"Man fühlt sich als Spielball der Politik": MDR-Doku porträtiert Frauen, die um ihren Job im Bergbau bangen

Christin Schreiber ist ein "Kind der Kohle", heißt es in der Doku: Auch ihre Mutter und ihre Großmutter waren bereits im Bergbau tätig.  (Bild: MDR / Meike Materne)
Christin Schreiber ist ein "Kind der Kohle", heißt es in der Doku: Auch ihre Mutter und ihre Großmutter waren bereits im Bergbau tätig. (Bild: MDR / Meike Materne)

Sie bekleiden wichtige Positionen in einem männerlastigen Berufsfeld: Die "Kohlefrauen" in der Lausitz arbeiten mit viel Herzblut und Engagement im Bergbau. In der dreiteiligen MDR-Doku äußern sie scharfe Kritik an der Politik und am Kohleausstieg.

Sie sind die Exoten in einer ohnehin schon aussterbenden Berufsgruppe: Die "Kohlefrauen" der Lausitz arbeiten als Baggerfahrerinnen, Kraftwerkerinnen und Lokführerinnen in typischen Männerberufen. Im Berufsalltag im Bergbau haben sie jedoch weniger mit den Vorurteilen der männlichen Kollegen als vielmehr mit jenen einer zunehmend auf grünen Strom bedachten Gesellschaft zu kämpfen: "Bis spätestens im Jahr 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland stillgelegt werden" - so steht es auf der Website der Bundesregierung. Doch ist dieses Ziel realistisch? Wer die dreiteilige Dokumentation "KohleFrauen" von Meike Materne sieht, bekommt durchaus Zweifel. Seit 2. März sind die rund 30-minütigen Filme in der ARD Mediathek abrufbar. Im MDR-Fernsehen ist die erste Folge am Mittwoch, 8. März, um 21.15 Uhr, zu sehen. Die Folgen zwei und drei kommen in den darauffolgenden Wochen, am Mittwoch, 15. März, und Mittwoch, 29. März, zur selben Sendezeit.

Vier aktive Tagebaue gibt es derzeit in der Lausitz. Hier, wo einst rund 70.000 Menschen mit Bergbau ihr Geld verdienten, sind es heute nur noch etwa 7.000 Beschäftigte. Der enorme Rückgang ist ein Problem, nicht nur für die reihenweise gekündigten Fachkräfte: Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine steigt der Bedarf an aus Kohle gewonnener Energie in Deutschland: "Wir stellen so viele Leute ungelernt ein", sagt Maria Blaschke (31), die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende am Standort Boxberg: "Wir haben Fliesenleger, wir haben Dachdecker, wir haben Maurer." Doch die Einarbeitung der Neuen ist eine zusätzliche Belastung langjähriger Bergleute.

Die 55-jährige Sybille Koal hat viele Entlassungswellen überstanden.  (Bild: MDR / Thomas Henk Henkel)
Die 55-jährige Sybille Koal hat viele Entlassungswellen überstanden. (Bild: MDR / Thomas Henk Henkel)

Das Hin und Her stellt Bergleute vor Probleme

Vielerorts wird zudem vom Drei- auf den Vierschichtbetrieb umgestellt: "Konkret bedeutet das, dass wir halt immer sieben Tage arbeiten gehen, zwei Tage freihaben, wieder sieben Tage arbeiten gehen", erklärt die Industriemechanikerin Caro Kliemann in der Doku. Als Mutter einer fünfjährigen Tochter stellt sie das vor große Herausforderungen, denn auch Ehemann David arbeitet in der gleichen Schicht: "Die rote Linie wäre für mich, wenn es meinem Kind nicht gut geht", sagt sie. Sollte sich das Wesen der Kleinen aus Sehnsucht nach den Eltern verändern, wäre das - verständlicherweise - ein Grund für Caro aufzuhören. Davon abgesehen möchte die 33-Jährige jedoch so lange wie möglich in ihrem Beruf bleiben.

