Markus Lanz nimmt Richard David Precht in Schutz: "Sie können ihm mangelndes Wissen vorwerfen"

Im Podcast "Lanz & Precht" sorgte Philosoph Richard David Precht für einen Eklat, als er Stereotype über orthodoxe Juden verbreitete. ZDF-Moderator Markus Lanz äußerte sich nun in seiner Sendung zu den Vorwürfen und debattierte gleichzeitig über den zunehmenden Judenhass in Deutschland.

Markus Lanz wurde in seiner Sendung mit den Aussagen seines Podcast-Partners Richard David Precht konfrontiert. (Bild: ZDF/ Markus Hertrich)
Markus Lanz wurde in seiner Sendung mit den Aussagen seines Podcast-Partners Richard David Precht konfrontiert. (Bild: ZDF/ Markus Hertrich)

Einmal mehr geriet Philosoph Richard David Precht in die Kritik, nachdem er im Podcast "Lanz & Precht" Stereotype über orthodoxe Juden verbreitete, denen laut Precht, vom "Diamantenhandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen", das Arbeiten verboten sei. Das ZDF löschte bereits die entsprechende Aussage aus dem Format. Bei "Markus Lanz" äußerte sich nun der ZDF-Moderator zu den Äußerungen seines Podcast-Kollegen, während Studentin Anna Staroselski vor einer steigenden Judenfeindlichkeit an deutschen Schulen warnte.

Gibt es ein Antisemitismus-Problem in Deutschland?

Mit Blick auf die Entwicklungen in Israel und Palästina sagte der ebenfalls geladene regierende Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zunächst: "Mich bewegt das sehr, wenn ich die Bilder aus Israel sehe." Gleichzeitig werde er "emotional", wenn er die vielen pro-palästinensischen Demonstrationen in Deutschland beobachte. Trotz eines Demonstrationsverbots sind alleine am vergangenen Sonntag am Berliner Potsdamer Platz etwa 1.000 Menschen zu einer pro-palästinensischen Kundgebung zusammengekommen. Markus Lanz fragte daher ganz offen, ob wir in Deutschland ein Antisemitismus-Problem haben. "Ja", antwortete der CDU-Politiker prompt. Er wolle die Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr schönreden und stellte klar: "Das darf in Berlin, in der deutschen Hauptstadt, nicht passieren, dass Jüdinnen und Juden wieder in Angst leben."

Markus Lanz über Precht: "Nichts ist dem weiter entfernt als Antisemitismus"

Studentin Anna Staroselski, Sprecherin des deutsch-jüdischen Vereins WerteInitiative, meldete sich daraufhin zu Wort und offenbarte, dass sich viele Juden momentan "wirklich hilflos" und in Deutschland nicht mehr sicher fühlen würden. Besonders an deutschen Schulen würden jüdische Kinder laut Staroselski fast täglich Antisemitismus erleben. Sie ergänzte: "Es gibt auch ein Problem, dass sehr wenig Wissen über jüdisches Leben, über den israelisch-palästinensischen Konflikt da ist."

Studentin Anna Staroselski, Sprecherin des deutsch-jüdischen Vereins WerteInitiative, führte das Problem der Unwissenheit über das jüdische Leben an und wandte sich direkt an den Gastgeber Markus Lanz:
Studentin Anna Staroselski, Sprecherin des deutsch-jüdischen Vereins WerteInitiative, führte das Problem der Unwissenheit über das jüdische Leben an und wandte sich direkt an den Gastgeber Markus Lanz: "Das haben Sie ja ganz konkret auch miterlebt." (Bild: ZDF/ Markus Hertrich)

Der richtige Zeitpunkt für Anna Staroselski, auch die Causa Richard David Precht anzusprechen und Gastgeber Markus Lanz damit zu konfrontieren: "Das haben Sie ja ganz konkret auch miterlebt." Der ZDF-Moderator ließ sich davon jedoch nicht beirren und stellte sich auf die Seite seines Podcast-Kollegen. "Sie können ihm gerne mangelndes Wissen vorwerfen, aber die Verkürzung hin zum Antisemitismus finde ich an dem Punkt tatsächlich schwierig", so Lanz mit ernster Miene. "Richard David Precht ist jemand, den ich persönlich sehr gut kenne, sehr schätze. (...) Nichts ist dem weiter entfernt als Antisemitismus, um das mal ganz klar zu sagen."

Die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin Melanie Amann gab dennoch zu bedenken: "Man kann auch aus kompletter Ahnungslosigkeit antisemitische Klischees verbreiten." Dafür müsse man nicht zwingend selbst "antisemitische Überzeugungen" haben, "aber man verbreitet sie - und wenn man mit einer gewissen Autorität als Philosoph dann spricht, wird das Problem natürlich nochmal potenziert".

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), sagte klar:
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), sagte klar: "Das darf in Berlin, in der deutschen Hauptstadt, nicht passieren, dass Jüdinnen und Juden wieder in Angst leben." (Bild: ZDF/ Markus Hertrich)

Kai Wegner: "Ich will jüdisches Leben schützen"

Islamwissenschaftler Guido Steinberg kritisierte derweil in der Dienstagssendung von "Markus Lanz" die "blauäugige" Regierung, die "eine große Migrationswelle" aus Ländern zugelassen habe, "in denen Hass auf Israel, Hass auf Juden ein wichtiger Teil der politischen Kultur ist". CDU-Mann Kai Wegner fügte in dem Zusammenhang hinzu, dass in vielen Bereichen tatsächlich spürbar sei, dass die "Integration einfach mal in vollem Umfang gescheitert" sei. Nun müsse verhindert werden, "dass dieser Hass" und die brutale Ideologie der Hamas auf offener Straße verbreitet werde. "Ich will jüdisches Leben schützen", so Wegner selbstbewusst.

Islamwissenschaftler Guido Steinberg kritisierte in der Dienstagssendung von
Islamwissenschaftler Guido Steinberg kritisierte in der Dienstagssendung von "Markus Lanz" die mitunter "blauäugige" Regierung, die "eine große Migrationswelle" aus Ländern zugelassen habe, "in denen Hass auf Israel, Hass auf Juden ein wichtiger Teil der politischen Kultur ist". (Bild: ZDF/ Markus Hertrich)

Journalistin Melanie Amann zeigte sich doch skeptisch und merkte an: "Wir werden, fürchte ich, (...) mit diesen Menschen leben müssen. Die werden in Deutschland bleiben." Während Amann einen pessimistischen Blick auf Deutschland warf, warnte die aus Kairo zugeschaltete Journalistin Golineh Atai derweil vor einer Verschärfung des Nahost-Konflikts. Laut Atai gebe es eine "Zusammenarbeit aller pro-iranischen Fraktionen", also demnach "eine Strategie der Einheit der Fronten".

In dem Zusammenhang warnte Islamwissenschaftler Guido Steinberg vor der Feuerkraft der Hisbollah, die "enorm" sei. "Die Hisbollah kann heute fast das gesamte israelische Staatsgebiet, einschließlich der Negev-Wüste, erreichen", so Steinberg. Er ergänzte abschließend: "Die Darstellung, dass die Hisbollah der weitaus gefährlichere Gegner Israels ist als die Hamas, ist absolut korrekt."

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