Mauer, Fliese, Schmetterling - Vier verrückte Solar-Ideen offenbaren den Boom der Photovoltaik

Blick auf die Solarmodule im Solarpark Zeithain.<span class="copyright">Robert Michael/dpa</span>
Blick auf die Solarmodule im Solarpark Zeithain.Robert Michael/dpa

Klassischerweise gehört eine Solaranlage auf weite Felder oder auf das Hausdach. Aber damit muss es nicht getan sein. Vier neuartige Konzepte zeigen jetzt, wie sich Photovoltaik in allerhand Formen und Farben kreativ einsetzen ließe.

Um die Solarenergie ist es so gut bestellt wie selten zuvor. Mit dem „Solarpaket I“ stehen nicht nur großen Solarparks, sondern selbst den kleinen Solarpanels auf dem eigenen Dach und Balkon bedeutsame Erleichterungen ins Haus. Schon jetzt trägt die Solarenergie laut einer Erhebung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft bereits mit rund zwölf Prozent zur deutschen Netto-Energieversorgung bei. Zudem habe es 2023 einen „Rekordzubau bei Photovoltaik“ gegeben.

Ein möglicher Grund: Solarmodule werden immer günstiger, besonders aufgrund der zunehmenden Belieferung aus China. Derzeit liege der Anteil Chinas an allen Herstellungsstufen von Solarmodulen - von Zellen, Module über Polysilizium - bei mehr als 80 Prozent, berichtet die Internationale Energie-Agentur IEA .

Doch was, wenn sich kein großes, freies Plätzchen für eine Solaranlage im Ort anbietet? Um noch mehr Solaranlagen auf der Erdoberfläche zu installieren, haben verschiedene Start-Ups und Institute spannende Lösungen und Konzepte parat, um der Solarenergie auch künftig den Weg zu ebnen.

1) Solarzellen im Boden

Wer sich seine Photovoltaik-Anlage nicht offen sichtbar montieren möchte, soll sie künftig einfach in den Fußboden integrieren können. So hat etwa das spanische Start-Up „Solum“ ein Modul entwickelt, welches direkt als Bodenbelag genutzt werden kann, berichtet das "PV Magazine ". Auch der Einsatz in Geh- oder Fahrradwegen sei denkbar, wobei die gewonnene Energie direkt die Wegbeleuchtung antreiben könnte.

Die Oberflächen sind rutschfest, halten hohe Temperaturen von 60 Grad Celsius aus und sollen sich durch ihre ähnlich hohe Effizienz nach nur wenigen Jahren finanziell auszahlen. Konzepte der Vergangenheit scheiterten laut Greentechmedia oft daran, dass ihre eigene Kühlung und umweltbedingter Straßenbelag wie eine dicke Schneeschicht die tatsächlich gewonnene Energie erheblich schmälerten. Es bleibt abzuwarten, ob die neuen Technologien auch in der Praxis überzeugen.

Wattway , ein Projekt des französischen Straßen- und Schienenbauspezialisten Colas, möchte ebenfalls als „der erste photovoltaik-Straßenbelag weltweit“ punkten. Auch hier liegt die eigentliche Solarzelle eingebettet im Boden unter einer verstärken Glasschicht. In Frankreich wird das Konzept bereits vielerorts eingesetzt.

Etwa in einem Fahrradweg, um den Betrieb seiner Überwachungskamera zu gewährleisten. Oder auch eine Brückenunterführung, die so ihre eigene Beleuchtung antreibt. Eine Lidl-Filiale der französischen Gemeinde Moult-Chicheboville setzt Wattway bereits auf seinem Parkplatz ein. Dort sollen die Solarmodule in einem Jahr Strom „für 7000 Stunden Nutzung von fünf Kassen im Supermarkt“ erzeugt haben, heißt es laut Wattway. Auf Nachfrage von FOCUS online Earth hat Lidl leider nicht reagiert.

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2) Lärmschutz per Solarmauer

Das Fraunhofer-Institut erforscht derzeit die Möglichkeit, die Lärmschutzwände deutscher Autobahnen oder Bahngleise mit Solarzellen auszustatten. Das sogenannte „Projekt PVwins“ soll austesten, ob und wie sich Photovoltaik-Anlagen sinnvoll in bestehende Lärmschutzwände integrieren oder als neue errichten lassen.

Dabei müssen die Bauten sowohl eine hohe Energiegewinnungseffizienz als auch eine wirkungsvolle Schallunterdrückung für nahestehende Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Schließlich müssen die Erbauer einer Solarlärmwand ebenso die Verschattung durch umstehende Bäume sowie den lokalen Anschluss an das Stromnetz einkalkulieren. Auch ästhetische und wirtschaftliche Aspekte möchte das Fraunhofer-Institut beachten und testet dafür gleich fünf verschiedene Varianten.

Projektleiter Jacob Forster kann auf Nachfrage von FOCUS online Earth zwar noch keine finale Auswertung der Messungen vorlegen, zeigt sich aber guter Dinge: „Für uns ist die Lärmschutzwand ein großer Erfolg, da wir hier aufzeigen können, dass es eine Vielzahl möglicher Konzepte gibt, wie man Photovoltaik bei verschiedenen Anwendungsfällen verwirklichen kann“. Zudem könnten solche öffentliche Infrastrukturflächen „eine wichtige Vorbildfunktion einnehmen“.

