"#metoo war ein guter Impuls, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns!"

Schauspielerin und Zweifachmama Friederike Becht spielt gerne starke Frauen, so auch in dem ZDF-Drama "So laut Du kannst", in dem es um die Gerechtigkeit für ein Vergewaltigungsopfer geht. Themen wie Missbrauch und Belästigung sind der 36-Jährigen besonders wichtig: "Keine Frau hat Schuld am Geschehenen!" (Bild: 2022 Getty Images/Andreas Rentz)
Schauspielerin und Zweifachmama Friederike Becht spielt gerne starke Frauen, so auch in dem ZDF-Drama "So laut Du kannst", in dem es um die Gerechtigkeit für ein Vergewaltigungsopfer geht. Themen wie Missbrauch und Belästigung sind der 36-Jährigen besonders wichtig: "Keine Frau hat Schuld am Geschehenen!" (Bild: 2022 Getty Images/Andreas Rentz)

Friederike Becht ist eine starke Frau in starken Rollen. Das ZDF-Drama "So laut Du kannst" thematisiert die psychische Belastung nach einer Vergewaltigung. Besonders die rechtliche Lage steht im Zentrum der Aufmerksamkeit - auch für Becht ein Thema, über das man mehr sprechen müsse.

Sie hat keine Scheu vor schweren Schauspielrollen: Friederike Becht kann als Schauspielerin mit dem Blick in die Abgründe des menschlichen Daseins gut umgehen. Sie verkörperte in "Plötzlich so still" eine Mutter, die mit plötzlichem Kindstod fertig werden muss, und ein Vergewaltigungsopfer in "Schneller als die Angst". Dafür erhielt sie den Deutschen Fernsehpreis 2022 als beste Darstellerin. Das Thema Missbrauch steht auch im Fokus des neuen ZDF-Dramas "So laut du kannst" (Montag, 14. November, 20.15 Uhr), in dem die 36-Jährige erneut eine sehr starke Frau spielt, die für Gerechtigkeit kämpft. Friederike Becht, die Person hinter diesen bemerkenswerten Filmfiguren, stellt sich herrlich nahbar als "Frieda" vor und spricht im Interview offen darüber, wie sie das Leben als erfolgreiche Schauspielerin und Mutter zweier Kinder gemeinsam mit ihrem Mann - Slampoet Sebastian Rabsahl alias "Sebastian 23" - in ihrer Wahlheimat Bochum wuppt.

teleschau: Für Ihre Rolle in "Schneller als die Angst" wurden Sie kürzlich mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Darin spielten Sie ein Vergewaltigungsopfer. In "So laut Du kannst" geht es ebenfalls um sexuellen Missbrauch. Das Thema braucht trotz "#metoo" noch viel mehr Aufmerksamkeit, oder?

Friederike Becht: Absolut, das Thema ist so lange relevant, wie es Missbrauchsfälle gibt! Leider hatten wohl schon viele Frauen in ihrem Leben mit dem Thema sexuelle Belästigung Berührungspunkte - sei es als verbaler oder körperlicher Übergriff, sei es als Betroffene oder Vertraute eines Opfers. Deswegen ist es wichtig, dass wir mit Filmen wie "So laut du kannst" zeigen: "Du bist nicht allein!", und dass wir das Thema nicht totschweigen. #metoo war ein guter Impuls, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns!

teleschau: Der Film zeigt eindrucksvoll, wie die Tortur des Opfers nach einer Tat weitergeht - sei es durch die Untersuchung beim Arzt, die quälenden Fragen bei der Polizei oder die Tatsache, dass das Rechtssystem Beweise von der Frau einfordert ...

