Bei "Maischberger": Wissing sieht sich als "Minister, der große Schritte im Klimaschutz geht"

Volker Wissing bekräftigte bei "Maischberger" sein Nein zum Tempolimit. Er setze als Verkehrsminister viel wirksamere Maßnahmen um. (Bild: ARD/WDR)
Volker Wissing bekräftigte bei "Maischberger" sein Nein zum Tempolimit. Er setze als Verkehrsminister viel wirksamere Maßnahmen um. (Bild: ARD/WDR)

"Wir leben in einer Zeit der Krise": Die Aussage von Joachim Gauck trifft die Stimmung von "maischberger" am Dienstag auf den Punkt. Explosiv wie ein Video zur Sprengung der maroden Rahmede-Talbrücke war die Diskussion über Putin, Deutschlands Infrastruktur und das Klimaschutzprogramm von Verkehrsminister Volker Wissing.

"Wir? Nein, sicher nicht!" - Die Antwort von Bundespräsident a.D. Joachim Gauck kam wie aus der Pistole geschossen. Ob die Demokratie Deutschlands in Gefahr wäre, hatte Gastgeberin Sandra Maischberger in dem nach ihr benannten ARD-Talk anlässlich des Jahrestags des Siegs der sowjetischen Armee gegenüber Hitler-Deutschland gefragt. "Nein, unser Land ist doppelt geimpft. Wir hatten die braune Diktatur, wir hatten die rote Diktatur. In diesem Land werden die Antidemokraten nie wieder an die Macht kommen", betonte der Altpolitiker und erntete daraufhin den lautesten Applaus des Abends.

Dass Umfragen zufolge in Ostdeutschland die AfD die stärkste Partei sei, zeige nur die Verunsicherung von Menschen: Wissenschaftliche Studien hätten erwiesen, dass sich 33 Prozent der Bevölkerung vor dem Wandel fürchten, zitierte er aus seinem Buch "Erschütterungen". "Durch die Krise wird die Angst angetriggert", meinte Gauck, "und wir leben in einer Zeit der Krisen."

"Es ist für mich keine Schwierigkeit, ein Sofortprogramm vorzulegen", beteuerte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing im Gespräch mit Sandra Maischberger. (Bild: ARD/WDR)
"Es ist für mich keine Schwierigkeit, ein Sofortprogramm vorzulegen", beteuerte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing im Gespräch mit Sandra Maischberger. (Bild: ARD/WDR)

Flüchtlingsaufnahme: Tina Hassel warnt vor "Verdrossenheit, Wut und Frust"

Innenpolitisch erhitzt das neue geplante Heizungsgesetz die Gemüter. Sprengstoff liefern 4.000 marode Autobahnen und Eisenbahnbrücken wie die Rahmede-Talbrücke, die kürzlich - unter Jubel der Anrainer - in die Luft gejagt wurde. Das Verfehlen des CO2-Ziels im Verkehr bietet neue Munition im Dauerkampf zwischen den Grünen und der FDP. Außenpolitisch droht die Gefahr einer Ausweitung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland in den Westen.

Krisenthemen wie diese hatte Sandra Maischberger zuvor bereits mit Tina Hassel (Leiterin ARD-Hauptstadtstudio), Nikolaus Blome (Politikchef RTL/n-tv) und Valerie Niehaus (Schauspielerin und Unterstützerin der UNO-Flüchtlingshilfe) diskutiert. Im Fokus stand auch die Aufnahme von über einer Million ukrainischer Flüchtlinge und der Streit zwischen Kommunen und Bund darüber, wer für diese finanziell aufkommt.

Die Bundesregierung hätte zu lange zugeschaut, kritisierte Blome. Auch Hassel warnte vor "viel Verdrossenheit, Wut und Frust", wenn "es die Politik jetzt nicht regelt oder zumindest angeht". Niehaus sprach von einer "gesamtdeutschen und gesamteuropäischen Aufgabe" und betonte: "Wenn es die Kapazitäten nicht gibt, soll man sich auch trauen zu sagen: Wir können uns das nicht leisten."

Joachim Gauck forderte entschlossenes Handeln gegen Putin ein: "Wir müssen alles tun, um den Appetit eines Aggressors zu zügeln." (Bild: ARD/WDR)
Joachim Gauck forderte entschlossenes Handeln gegen Putin ein: "Wir müssen alles tun, um den Appetit eines Aggressors zu zügeln." (Bild: ARD/WDR)

Gauck: Um zu wissen, was Freiheit wert ist, braucht man keine Amerikaner

"Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich" - der Satz, den der damalige Bundespräsident Joachim Gauck bereits zu Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 formuliert hatte, fiel an diesem Abend mehrfach. Was in den acht Jahren passiert sei, fragte Sandra Maischberger. Zur Flüchtlingsthematik selbst gab der Theologe keine Antwort, sieht aber andernorts eine wichtige Entwicklung: "Es musste in dieser friedliebenden Nation das passieren, was wir uns lange verboten haben, nämlich Waffen zu liefern", meinte der langjährige Putin-Kritiker, der nie in die Sowjetunion oder nach Russland reiste.

"An einem bestimmten Punkt musst du einem Okkupanten Grenzen setzen, und wenn du nicht selbst kämpfen willst - und das wollen wir nicht -, müssen wir es mindestens mit den Mitteln der Sanktionen und allen denkbaren Möglichkeiten tun, etwa der Unterstützung eines überfallenen Opfers. Wir müssen alles tun, um den Appetit eines Aggressors zu zügeln, und zu zeigen, wir werden nicht immer nur zuschauen."

