Michelle Obama feiert 60. Geburtstag: Warum Amerika sie so liebt
Man möchte fast meinen, dass die so jugendlich wirkende Michelle Obama ihrem wahren Alter ungekünstelt ein Schnippchen schlägt. Die ehemalige First Lady der USA wird am 17. Januar tatsächlich bereits 60 Jahre alt.
Sie wirkt locker und lässig, seit sie ihren repräsentativen First-Lady-Look weitgehend abgelegt hat. Auch die elegante Frisur mit glatten Haaren ist ihrer natürlichen Krause gewichen, die Locken wallen weit hinab wie bei einem jungen Mädchen.
Man mag es hierzulande kaum glauben, doch diese Frisur ist auch ein politisches Statement. In den USA werden Afroamerikaner immer wieder wegen ihrer natürlichen, krausen Haare diskriminiert. Deswegen wurde 2019 die Bewegung Crown Act ("Create a Respectful and Open World for Natural Hair") ins Leben gerufen. Der Crown Act wird von Teilen der republikanischen Partei als "bad hair bill" bezeichnet und bekämpft, wurde aber im vergangenen Jahr im US-Repräsentantenhaus als Gesetz gegen rassistische Haardiskriminierung verabschiedet. Er hat in 24 US-Bundesstaaten Gültigkeit, doch im Senat bislang keine Mehrheit gefunden.
Jahrelanger Kampf gegen den Rassismus
Michelle Obama hatte beim Amtsantritt ihres Mannes Barack Obama (62) als 44. Präsident der USA (2009-2017) beschlossen, ihre Haare zu glätten. Die amerikanische Bevölkerung habe sich damals "gerade erst daran gewöhnt", dass eine Schwarze Präsidentenfamilie im Weißen Haus wohne, für krause Afro-Haare seien sie "nicht bereit", sagte sie in einem Interview mit der US-Talkmasterin Ellen DeGeneres (65). Dadurch habe sich die Regierung auf die Agenda ihres Mannes konzentrieren können, anstatt rassistische Fragen zu ihren Haaren beantworten zu müssen.
Michelle Obama ist davon überzeugt, dass Frisuren eine weitere Hürde für Afroamerikanerinnen am Arbeitsplatz seien und natürliche Frisuren als wenig professionell kritisiert werden. Und gegen Rassismus, ganz gleich welcher Spielart, hat sie ihr Leben lang gekämpft.
Eine beeindruckende Karriere
Sie stammt aus einem Arbeiterviertel von Chicago, der Vater war Metzger, dann Maschinist, die Mutter Sekretärin. Ihre Vorfahren kamen größtenteils als ehemalige Sklaven aus dem Süden der USA, wobei einer ihrer Ahnen der weiße texanische Sklavenbesitzer Henry Wells Shields war, wie 2012 eine DNA-Analyse ergab.
Die hochintelligente und selbstbewusste Michelle hatte als Schülerin den Rat einer Lehrerin in den Wind geschlagen, sich - als Schwarzes Kind - nicht zu hohe Ziele zu stecken: Sie bewarb sich an der Elite-Universität Princeton, bekam einen Studienplatz und setzte nach ihrem Abschluss in Soziologie und Afroamerikanische Studien noch einen obendrauf: Sie studierte in Harvard, der berühmtesten und wohl auch besten Universität der Welt, Rechtswissenschaften und machte ihren "Juris Doctor", um danach eine Karriere als Spitzenanwältin bei der renommierten Kanzlei Sidley & Austin zu starten.
Und dann kam Barack Obama
Dort lernte die brillante Juristin einen gewissen Barack Obama kennen, der als Jura-Student ein Sommerpraktikum bei Sidley & Austin absolvierte und dessen Mentorin Michelle wurde. Sie gab ihrem Schutzbefohlenen, der so charmant flirten konnte, deutlich zu verstehen, er möge nicht seine Zeit verschwenden, indem er sich in Vorgesetzte verliebe. Es hat nichts geholfen, auch Michelle spürte, wie sie später bekannte, eine "eigentümliche Hitze", die ihr "das Rückgrat herauf kroch", wenn sie ihren Schützling sah.
Im Oktober 1992 heirateten die beiden in Chicago, wo auch ihre beiden Töchter Malia Ann (1998) und Natasha (2001) geboren wurden.
Über die Rollenverteilung in ihrer Ehe hat Michelle Obama einmal gesagt: "Wir sind, wie wir sind. Ich habe eine laute Klappe, ich ziehe meinen Mann auf. Er ist unglaublich smart, und er ist sehr wohl in der Lage, mit einer starken Frau umzugehen. Mit mir klarzukommen, ist einer der Gründe, warum er zum Präsidenten taugt."
