Tandler in Masken-Prozess: «Ging niemals darum, zu betrügen»
München (dpa) - Im Steuerprozess gegen zwei Schlüsselfiguren der Corona-Maskenaffäre in Bayern hat die Angeklagte Andrea Tandler den Vorwurf zurückgewiesen, gezielt Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. «Es ging mir niemals darum zu betrügen», sagte die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und ehemaligen bayerischen Finanz-, Wirtschafts- und Innenministers, Gerold Tandler, vor dem Landgericht München I.
Sie habe Geschäfte machen wollen, «bei denen alles korrekt gehandhabt wird», und habe immer «nach bestem Wissen und Gewissen» gehandelt. Sie sprach allerdings von «Fehlern», die in der damaligen sehr hektischen Zeit passiert sein könnten.
Tandler und ihr Geschäftspartner N. müssen sich in dem Verfahren wegen steuerrechtlicher Vorwürfe verantworten. Tandler wird Steuerhinterziehung in drei Fällen sowie ein Subventionsbetrug vorgeworfen, dem Angeklagten N. Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Steuerhinterziehung in Mittäterschaft.
Auch N. wies über seine Rechtsanwälte zurück, gezielt Steuern hinterzogen zu haben. Beide verwiesen darauf, dass sie sich an Steuerrechtsexperten gewandt und eine Steuerberatungsgesellschaft in München mandatiert hätten.
Ausgangspunkt waren immense Provisionszahlungen, die Tandler zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 erhielt - wogegen jedenfalls rechtlich nichts einzuwenden ist. Die Unternehmerin hatte Lieferverträge über persönliche Schutzausrüstung, insbesondere Masken, zwischen einem Schweizer Unternehmen und verschiedenen Behörden des Bundes und der Länder vermittelt.
Insgesamt flossen dafür laut Anklage Provisionen von mehr als 48 Millionen Euro. Die Affäre hatte nach Bekanntwerden bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
Anklage: 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen
Insgesamt soll Tandler dann aber 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben, wie Staatsanwältin Susanne Gehrke-Haibl bei der Anklageverlesung ausführte. Konkret geht es demnach um nicht gezahlte Einkommensteuern von 8,7 Millionen Euro, gemeinschaftlich hinterzogene Schenkungssteuern von 6,6 Millionen Euro und Gewerbesteuerhinterziehung von 8,2 Millionen Euro.
Den entstandenen wirtschaftlichen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft München I letztlich mit 15,2 Millionen Euro. Tandler soll die Provisionen etwa rechtswidrig nicht als Einzelperson, sondern über eine Firma versteuert haben, und zwar in Grünwald bei München. Dort ist im Vergleich zur Landeshauptstadt nur rund die Hälfte an Gewerbesteuern fällig.
Tandler sagte, die Steuerkanzlei habe sie nie darauf hingewiesen, dass sie etwas privat versteuern müsse. In den Akten findet es sich aber beispielsweise ein Hinweis in einer Präsentation, dass Einkünfte aus früheren Vermittlungsleistungen privat zu versteuern seien.
Die Wirtschaftsstrafkammer hat bislang acht Verhandlungstage bis zum 17. November geplant. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, drohen Tandler und ihrem Partner angesichts des hohen Steuerschadens langjährige Haftstrafen. Das Verfahren gegen einen dritten Beschuldigten wurde abgetrennt. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.
Es war das erste Mal, das sich Tandler und N. äußerten. Tandler berichtete dabei vor allem ausführlich von der Anbahnung und Abwicklung der Geschäfte. Mit einem derart großen Volumen habe man nie gerechnet. Vor dem ersten Abschluss sei man lediglich von einer niedrigen sechsstelligen Provision für jeden ausgegangen, «auch wenn das aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar sein mag». Mit der Gründung einer GmbH habe man seriöser wirken wollen, erklärte sie.
Von ihrem Nachnamen will Tandler damals nicht profitiert und ihn jedenfalls nicht bewusst eingesetzt haben. Sie habe ihren Vater auch nicht um Hilfe gebeten. «Es war uns überhaupt nicht klar, dass der Name Tandler wertvoll sein könnte.» Allerdings hätten anfangs mindestens zwei Ministerien darauf hingewiesen, dass man sich wegen ihres Namens auf sie verlasse, räumte sie ein. Bestellt worden sei am Ende aber, weil man tatsächlich geliefert habe, «und nicht, weil ich Tandler heiße».
Zur Kontaktanbahnung hatte sich Tandler damals unter anderem an die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier gewandt. In den Akten findet sich allerdings ein Whatsapp-Chat, in dem Tandler einmal schrieb: «Mein Vater war früher Finanzminister in Bayern.»
«Es ging tatsächlich um gigantische Mengen»
Am Ende bestellte auch der Bund. Tandler berichtete ausführlich, wie sich auch der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) persönlich mit Anforderungslisten bei ihr gemeldet habe. «Es ging tatsächlich um gigantische Mengen», sagte sie rückblickend. Einmal habe ihr Spahn geschrieben: «Wir nehmen immer noch von allem alles.» Auch vom bayerischen Gesundheitsministerium, das als erstes Masken bestellte, seien sie und N. unter riesigen Druck gesetzt worden.
Sämtliche Arbeiten und Geschäfte wickelten nach Angaben Tandlers sie selbst und N. gemeinsam ab. «Wir waren Geschäftspartner fürs Leben», sagte sie - N. sei aber nicht ihr Lebenspartner, wie die Staatsanwaltschaft behaupte, auch wenn sie ihn manchmal so bezeichnet habe. Die Gewinne habe man auch für die Vision einer gemeinsamen geschäftlichen Zukunft einsetzen wollen.
Als Beispiel nannte sie Idee, hochwertige bayerische Knödel in den USA anzubieten. Zum Vorwurf, N. 13 Millionen Euro geschenkt zu haben, quasi aus Liebe, sagte sie, da wäre sie ja «durchgeknallt». Auch N. wies über seine Anwälte zurück, eine Lebenspartnerschaft mit Tandler zu führen.
Das Gericht stellte aber - mit Blick auf viele Whatsapp-Nachrichten, in denen von N. keine Rede ist - zahlreiche kritische Nachfragen dahingehend, ob dieser wirklich gleichberechtigter Partner war.
Zum Vorwurf der Gewerbesteuerhinterziehung sagte Tandler: «Wir sahen unsere berufliche Zukunft in Grünwald.» Sie und N. hätten sich dort «auf ein richtiges Büro» gefreut und deshalb einen Büroraum dort angemietet. Zuvor hatte sie geschildert, wie N. und sie in N.'s Lokalen in München gearbeitet hätten. Die Anklage wirft beiden vor, alle Entscheidungen seien damals von München aus getroffen worden.
Zum Vorwurf des Subventionsbetrugs sagte Tandler, sie habe den Antrag damals für ihre Werbeagentur gestellt - sie bedauere dies aber im Nachhinein, und auch dass es viel zu lange gebraucht habe, den Antrag zurückzunehmen und das Geld zurückzubezahlen. Dies tue ihr sehr leid.
N. argumentierte in seiner Erklärung, die seine Anwälte verlasen, man sei stets der Überzeugung gewesen, einen Beitrag zur Gesundheit der Menschen zu leisten. Man habe quasi hoheitliche Aufgaben übernommen «und dadurch Menschenleben gerettet». Man habe einwandfreie, geprüfte und behördlich zugelassene Masken und andere Ausrüstung besorgt.