Dafür erntete er genauso Zustimmung aus dem Publikum wie für seine Analyse von Putins Motivation für den Einmarsch in die Ukraine. "Die eigentliche Bedrohung ist nicht die Sache mit der NATO, das ist ein Gerücht, das ist Propaganda", bekräftigte Gauck, es ginge es dem russischen Präsidenten in Wahrheit ausschließlich darum, die Macht im Inneren aufrechtzuerhalten. Dafür greife Putin zu Mitteln, die er als KGB-Offizier gelernt habe.

"Im Kommunismus gab es keine inneren Probleme, sondern die äußeren Feinde haben die inneren Probleme geschaffen", meinte Gauck. "So tut er so, als ob die Ukrainer die USA brauchten, um sich nach Freiheit zu sehnen. Jeder Unterdrückte weiß, was Freiheit wert ist. Da braucht man keine Amerikaner. Da braucht man nur die Wirklichkeit der Rechtlosigkeit und der Unterdrückung, um sich nach Freiheit zu sehnen."

Für Volker Wissing sind Forderungen der "Letzten Generation" nicht nachvollziehbar

Ein anderes demokratisches Element stand beim Gespräch mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP im Vordergrund: Hatte er dem Erpressungsversuch der "Klimakleber" nachgegeben und deshalb Vertreterinnen und Vertreter der "Letzten Generation" zu einem Gespräch geladen? "Ich war lange Strafrichter und Staatsanwalt, und ich habe verinnerlicht, dass man die andere Seite anhören muss, weil man sich das schuldig ist", wies Wissing Maischbergers provokanten Anwurf von sich. "Für mich ist das Teil unserer demokratischen Kultur, dass man die Gegenseite anhört, aber es gibt keinerlei Verhandlungen."

Generell wären die Forderungen der Gruppe für ihn nicht nachvollziehbar: "Man will ein Neun-Euro-Ticket, das für den Klimaschutz deutlich schlechter wäre als das Deutschlandticket, das ich umgesetzt habe. Man will ein Tempolimit, das eine kleine Maßnahme für den Klimaschutz ist, obwohl wir große Maßnahmen für den Klimaschutz umsetzen wie Bahnmaßnahmen, Hochlauf-Elektromobilität, Wechsel bei den Antrieben im Güterverkehr. Das macht keinen Sinn. Ein Minister, der große Schritte im Klimaschutz geht, von dem fordert man kleine Dinge, teilweise schlechtere, und dafür klebt man sich an der Straße fest."

Wissing bekräftigt Nein fürs Tempolimit: "Ich will nicht Bürger ärgern"

Tatsächlich wurden in Wissings Verkehrsressort die Sektorziele zur CO2-Einsparung zuletzt wieder verfehlt, mit dem Ergebnis, dass die Sektorziele in der Ampelkoalition zugunsten eines flexibleren Einsparmodells abgeschafft wurden.

Forderungen wie dem Tempolimit erteilte Wissing dennoch erneut eine klare Abfuhr. Auch als Sandra Maischberger eine Studie der Universität Schweden zitierte, die einen Wohlstandsgewinn von 950 Millionen Euro pro Jahr durch Tempolimits berechnet hatte. "Wir gehen andere Wege. Wir werden in Deutschland einen Hochlauf der Elektromobilität haben, und bei Elektromobilität ist es egal, wie schnell Sie fahren, Sie haben null Emissionen", erklärte der Verkehrsminister und ergänzte: "Ich will nicht Bürger ärgern, sondern suche nach Wegen, die es den Leuten ermöglicht, klimaneutral mobil zu sein." Wie das Deutschlandticket, das - "wenn es so weitergeht" - auf lange Sicht einen attraktiven Preis behalten würde.

Um den Ärger kam der Minister aber nicht herum: "Ich finde es enttäuschend, dass offensichtlich ein Gespräch mit Aktivistinnen und Aktivisten für relevanter gehalten wird als das Gespräch mit einer Initiative, die mehr als 30 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner von Deutschland repräsentiert", holte Maischberger einen Tweet von Tim von Winning, SPD, dritter Bürgermeister von Ulm hervor. Dieser ist Mitglied des Vereins "Lebenswerte Städte und Gemeinden", in dem 700 Kommunen mehr Selbstbestimmung hinsichtlich Tempolimits fordern.

"Ich habe nie gesagt, dass ich kein Sofortprogramm vorlege"

Den Gesprächstermin sicherte ihnen Wissing bei Maischberger zu. Auch bei der Flexibilität wäre er "auf der Seite der Kommunen - allerdings nur in den Fällen, wo es wirklich nur die kommunalen Fragen betrifft". Ansonsten müsste der fließende Durchgangsverkehr ermöglicht werden.

"Super entspannt" behandelte Wissing zudem das Thema eines Sofortprogramms zur Erreichung der CO2-Ziele des Verkehrssektors. "Die Rechtslage ist klar: Seit 17.4. läuft diese Dreimonatspflicht, und wenn wir bis Ablauf der Frist das Gesetz (Klimaschutzgesetz) nicht verändert haben, ist es für mich keine Schwierigkeit, ein Sofortprogramm vorzulegen", betonte der Liberale.

In 30 Stunden hätte er im Koalitionsausschuss bereits ein 45 Milliarden schweres Paket an Maßnahmen erarbeitet. "Jede einzelne dieser Maßnahmen übersteigt das, was wir zusätzlich an CO₂ einsparen müssen", meinte Wissing. "Wir sprechen uns dann im Juli", sprach Maischberger sofort eine Einladung aus, "dann haben Sie ja das Sofortprogramm."