"Menschenhandel-Charakter": ZDF-Reportage beleuchtet "Haifischbecken" der Spielerberater

Zwischen "Kriegserklärung" und "Raubtierkapitalismus": Eine neue ZDF-Reportage offenbarte, wie emotional aufgeladen die Diskussion um Spielerberater im Fußball ist. Der sehenswerte Film lässt Berater ebenso wie Ex-Nationalspieler zu Wort kommen.

Roger Wittmann ist einer der prominentesten deutschen Spielerberater. Er vertritt unter anderem Julian Draxler und Roberto Firmino. (Bild: ZDF / Lars Schwellnus)
Roger Wittmann ist einer der prominentesten deutschen Spielerberater. Er vertritt unter anderem Julian Draxler und Roberto Firmino. (Bild: ZDF / Lars Schwellnus)

Ob Mino Raiola, Jorge Mendes oder Roger Wittmann: Ihre Namen sind bei Fußballfans auf der ganzen Welt bekannt - und das, obwohl die genannten Herren weder auf dem Platz stehen noch bei Vereinen angestellt sind. Dennoch nehmen sie als Spielerberater eine immer wichtigere Rolle in der Fußballindustrie ein. Über ihre Arbeit im Genauen ist aber wenig bekannt, über die hohen Geldsummen, die fließen, wird oft nur gemunkelt. Mit der Reportage "Die Macht der Spielerberater", die das ZDF am Mittwoch im Rahmen der Champions League zeigte, versuchte FIlmemacher Sebastian Galle für Aufklärung zu sorgen.

Bemüht um eine ausgewogene Betrachtung des komplexen und emotional aufgeladenen Themas ließ Galle Beteiligte an allen Enden des Tisches zu Wort kommen. Für Roger Wittmann, den der Filmemacher unter anderem während des Fluges mit einem Privatjet begleitet, ist klar: "Der Fußball hat sich in den letzten 30, 40 Jahren in einer Lichtgeschwindigkeit entwickelt." Verwerflich findet er die Milliardensummen, mit denen hantiert wird, nicht, sieht sich eher in der Opferrolle in einer "elendigen Diskussion": "Das ist ein Mythos, der erschaffen wird, man braucht ein Feindbild."

"Jeder kann Spielerberater machen"

Und doch kommt man nicht umhin, als Zuschauender staunend die Einblicke in die Mechanismen hinter der Fassade Volkssport zu verfolgen. Dann etwa, wenn der Wechsel eines Spielers wirtschaftlich nüchtern als "Transaktion" bezeichnet, wenn die Betreuung eines Nachwuchsspielers als "Risikoinvest" umschrieben wird. Zehn Prozent des Brutto-Jahresgehalts eines Spielers wandert bei Ein- und Verkauf in die Taschen der Berater. Dazu kommen oft eigens ausgehandelte Boni - ein lukratives Geschäft, das nicht nur die Vereine zahlen, sondern unter dem auch immer wieder die Spieler leiden müssen.

Transfers im Fußball-Business sind ohne die Spielerberater  in den meisten Fällen undenkbar. (Bild: ZDF / Lars Schwellnus)
Transfers im Fußball-Business sind ohne die Spielerberater in den meisten Fällen undenkbar. (Bild: ZDF / Lars Schwellnus)

"Das hat nichts mit seriöser Karriereplanung zu tun. Dann bekommt das schon ein Stück weit Menschenhandel-Charakter", erinnert sich Ex-Nationalkeeper René Adler in der Reportage an "schwarze Schafe" im Fußballbusiness. Auch David Raum, der zur neuen Bundesliga-Saison von der TSG Hoffenheim zu RB Leipzig wechselte, denkt an seine Anfänge zurück. Als junger Spieler sei "viel mit Schuhen gelockt" worden.

Maik Franz, einst beinharter Verteidiger, engagiert sich heute als Vizepräsident der Spielergewerkschaft. Fehlgeschlagene Investmentratschläge seiner einstigen Berater hat er mit "Verlusten von round about 1,5 Millionen Euro" bezahlt, der Gang vor Gericht endete mit einem Urteil zugunsten der Berater. "Der Frisör von der Ecke, die Putzfrau, die hier gleich sauber macht: Jeder kann Spielerberater machen", kritisiert er die niedrigen Hürden, um als Berater zu arbeiten.

"Das wäre eine Kriegserklärung an die Branche"

Gigantische Summen, hoher Zulauf im Beraterwesen und dazu eine große Macht im Gefüge von Vereinen und Spielern: Was Berater Roland Braun ein "Haifischbecken" nennt, bringt Investigativjournalist Rafael Buschmann vom "Spiegel" ("Football Leaks") auf den Punkt: "Teilweise wirkt es so, als ob sie [die Berater] die Vereine am Nasenring durch die Manege ziehen können." Das Fehlen von wichtigen Leitplanken habe einen immer schärfer werdenden "Raubtierkapitalismus" zur Folge, folgert Buschmann.

Auch die FIFA scheint das Problem erkannt zu haben. Eine Kommission arbeitet an einheitlichen Standards. Dazu sollen eine Lizenz für Spielerberater und eine Meldepflicht für Transparenz eingeführt werden. Während der Vorstoß in vielen Kreisen positiv wahrgenommen wird, regt sich bei den Spielerberatern großer Widerstand. Es sei "eine Kriegserklärung an die Branche" wettert Roger Wittmann, der mit namhaften Kollegen bereits an eine Klage denkt.

Eines ist nach der 45-minütigen ZDF-Reportage klar: Weniger kontrovers wird die Diskussion um die Rolle von Spielerberatern im Fußball wohl auch künftig nicht geführt werden. Doch besonders bei Fans dürfte der Erkenntnisgewinn durch den Film zumindest eine differenziertere Sichtweise des Themas zur Folge haben.

Im Video: Ex-Nationalspieler Michael Ballack ist als Spielerberater tätig