Mocro-Drogenkrieg in NRW - Mafia-Jäger offenbaren neue Details über Folter-Villa - und machen Lauterbach Vorwurf
Mit einer brutalen Gewaltserie hat die niederländische Mafia Nordrhein-Westfalen in Angst und Schrecken versetzt. Jetzt geben die Ermittler neue Details zur Kölner Folter-Villa bekannt und erheben schwere Vorwürfe gegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Die Einsatzlage schien ernst wie seit Jahren nicht mehr in NRW. Ein Sprengstoffanschlag vor einer Shisha-Bar in der Kölner Keupstraße weckte bei den Bewohnern erneut unliebsame Erinnerungen an das rechtsextremistische Bombenattentat 20 Jahre zuvor in der überwiegend von türkischen Mitbürgern bewohnten Geschäfts- und Restaurantmeile.
In Köln-Buchheim, Engelskirchen und Duisburg wurden ebenfalls Sprengsätze gezündet. Ein Attentäter starb in Solingen durch sein eigenes Schwarzpulver-Laborat. Dahinter steckten Drogenhändler der sogenannten „Mocro-Mafia“ aus den Niederlanden.
Drogenraub: Anschläge waren als Warnungen gedacht
Die Anschläge, so erfuhr FOCUS online aus NRW-Sicherheitskreisen, waren als Warnungen gedacht. Die marokkanischstämmigen Gangster aus Holland waren auf der Suche nach den Dieben, die 300 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth geraubt hatten. Dabei hatten sie sechs Wächter der Kölner Gang überfallen. Die 1,5 Millionen Euro für den Stoff wollten die Drogenlieferanten mit rabiaten Methoden wieder eintreiben.
Durch die Attentate erhöhten sie den Druck auf jene Rauschgift-Gang, die den Stoff verloren hatte. Die Suche nach den Dieben führte zu einer arabischen Großfamilie. Vergangenen Donnerstag wurden ein Mann und seine Cousine aus der Sippe in Bochum gekidnappt. Beide, so stellte sich heraus, stammen ebenfalls aus dem Drogenmilieu.
Folter in einer Villa in Köln
Die Täter transportierten die beiden nach Köln-Rodenkirchen in eine Villa. Im Keller begannen sie mit ihrer Folter. Ein Video, das dieser Redaktion vorliegt, dokumentiert die brutalen Misshandlungen. Am Boden liegt ein nackter Mann, zahlreiche Hämatome übersäen seinen Körper, eine Maske verdeckt sein Gesicht, die Hände sind mit Kabelbindern gefesselt. Immer wieder schlagen die Geiselnehmer auf ihn ein, fragen nach seinen Verwandten, nach den Anführern der Familie, wo sie wohnen, wo sie leben.
Die Einsatzlage verschärfte sich zusehends. Eine Todesdrohung für eine der entführten Personen kursierte. Die Familie der Geiseln erhielt ein Ultimatum: Entweder das Geld oder die Drogen oder einer der beiden Entführten müsse sterben.
Schließlich soll eine Geldübergabe in Köln-Kalk über die Bühne gegangen sein. Denn noch vor dem Ablauf des Ultimatums verschwanden die drei holländischen Auftraggeber der Entführung in ihre Heimat. Dort verloren die Verfolger ihre Spur.
Freitagabend schlug ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei zu, befreite die Geiseln und nahm vier bewaffnete Kidnapper fest. Etliche Pistolen wurden sichergestellt. Ob die zwei Geiseln einer kriminellen Großfamilie angehören, ist noch nicht ganz klar.
„Gewalt, die es so hier in Deutschland noch nicht gegeben hat“
Zu näheren Ermittlungsdetails wollte sich die Polizei nicht äußern. Kölns Chef der Kriminalpolizei, Michael Esser, zur Einsatzlage befragt, sprach von „einer neuen Dimension der Gewalt im Bereich der organisierten Kriminalität, die es so hier in Deutschland meines Wissens noch nicht gegeben hat“.
Es handele sich um einen der komplexesten Einsätze der NRW-Polizei aus den vergangenen Jahren. Bei der Geiselbefreiung sei es zu „extremsten Bedrohungsszenarien“ gekommen, führte der Leitende Kriminaldirektor aus. „Wir mussten sogar annehmen, dass Maschinenpistolen eine Rolle spielten.“ Man habe damit rechnen müssen, dass die Täter die Geiseln umbringen würden. Drei Tatbeteiligte habe man entkommen lassen, um das Leben der Geiseln zu schützen.
