Mathe lernen mit Stars? Deepfake-Videos rufen Kritik hervor
Hilft es wirklich beim Lernen - oder schafft es neue Probleme?
Taylor Swift und Kim Kardashian machen gemeinsame Sache, um Integralrechnungen zu erklären. Drake und Queen Elizabeth werfen sich in einer Erörterung von Trigonometrie gegenseitig die Bälle (und teils anzügliche Bemerkungen) zu. Und Rapperin Ice Spice erläutert zusammen mit Elon Musk die Grundlagen von Logarithmen.
Selbst wer die dazugehörigen TikTok-Videos noch nicht gesehen hat, kann sich denken, dass es sich bei diesen kuriosen Kollaborationen nicht um die echten Stars handelt, sondern um KI-betriebene Deepfakes der Promis, die in kurzen Clips mit unnatürlichen Lippenbewegungen und jugendlichem Slang Mathematik erklären. Dahinter steckt der TikToker @onlocklearning, der mit derartigen Videos jede Menge Klicks ansammelt. Allein Ice Spice als Logarithmus-Expertin wurde mehr als zehn Millionen Mal angesehen.
Eine gute Idee für junge Schüler? Nur auf den ersten Blick
Die Promi-Deepfakes versieht @onlocklearning dabei stets mit einem Hinweis in der Beschreibung. "Es handelt sich hier nicht um echte Video-/Audio-Aufnahmen von Drake oder Queen Elizabeth II. Alle Bilder und Aussagen wurden computergeneriert, um anderen zu helfen, Mathe, Physik oder Ingenieurwesen zu lernen", heißt es dort beispielsweise. Hierfür nutzt er die frei zugängliche Software ParrotAI.
Und tatsächlich legen viele der Kommentare nahe, dass die Videos einigen durchaus dabei helfen, mathematische Formeln zu lernen und Rechnungswege zu verstehen. "Ich habe gerade etwas in einer Minute gelernt, für das mein Mathelehrer eine oder zwei Unterrichtsstunden gebraucht hätte", schreibt ein Nutzer. Ein anderer meint: "Das hat mir tatsächlich bei meiner Nachholprüfung geholfen." Und: "Im Unterricht check ich das nicht, aber jetzt schon."
Wie das kanadische Nachrichtenportal CBC jedoch berichtet, sehen Experten diese Lernmethode kritisch - und das nicht nur, weil hierbei Ebenbilder und Stimmen von (teilweise bereits verstorbenen) Prominenten ohne deren Zustimmung verwendet werden. Schulpsychologen sehen auch ein mögliches Risiko der Deepfake-Lehrvideos, dass junge Menschen einen zu engen Bezug zu derartigen KI-generierten Abbildungen bekommen.
Denen begegnen sie auf Social-Media-Plattformen mittlerweile zwar immer öfter, doch wenn sie als Lern-Tools akzeptiert werden, fürchtet die Bildungspsychologie-Professorin Krista Muis von der McGill University in Montreal ein größeres Potential für Falschinformationen, die dann womöglich weniger hinterfragt werden.
Welchen Einfluss haben die Deepfake-Videos wirklich auf das Lernverhalten?
Neil Andersen, ein Experte für Medienkompetenz, sieht jedoch Lernpotential in den Promi-Deepfakes - nicht nur für Mathematik, sondern auch für Medienverständnis. Und auch Muis kann sich vorstellen, dass viele Menschen mit Mathe-Aversion sich auf diese Weise mit dem Thema beschäftigen könnten. Doch sie warnt auch vor einer möglichen Verkürzung der Aufmerksamkeitsspanne: "Sie passen vielleicht für diese sehr kurze Zeitspanne mal auf, aber die Frage ist, wie viel sie davon wirklich lernen? Fördert das wirklich tiefgehendes Lernen?"
Sie plädiert dafür, derartige Videos lediglich als Ergänzung eines regulären Unterrichts zu verwenden und keinesfalls als Ersatz.