Erste Anbieter haben bereits Vorgänger des Fraunhofer-Projektes in Betrieb genommen, darunter etwa in den Orten Neuötting (BY) oder Waltershofen (BW). Der Hersteller Kohlhauer berichtet im Rahmen seines Volta-Projekts in der Spitze von "bis zu 300 Kilowatt" auf einer Strecke von rund 400 Metern. Man habe bereits positive Erfahrungen mit Solarlärmschutzwänden gemacht und sei davon überzeugt, dass sie auch "einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung nationaler und internationaler Klimaziele leisten" werden, so ein Sprecher.

Bislang sei der Solarlärmschutz aber noch die Ausnahme und habe „Pilotcharakter“, gesteht Forster. Bis der Solarlärmschutz in weiten Teilen des deutschen Verkehrsnetzes integriert ist, wird es dementsprechend wohl noch etwas dauern.

Erste Solarlärmwände sind bereits im Einsatz, so wie hier im bayrischen Neuötting. Bis zur großen Expansion kann es aber noch etwas dauern.<span class="copyright">R. Kohlhauer GmbH</span>
Erste Solarlärmwände sind bereits im Einsatz, so wie hier im bayrischen Neuötting. Bis zur großen Expansion kann es aber noch etwas dauern.R. Kohlhauer GmbH

3) Solarmodule als häuslicher Sichtschutz

Auch im Privatbereich ist die Verwendung von Photovoltaik als Mauer nicht ganz unbekannt. So bieten einige Hersteller bereits sogenannte Solarzäune an. Mit diesen umschließen Sie nicht nur Ihren Garten, der Heckenersatz produziert zusätzlich noch Strom.

Wichtig ist dabei aber vor allem die Ausrichtung. In Richtung Süden sind die Zäune bereits wirksam, schreiben die Experten von Solarwatt. Besonders sinnvoll ist aber ein Aufbau in den Osten oder Westen. Die niedrigstehende Sonne sorgt dann für eine besonders direkte Strahlung und somit für einen hohen Stromgewinn. Wer hier auf sogenannte bifaziale, also beidseitig mit Modulen versehene, Solarzäune setzt, kann hohe Leistungen erwarten.

Laut Solarwatt sei der Ertrag mit einer normalen Nennleistung etwa zwischen 600 und 750 kWh rund ein Drittel geringer als bei der durchschnittlichen deutschen Solaranlage. Doch gerade mit der tiefen Sonne auch im Winter können die Zaunbauten demnach überzeugen.

„Die vertikale Ausrichtung sehe ich teilweise sogar als Vorteil“, bemerkt Solarexperte Forster gegenüber FOCUS online Earth. Ihm zufolge seien sie netzdienlicher und würden eher zu den Energiebedarfszeiten im Privathaushalt passen. Zudem profitieren Photovoltaik-Zäune von ihrer besseren Belüftung und würden durch die erschwinglichen Module ähnlich viel kosten wie ein Zaun mit Glas- oder Acrylelementen.

Verschattungen, etwa durch parkende Autos oder Bäume vor dem Zaun dürften das Ergebnis gerade ohne Bypassdioden im Solarmodul jedoch trüben.

 

4) Buntes Treiben im Solargeschäft

Glücklicherweise sind Lösungen für dieses Problem aber schon in Arbeit. Das Fraunhofer-Institut arbeitet derzeit an farbigen Photovoltaik-Modulen. Diese sollen mit einer dünnen, sogenannten Morpho-Color-Schicht überzogen sein, für welche sich das Institut vom Morpho-Schmetterling, auch bekannt als Himmelsfalter, inspirieren ließ.

Dessen grell blaue Farbe verdankt er einem optischen Trick. Kleine Rillen auf den Schuppen des Falters werfen besonders die blauen Lichtwellen zurück, wodurch die Farbe auch nicht mit der Zeit ausbleichen kann. Eine wünschenswerte Eigenschaft für teure Solarmodule.

Auf der InterSolar 2024 zeigt das Frauenhofer-Institut, wie Solarmodule mit etwas Farbe gleich deutlich einladender aussehen. Fans müssen einen leichten Effizienzverlust aber hinnehmen.<span class="copyright">Jacqueline Arend / FOCUS online Earth</span>
Auf der InterSolar 2024 zeigt das Frauenhofer-Institut, wie Solarmodule mit etwas Farbe gleich deutlich einladender aussehen. Fans müssen einen leichten Effizienzverlust aber hinnehmen.Jacqueline Arend / FOCUS online Earth

„Ihr spezieller Schichtaufbau ermöglicht eine sehr hohe Farbsättigung sowie eine außergewöhnlich gute Winkelstabilität“, schreibt das Institut in einer Brochüre . Solarzellentechnologie hinter der Farbschicht bleibe dabei unsichtbar, es gibt aber auch semi-transparente Designs.

Besonders die Effizienz der quietschbunten Module ist eine Herausforderung für die Forschenden. Die schwarze Färbung der klassischen Solaranlagen ist schließlich nicht zufällig gewählt – sie reflektieren Sonnenstrahlen deutlich weniger als etwa weiße Oberflächen. Je heller also die Anlage, desto schwieriger die Energiegewinnung. Laut dem Frauenhofer-Institut betrage der Verlust derzeit aber „nur etwa sieben Prozent“.