Esser beobachtet diese Gewalttaten in dieser Dimension zum ersten Mal. „Das ist auch der Bereich, der uns sehr sensibel werden lässt“, erklärt Esser. „Die Sprengmittel, die hier in Köln eingesetzt worden sind, haben Gott sei Dank zu keinen Verletzungen geführt.“ Das sei aber auch einem glücklichen Zufall zu verdanken gewesen, weil zum Zeitpunkt der Detonation gerade niemand im Hausflur gewesen sei. „In den Niederlanden wird auch keine Rücksicht auf Unbeteiligte genommen, da werden auch Unbeteiligte teilweise lebensgefährlich verletzt oder gar getötet.“
Mocro-Mafia heuert junge Männer aus sozialen Brennpunkten für 500 Euro an
So heuert die Mocro-Mafia junge Männer aus den sozialen Brennpunkten für 500 Euro an, um Sprengstoffattentate durchzuführen. Vermutlich gehörte auch der 17-jährige Niederländer dazu, der am 25. Juni starb, als er vor einer Shisha-Bar einer arabischen Großfamilie einen Sprengsatz zündete.
Nach Ansicht der Ermittler passt das Attentat in die Anschlagsserie der Mocro-Mafia und ihrer geklauten Ware. Denn die Bauart der Sprengkörper in der Keupstraße und in Solingen gleichen sich.
Mit Sorge verfolgen die Experten, dass sich die Mocro-Drogenmafia auch an Rhein und Ruhr auszubreiten scheint. Schon befürchtet man niederländische Verhältnisse, in der selbst das Königshaus durch die marokkanisch stämmigen Drogen-Gangs bedroht und Journalisten wie Peter R. de Vries auf offener Straße erschossen wurden.
„Jetzt haben wir die holländische Mafia auch hier“
Oliver Huth, NRW-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), hat schon lange vor der Entwicklung gewarnt: „Jetzt haben wir die holländische Mafia, die jenseits der Grenze bereits die Demokratie untergräbt, nun auch hier“. Der Experte für Organisierte Kriminalität (OK) im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen warnt zudem davor, dass durch die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) maßgeblich vorangetriebene Liberalisierung des Cannabis-Konsums die Mocro-Mafia auch in NRW und anderen Bundesländern Fuß fassen wird.
„Auf uns kommt dank des Lauterbach-Gesetzes eine riesige Schwemme illegaler Cannabis-Lieferungen vor allem aus Holland zu, denn die Nachfrage explodiert derzeit, also kommen die illegalen marokkanischen Großdealer meist aus Holland ins Spiel – und dann eskaliert wie im Nachbarstaat die Gewaltspirale.“
Denn wer in den Niederlanden den Drogen-Gangster etwas schuldig bleibt, wird unter Druck gesetzt. Ein beliebtes Warnmittel sind Sprengstoffanschläge mittels Schwarzpulver. „Das geschieht in den Niederlanden mehrere hundert Male im Jahr“, weiß der BDK-Chef.
Das Problem werde noch weitaus größer, fürchtet Huth. Seit zehn Jahren sei die Zahl der OK-Ermittler bei der Kripo nicht mehr erhöht worden. „Aber die Herausforderungen durch das Organisierte Verbrechen sind um ein Vielfaches gestiegen.“
Mord gehört zum Geschäft der Mocro-Mafia
Auch Mord gehört zum Geschäft der Mocro-Mafia. „In den Niederlanden sind wir mittlerweile bei 20 bis 30 Liquidationen im Jahr auf offener Straße“, berichtete Robin Hoffmann, Kriminologe an der Uni Maastricht, bereits in einem früheren Interview mit FOCUS online .
Der Aufstieg der Mocro-Barone hängt nach Ansicht des Kriminologen vor allem mit der liberalen Drogenpolitik zusammen. In den 1970er Jahren billigte die niederländische Regierung den Konsum von Haschisch und Marihuana. Coffee-Shops avancierten zum Big Business.
Dann aber geschah Folgendes: Drogenbanden schmuggelten den Stoff aus Marokko und der Türkei im großen Stil in die Niederlande. Dort bauten die Dealer ein gut organisiertes Vertriebsnetz auf. „Das erstreckte sich über ganz Europa“, berichtet Hoffmann. In den Niederlanden führte dies dazu, dass die Coffee-Shops am Tresen die Ware legal verkauften, die illegal durch die Hintertür eingeschleust worden war.
Großzügig schauten die Behörden darüber hinweg. In den 1990er Jahren stiegen die Cannabis-Schmuggler auf härtere Drogen um. Der Koks-Handel versprach weitaus höhere Renditen. Mit den steigenden Gewinnen wuchs auch die Macht der Narco-Banden im Nachbarstaat. Und nun, wie es scheint, auch in Deutschland.