"Wie wenn Messi oder Ronaldo in die Bundesliga wechseln"
Wenn der FC Bayern in ein paar Monaten ans Millerntor reist, ist der größte Star längst in Hamburg. Der FC St. Pauli spielt nach dem Bundesliga-Aufstieg endlich erstklassig - und bläst plötzlich mit dem besten Spieler der Welt und einem untypischen Glamour-Faktor zum Angriff auf die Münchner. Nicht im Fußball, sondern im Schach.
Magnus Carlsen, Mehrfachweltmeister und Superstar am Brett, schließt sich zur neuen Saison dem Kiez-Klub an. „Ich freue mich, Teil der coolsten Marke in Deutschland zu sein“, sagte Carlsen über sein überraschendes Engagement beim Aufsteiger der Schachbundesliga.
St. Pauli ist damit ein Transfer-Coup geglückt, findet auch Kevin Högy, Sportdirektor des Deutschen Schachbundes. „Es ist ein Coup, dass der stärkste Schachspieler der Welt seit vielen Jahren wieder in der Bundesliga aktiv sein wird“, zeigte sich Högy im Gespräch mit SPORT1 begeistert: „Das ist großartig für die Bundesliga. Sportlich ist es, wie wenn Messi oder Ronaldo in die Bundesliga wechseln.“
Darum schließt sich Carlsen St. Pauli an
Zustande kommt die Kooperation dank einer neuen Partnerschaft zwischen St. Paulis Schachabteilung und der Weissenhaus Chess Academy des Unternehmers Jan Henric Büttner.
Dieser hat „zusammen mit Magnus Carlsen zwei Unternehmen gegründet, die beide auch mit gleichen Anteilen daran beteiligt sind. Wenn Carlsen aufgrund dieser Geschäftsbeziehung Kontakte hat und Büttner sagt, er geht mit St. Pauli eine Geschäftsbeziehung ein, liegt die Vermutung nahe“, erklärte Högy.
Er ist überzeugt, dass auch „finanzielle Interessen eine Rolle spielen“, denn als Top-Schachspieler kann man gutes Geld verdienen: „Ich könnte mir schon vorstellen, dass es sich im niedrigen fünfstelligen Bereich bewegt, die ein Carlsen pro Partie kriegt. Vielleicht ist es auch ein Tacken mehr oder weniger, aber viel weniger auf gar keinen Fall. Nach oben ist wie so häufig ‚the sky the limit‘.“
Die Zusammenarbeit mit St. Pauli ist langfristig angelegt und wird auch gemeinsame kommunikative Maßnahmen mit Carlsen beinhalten. „Wir freuen uns alle riesig auf Magnus bei uns am Millerntor. Wir wollen uns langfristig ‚oben‘ etablieren“, verriet Thomas Schüttler, Abteilungsvorstand FC St. Pauli Schach.
Bundesliga-Wechsel: Rückkehr zu den Wurzeln
Carlsen kehrt mit dem Wechsel ein Stück weit zu seinen Wurzeln zurück. Der 33-jährige Norweger kennt die Bundesliga, als junger Teenager spielte er in der Saison 2004/05 für die Schachfreunde Neukölln. Später war er für die OSG Baden-Baden aktiv.
Rainer Polzin, der Carlsen einst für die Berliner Schachfreunde gewann, erinnerte sich an das Talent. „Wie er am Brett saß, wie er gespielt hat, wie er die Gegner geschlagen hat - es war klar, dass dieser Spieler mal richtig groß wird“, blickte er im Podcast „Scambit“ zurück.
Carlsen wurde schnell der größte seiner Generation und einer der besten Schachspieler der Geschichte. Von 2013 bis 2023 war er Weltmeister. Vor einem Jahr verzichtete er auf den Titel. Zudem gewann er mehrmals WM-Titel im Blitz- und Schnellschach.
St. Pauli auch mit Carlsen kein Topfavorit
Für St. Pauli, das in der Schachbundesliga unter anderem auf Bayern München und Werder Bremen trifft, geht es nach dem Aufstieg zunächst um den Klassenerhalt. Garantiert ist dieser trotz Carlsens Verpflichtung nicht. Die Teams bestehen aus acht Spielern, Carlsen besetzt nur eine dieser Positionen und kann somit nur einen Sieg einfahren.
Daher warnt auch Högy davor, zu viel von St. Pauli zu erwarten: „Wenn nur Magnus Carlsen spielt und dann der Rest der Aufsteiger-Truppe, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch wieder direkt nach unten geht. Dafür ist der Sprung von der zweiten in die erste Liga zu groß.“
Ähnlich sieht es Vizepräsident Reinhard Ahrens im Gespräch mit dem SID: „Es wird darauf ankommen, ob es St. Pauli gelingt, das Team noch an weiterer Position so zu verstärken, dass sie in der Liga mithalten können.“ Das dürfte jedoch nicht leicht werden, denn viele Topspieler stehen bereits bei anderen Bundesligavereinen unter Vertrag, weshalb große Verstärkungen schwierig sind.
Zudem bleibt laut Högy abzuwarten, wie oft Carlsen tatsächlich mitspielen werde: „Macht er alle Spiele, macht er die Hälfte, macht er zwei bis drei - oder steht er auf dem Papier nur für die PR? Ohne weitere Verstärkungen wird St. Pauli die Liga nicht halten können.“
Schach: Carlsen bringt Glamour und Aufmerksamkeit
Sicher ist nur, dass Carlsen St. Pauli Aufmerksamkeit und einen gewissen Glamour-Faktor bringen wird.
„Wenn Carlsen spielt, ist immer ein Hype. Dann kommen die Fans in Strömen. (...) Das sieht man auch online. Wenn Carlsen spielt, ist das ein anderes Turnier, als wenn er nicht spielt“, meinte Högy, der sich auch „lieber Messi als das Kicken auf dem Bolzplatz nebenan ansieht“.
Denn es sei einfach immer etwas Besonderes, einer Nummer eins zuzusehen, da die Besten der Besten „Dinge können, die wir Normalsterblichen nicht können“. Dies wird Carlsen hoffentlich in Zukunft häufiger auch in Hamburg unter Beweis stellen.