Friederike Becht: Es ist häufig schwer zu beweisen. Selbst wenn der Täter gefunden werden kann, steht oft Aussage gegen Aussage. Und das führt nicht immer zu einer gerechten Strafe für den Peiniger. Aber auch eine Verurteilung ändert nichts daran, dass nach einer Vergewaltigung etwas zurückbleibt. Die Frau kann nur versuchen, damit leben zu lernen.

teleschau: Eine sehr traurige Realität. Kein Wunder, dass viele Frauen gar nicht erst zur Polizei gehen. Aber "So laut du kannst" zeigt, wie wichtig es ist, aufzustehen als Frau - so gut es eben geht. Geht es darum?

Friederike Becht: Ja, wir zeigen eine Frau, die sich zur Wehr setzt und sich aus der Ohnmacht befreit. Sie findet wieder ihre Freude, ihren Platz im Leben und den Weg aus der Machtlosigkeit. Die wichtigste Botschaft ist: Keine Frau hat Schuld am Geschehenen, und keine Frau muss sich schämen, wenn ihr eine Gewalttat widerfahren ist!

Maja (Nina Gummich) und Kim (Friederike Becht) sind in dem ZDF-Drama "So laut Du kannst" ein unschlagbares Team - bis zu Majas Vergewaltigung. Während Kim unerlässlich versucht, für Gerechtigkeit zu kämpfen, zerbricht ihre Freundin fast an der Last des Erlebten. Finden die beiden wieder zueinander? (Bild: ZDF / Marion von der Mehden)
Maja (Nina Gummich) und Kim (Friederike Becht) sind in dem ZDF-Drama "So laut Du kannst" ein unschlagbares Team - bis zu Majas Vergewaltigung. Während Kim unerlässlich versucht, für Gerechtigkeit zu kämpfen, zerbricht ihre Freundin fast an der Last des Erlebten. Finden die beiden wieder zueinander? (Bild: ZDF / Marion von der Mehden)

"Können Mädchen etwa keine coolen Abenteuer erleben?"

teleschau: Es gibt den englischen Satz "Don't protect your daughter, educate your son!" Sollten Aufklärung und Prävention schon vom Kindesalter an erfolgen?

Friederike Becht: Unbedingt! In der Schule meines Sohnes gibt es Kurse für die Kinder, um zum Beispiel zu lernen, wie sie persönliche Grenzen aufzeigen und "Stopp" sagen. Die Gesellschaft prägt uns und ist meiner Meinung nach noch viel zu sehr auf bestimmte Geschlechterrollen festgelegt. Neulich habe ich ein Abenteuerbuch, das speziell als "für Jungs" betitelt war, direkt in den Müll geworfen. Können Mädchen etwa keine coolen Abenteuer erleben?

teleschau: Sie sind Zweifach-Mama und arbeiten erfolgreich als Schauspielerin im Theater und Film. Wie halten Sie es privat mit der Rollenverteilung?

Friederike Becht: Mein Mann und ich teilen uns Erziehung und Haushalt und leben sicherlich eine "moderne" Beziehung. Allerdings gibt es eben gewisse Rollenzuschreibungen und Stereotypen, die in unserer Gesellschaft verankert sind, und Frauen und Männer in ihren persönlichen Freiheiten teilweise einschränken. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass ich komplett frei davon bin. Aber ich setze mich damit auseinander und versuche, mich davon zu lösen und zusammen mit meinem Mann ein Lebenskonzept zu kreieren, das zu uns passt.

teleschau: Gibt es ein Glücksrezept?

Friederike Becht: Wir haben viel Humor in unserem manchmal chaotischen Alltag. Das macht alles schöner und einfacher - auch die unliebsamen Aufgaben, die zu bewältigen sind. Wir können viel lachen, und ich möchte keinen albernen Moment mit ihm missen.

Friederike Becht (36) wird mit dem Deutschen Fernsehpreis 2022 als beste Darstellerin für ihre schauspielerische Leistung als Vergewaltigungsopfer in "Schneller als die Angst" ausgezeichnet. (Bild: 2022 Getty Images/Andreas Rentz)
Friederike Becht (36) wird mit dem Deutschen Fernsehpreis 2022 als beste Darstellerin für ihre schauspielerische Leistung als Vergewaltigungsopfer in "Schneller als die Angst" ausgezeichnet. (Bild: 2022 Getty Images/Andreas Rentz)

"Schubladendenken ist zu einfach!"

teleschau: Sie leben in Bochum - im Gegensatz zu vielen Schauspielern, die es ins hippe Berlin verschlägt. Was ist das Tolle an Ihrer Wahlheimat?