Heute steht fest, dass Barack Obamas herausragende politische Karriere vom politischen Anwalt bis zum US-Senator, die ihn schließlich für acht Jahre ins Weiße Haus führte, ohne seine Frau nicht möglich gewesen wäre. Sie schrieb oder redigierte seine Reden, war seine erste Beraterin, aber auch Kritikerin. Manche Beobachter sehen in ihr eine "Schwarze Hillary" (Clinton).
Selbstzweifel begleiten ihr Leben
"Niemand könnte Michelle Obama übersehen, wenn sie einen Raum betritt", fasste es einmal "Welt" zusammen. "Fast 1,80 Meter groß (mit Absätzen auf gleicher Höhe mit ihrem Mann), täglich durchtrainiert (ihre Springseilklassen für die Ballett-Klasse ihrer Tochter sind Legende), breitschultrig, fast herb in ihrer Attraktivität. Ein Zug von Härte und 'Leg dich besser nicht mit mir an' um den Mund, leidenschaftliche Intelligenz in den Augen." Ihre kleinbürgerliche Herkunft habe "sie stolz gemacht und, unter einer Panzerung, warmherzig. Sie glaubt an harte Arbeit, an ihre Familie, an ihren Glauben, an sich. Sie ist eine Frau, die keinen Mann braucht, der eine Frau braucht."
Erst Jahre später nach ihrem Auszug aus dem Weißen Haus schildert sie in ihren Memoiren "Becoming - Meine Geschichte", die 2018 erschienen, sehr persönlich ihren Werdegang. Sie schreibt vom Tod ihres Vaters, von ihrer Fehlgeburt, von der künstlichen Befruchtung (bei beiden Töchtern) und immer wieder von ihren Selbstzweifeln ("Bin ich gut genug?"), die sie als Schülerin, Studentin, Juristin, Erfolgsfrau, Mutter und Politiker-Ehefrau begleiten.
Einfühlsam und humorvoll schildert sie Szenen ihrer Ehe, z.B. wie er nachts wach da liegt, die Decke anstarrt und sie fragt: "Hey, du da drüben, worüber denkst du gerade nach?" Worauf Barack "ein bisschen verlegen" erklärt: "Ach, ich musste nur gerade an unsere Einkommensunterschiede denken."
Michelle schreibt auch von den zehn Jahren, in denen sie ihren Mann "nicht ertragen konnte. Das war genau die Zeit, in der die Kinder klein waren". Und sie verschweigt auch nicht die gemeinsame Ehetherapie und dass sie seinen Wahlkampf um das Weiße Haus nur unter einer Bedingung unterstützte: Er musste sich das Rauchen abgewöhnen.
Ihre Memoiren haben sich über zehn Millionen Mal verkauft
Kritiker lieben den flüssigen, fast literarischen Stil des Buches, das Michelle Obama selbst geschrieben hat. Vor allem die selbstironischen Passagen kommen nicht nur beim Publikum sehr gut an. So schrieb eine Kritikerin der "Zeit": "Neu und unerhört an der Autobiografie der früheren First Lady ist aber die schonungslose Selbstkritik, mit der sie ihr bisheriges Leben überprüft." Das Interesse an dem Werk war so groß, dass die Autorin bei der Lesereise durch die USA in gefüllten Stadien auftrat. Das Buch wurde bislang über zehn Millionen Mal verkauft.
Auch bei diesem Thema gilt: Die Obamas haben geliefert. Nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt hatte das Ehepaar seine Buchrechte an den Verlag Penguin Random House verkauft, für über 65 Millionen Dollar. Auch der erste Teil seiner Memoiren "Ein verheißenes Land" haben sich millionenfach verkauft.
Ihr Buch hat Michelle Obama endgültig zu einer der bekanntesten und beliebtesten Frauen der USA gemacht. Der Verleger und Penguin Random House-Chef Markus Dohle nennt sie sogar "eine der überzeugendsten Frauen" der Gegenwart. Es scheint, dass (nicht nur) in weiten Bevölkerungskreisen der Staaten eine tiefe Sehnsucht nach Menschen, die gleichermaßen klug, empathisch, durchsetzungsfähig und vor allem ehrlich sind, zu spüren ist.
Michelle Obama weiß das, entzieht sich aber weitergehenden politischen Spekulationen. Die Frau, der vor einer möglichen zweiten Präsidentschaft von Donald Trump (77) "graut", lehnt eine Kandidatur für das höchste Amt der USA ab. Jedenfalls bislang.