Die ungewisse Zukunft ist es, was Caro Kliemann und anderen Bergleuten am meisten zu schaffen macht: "Erst sollte es rausgehen aus der Kohle, und jetzt geht's wieder in vollen Zügen rein in die Kohle", schimpft Sybille Koal, die seit 39 Jahren in der Braunkohle tätig ist: "Als Bergmann fühlt man sich verar...t, muss man sagen." Ähnlich unzufrieden ist Iris Böhm aus Jänschwalde: "Man fühlt sich natürlich als Spielball der Politik", klagt sie: Wie viele Kolleginnen und Kollegen hatte sie sich gerade mit dem Gedanken eines Jobwechsels angefreundet, als es plötzlich hieß: "Rolle rückwärts, wir fahren das Werk drei an und halten es erst mal bis März 2024 in Betrieb". Eine Anlage, die drei bis vier Jahre stillstand, wieder hochzufahren, ist eine "riesengroße Herausforderung" für die Doppelblockmeisterin. Während der Drehzeit der Doku hat sie mit einem Leck zu kämpfen, was den Zeitplan des Projekts maßgeblich gefährdet.

Silke Butzlaff und Sybille Koal blicken auf mehrere Jahrzehnte Berufserfahrung zurück.  (Bild: MDR / Meike Materne)
Silke Butzlaff und Sybille Koal blicken auf mehrere Jahrzehnte Berufserfahrung zurück. (Bild: MDR / Meike Materne)

"Mich ärgert die Respektlosigkeit"

Den Problemen des Klimawandels sind sich die porträtierten Frauen durchaus bewusst: "Es ist ja nicht so, dass wir wild in der Gegend herumbaggern, völlige Mondlandschaften hinterlassen und das so bleibt", sagt Silke Butzlaff: "Es wird die größte künstlich geschaffene Seenlandschaft Europas, die da entsteht, und die würde ja nicht ohne den Bergbau entstehen." Im Grunde hinterlasse man den zukünftigen Generationen "die Lausitz eigentlich doch wunderschön".

Ob sich Klimaaktivisten von derartigen Argumenten überzeugen lassen, ist eher fraglich. Deutlich mehr zu denken gibt die Einschätzung von Sybille Koal, die sich täglich mit der Energieversorgung beschäftigt: "Wir haben kein Problem mit erneuerbaren Energien", sagt sie im letzten Teil der dreiteiligen Doku: "Aber die Politik führt uns eben immer vor, dass die erneuerbaren Energien der Hauptlieferant von Strom sind - und das stimmt nicht!"

Was es braucht, ist ein Zusammenspiel aller an der Energiewende beteiligten Kräfte. Gemeint sind Wissenschaftlerinnen und Technologen, ebenso wie die Politik und die Bergleute: "Mich ärgert die Respektlosigkeit", sagt Silke Butzlaff: "Mich ärgert die nicht mehr vorhandene Wertschätzung, die unserem Beruf nicht mehr entgegengebracht wird. Mich ärgert, dass wir mediale Prügel beziehen - und das seit vielen Jahren."

Das Publikum von "KohleFrauen" kann am Ende fraglos verstehen, was sie meint, wirft die Doku doch einen für viele völlig neuen und überraschenden Blick auf eine der größten Debatten der Gegenwart: Bei der Energiewende geht es zweifellos um unsere Zukunft, doch es geht auch um die Zukunft jener Menschen, die mit so unfassbar viel Herzblut für ihren Beruf brennen, denen die Stilllegung ihres langjährigen Baggers so nahe geht wie der Ruhestand des Lieblingskollegen. Am Ende bleibt der Wunsch, dass die Entscheidungsträger eine für alle tragbare Lösung finden.

"KohleFrauen" ist eine von drei Sendungen, die das MDR Fernsehen anlässlich des Weltfrauentags am 8. März ins Programm hebt. Weitere Formate sind die Doku "Exakt - Die Story: Spaß beim Sex - Frust bei der Verhütung" am Mittwoch, 8. März, um 20.45 Uhr, sowie die dreiteilige Doku-Serie "Der tödliche Unterschied" (ab 8. März in der ARD Mediathek sowie am Sonntag, 12. März, um 22.20 Uhr, im MDR Fernsehen). Bei erstgenannter Produktion steht die Frage im Fokus, warum Verhütung nach wie vor hauptsächlich Frauensache ist. Die dreiteilige Doku-Serie wiederum beschäftigt sich mit der Gender-Data-Gap in der Medizin, die dafür sorgt, dass Frauen häufig unzureichend behandelt werden.

Maria Blasche arbeitete früher im Schichtbetrieb, nach der Geburt ihres Sohnes ist sie als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ins Büro gewechselt.  (Bild: MDR / Meike Materne)
Maria Blasche arbeitete früher im Schichtbetrieb, nach der Geburt ihres Sohnes ist sie als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ins Büro gewechselt. (Bild: MDR / Meike Materne)