Friederike Becht: Ich kann mich noch an meinen ersten Bochum-Besuch erinnern. Ich bin vom Bahnhof Richtung Schauspielhaus gelaufen und hab einen Abstecher in die Bochumer Marienkirche gemacht. Ganz unerwarteterweise habe ich keine Trauung gestört, sondern war Zaungast einer Probe der Veranstaltung "Urbanatix". In der Kirche übten zum Beispiel Biker und Tänzer ihre Stunts und Choreografien. Der Raum bebte voller Energie. Der Puls der Stadt ist ruhiger als der Berlins, aber nicht weniger lebendig. Und viele behaupten ja, dass Bochum das schönste Schauspielhaus Deutschlands besitze. Sie könnten Recht haben ...

teleschau: Ihr nächster Film "Einfach Nina" thematisiert erneut ein wichtiges Thema: Transgender. Sie spielen die Mutter eines Kindes, das sich nicht mit dem bei der Geburt erhaltenen Geschlecht identifizieren kann. Wie würden Sie als Mutter damit umgehen, wenn eines Ihrer Kinder sich zum anderen Geschlecht zugehörig fühlen würde?

Friederike Becht: Man sollte ein Kind generell nicht in eine äußere Hülle hineinpressen, in der es sich nicht wohlfühlt. Das würde ich mit meinen Kindern nicht machen: dass ich sie zwingen würde jemanden zu verkörpern, der sie nicht sind. Es ist wichtig, sein Kind ernst zu nehmen, zu unterstützen und ihm zuzuhören. Ich hoffe, dass ich das tun würde.

teleschau: Jeder Mensch sollte selbst wählen können, wer er/sie ist?

Friederike Becht: Ja! Jeder muss doch selbst entscheiden dürfen, wie er/sie aussieht oder sich nennt. Und das Umfeld sollte das so akzeptieren und nicht ständig hinterfragen oder kritisieren. Das ist ebenfalls ein gesellschaftliches Problem: Wir fokussieren uns so stark auf die Unterteilung in Männlein und Weiblein. Engen wir damit die Sicht auf uns und unsere Mitmenschen nicht total ein? Warum ist es beispielsweise wichtig, ob Frau oder Herr Becht einen Coronatest im Testcenter macht? Wozu braucht es dafür eine Geschlechterangabe? Das ist doch seltsam! Wieso ist das relevant?

teleschau: Sie würden sich also wünschen, dass das Umdenken noch weiter geht?

Friederike Becht: Ja. Es ist nicht nur für nonbinäre Menschen wichtig, dass sich etwas ändert. Die Gesellschaft sollte auch generell nicht so viel Druck auf Menschen ausüben, wenn es um die Geschlechtszuordnung geht. Ist die Vorstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit nicht auch sehr viel Konstrukt? Jeder Mensch, jeder Körper, jedes Wesen ist unterschiedlich. Schubladendenken ist da zu einfach!

Friederike Becht ermittelt als Kim in "So laut Du kannst" auf eigene Faust im Fall der Vergewaltigung ihrer besten Freundin nach einem sogenannten "Gentlemen's Evening", bei dem die beiden als Gastro-Hostessen tätig sind. (Bild: ZDF / Marion von der Mehden)
Friederike Becht ermittelt als Kim in "So laut Du kannst" auf eigene Faust im Fall der Vergewaltigung ihrer besten Freundin nach einem sogenannten "Gentlemen's Evening", bei dem die beiden als Gastro-Hostessen tätig sind. (Bild: ZDF / Marion von der Mehden)