist bislang nicht umfassend aufgearbeitet worden. Inzwischen beschäftigen sich aber einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Hintergründen der Verschickungspraxis und den gesundheitlichen Folgen, unter denen traumatisierte ehemalige Kurkinder bis ins hohe Alter leiden. An diesem Mittwoch (20. März) ist eine öffentliche Anhörung im Familienausschuss des Bundestages zu dem Thema geplant.