Manfred Weber bei "Maybrit Illner": "Wenn Kiew fällt, wird die Welt glauben, dass Deutschland schuld ist"

Manfred Weber forderte bei "Maybrit Illner" "Entschlossenheit und Stärke" Europas im Vorgehen gegen Russlands Machthaber Putin. (Bild: ZDF)
Manfred Weber forderte bei "Maybrit Illner" "Entschlossenheit und Stärke" Europas im Vorgehen gegen Russlands Machthaber Putin. (Bild: ZDF)

Spätestens mit der Blockade der Nato-Beitritte von Schweden und Finnland hat sich Tayyip Erdoğan in den Ukraine-Krieg eingeschaltet. Bei "Maybrit Illner" entzweiten sich die Meinungen über den richtigen Umgang mit dem türkischen Machthaber. Europapolitiker Manfred Weber forderte Härte.

Die viel beschworene Einigkeit des Westens gegen Putin - sie bröckelt offenkundig. Erst legte Ungarn sein Veto gegen ein Öl-Embargo gegenüber Russland ein, jetzt blockiert der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan den anvisierten Nato-Eintritt von Finnland und Schweden. Passend zu den Unstimmigkeiten innerhalb der EU fragte Maybrit Illner am Donnerstagabend in ihrem gleichnamigen Polittalk im ZDF: "Streit statt Stärke - Doch nicht gemeinsam gegen Putin?". Heiß diskutiert wurde unter anderem die Rolle Erdoğans und der Umgang des Westens mit dem türkischen Autokraten.

Denis Yücel, der 2017 ein Jahr in türkischer Untersuchungshaft zugebracht hatte, gab zu bedenken: "Als sich die Türkei zu Beginn des Krieges als Vermittler aufspielte, sah es so aus, als würde sie international wieder Aufwertung erfahren." Es sei eine gefährliche Tendenz und ein Trugschluss, "dass wir bei Putin merken, dass Autokraten keine verlässlichen Partner sind, und wir dann Erdoğan aufwerten". Westliche und zivilisatorische Werte dürften nicht vergessen werden, forderte der Journalist. In der Ablehnung derselbigen würden Putin und Erdoğan übereinstimmen.

Folgerichtig nannte Yücel potenzielle Zugeständnisse des Westens an Erdoğan "hochproblematisch". Claudia Roth pflichtete dem bei und mahnte an. "Wie will denn jemand Friedenslösungen verhandeln, der gleichzeitig in Syrien und im Nordirak völkerrechtswidrig Angriffe fährt?" Diplomatischer gab sich Ben Hodges. Der zugeschaltete Generalleutnant a. D. der United States Army betonte, er könne sich "keine Nato ohne die Türkei vorstellen". Die Beziehung müsse repariert werden, man selbst habe dabei auch Fehler gemacht.

In ihrer ZDF-Talkrunde diskutierte Maybrit Illner am Donnerstagabend die Frage "Streit statt Stärke - Doch nicht gemeinsam gegen Putin?". (Bild: ZDF)
In ihrer ZDF-Talkrunde diskutierte Maybrit Illner am Donnerstagabend die Frage "Streit statt Stärke - Doch nicht gemeinsam gegen Putin?". (Bild: ZDF)

Manfred Weber fordert "Entschlossenheit und Stärke" gegen Putin

Unmissverständlich äußerte sich derweil der Europapolitiker Manfred Weber, der Erdoğans derzeitiges Handeln als "brandgefährlich" titulierte. In Bezug auf die Nato-Blockade Finnlands und Schwedens stellte er fest, Erdoğan habe "an vielen Ecken versucht, Europa zu erpressen". Da sei "Entschlossenheit und Stärke" gefragt, appellierte der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP). Gleichzeitig kündigte er an, die EU werde auf alle möglichen Machtmittel zurückzugreifen, unter anderem den Zugang zum Binnenmarkt.

Hohe Erwartungen formulierte Weber derweil an Frankreich und Deutschland. Die beiden Länder müssten in Europa die Führung übernehmen, um der Aggression Russlands in der Ukraine entgegenzutreten. "Wenn die Ukraine heute verlieren würde, dann würde europaweit, vielleicht sogar weltweit der Eindruck da sein, Deutschland ist schuld daran", kommentierte der 49-Jährige. Die viel kritisierte fehlende Kommunikation seitens Olaf Scholz sei allerdings ein Problem. Die Regierungschefs, mit denen er in Kontakt stehe, vermissten ein "Signal aus dem Kanzleramt", monierte Weber. Ähnlich zurückhaltend agiere Frankreich.

Deniz Yücel nannte potenzielle Zugeständnisse des Westens an Erdogan "hochproblematisch". (Bild: ZDF)
Deniz Yücel nannte potenzielle Zugeständnisse des Westens an Erdogan "hochproblematisch". (Bild: ZDF)

Europa steht laut Weber "nackt in einer Welt voller Stürme"

"Was ist, wenn in zwei Jahren Trump wieder ins Weiße Haus einzieht?", warf der Politiker einen Blick in die Zukunft. Europa stünde "derzeit nackt in einer Welt voller Stürme", griff Weber zu einem starken Bild und meinte weiter: "Wir sind nicht verteidigungsfähig, und wir sind nicht in der Lage, uns politisch zu positionieren, wenn es notwendig ist." Auch im Umgang mit Osteuropa gestand Weber Fehler ein. Die Aussage Webers, man habe sich "oberlehrerhaft" benommen, bestätigte auch Deniz Yücel.

Ben Hodges war indes um eine differenziertere Sichtweise bemüht. Der US-Amerikaner betonte, Deutschland habe sich bislang gemäß seiner Zusagen zu Waffenlieferungen an die Ukraine verhalten. "Alles, was Deutschland offiziell versprochen hat, ist entweder schon geliefert worden oder ist auf dem Weg", konstatierte er. Stattdessen zog Hodges die anderen europäischen Länder mit in die Verantwortung. Sie würden sich aktuell noch zu sehr hinter Deutschland verstecken. Die Politologin Gwendolyn Sasse mahnte zudem an, eine Einteilung in "Europa-Ost und Europa-West" würde Putin "in die Hände spielen". Stattdessen betonte sie: "Das größte Gut ist es, so einig wie möglich aufzutreten."

Bei "Maybrit Illner" entzweiten sich nun die Meinungen über den richtigen Umgang mit dem türkischen Machthaber. (Bild: ZDF)
Bei "Maybrit Illner" entzweiten sich nun die Meinungen über den richtigen Umgang mit dem türkischen Machthaber. (Bild: ZDF)