Nawalny-Anwalt schildert grausame Haftbedingungen, Markus Lanz reagiert geschockt
Am 16. Februar teilte das Straflager des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny im hohen Norden Sibiriens mit, dass der 47-Jährige verstorben sei. Bei "Markus Lanz" äußerte sich sein deutscher Anwalt Nikolaos Gazeas zu den grausamen Bedingungen vor Ort.
Kaum ein Tod hat in den vergangenen Monaten für so viel internationalen Wirbel gesorgt wie der des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny. Der 47-Jährige starb Mitte Februar in seiner Haftanstalt in der nördlichen Region Jamalo-Nenez am Polarkreis. Rund um seinen Tod ranken sich bis heute viele Mythen und Spekulationen. Bei "Markus Lanz" erklärte der Jurist Nikolaos Gazeas, der Nawalny Anfang 2021 in Deutschland vertrat, wie schrecklich die Bedingungen vor Ort gewesen sein mussten.
Gazeas offenbarte zunächst: "Die Haftbedingungen waren absolut menschenrechtswidrig und unmenschlich. Die Bedingungen waren vor allem solche, die in meinen Augen ganz sicher kausal seinen Tod herbeigeführt haben." Markus Lanz hakte nach, unter welchen Bedingungen Nawalny am Polarkreis ausharren musste. Der deutsche Jurist erzählte daraufhin von einstündigen Außengängen bei minus 32 Grad, nassen Zellen, Einzelhaft, fehlendem Kontakt zur Außenwelt, fehlendem Sonnenschein sowie "Plörre", die innerhalb von 15 Minuten gegessen werden musste. Lanz reagierte geschockt: "Wahnsinn!"
"Nawalny wollte nicht in der Bedeutungslosigkeit des Exils verschwinden"
Der ZDF-Moderator wollte deshalb wissen, warum sich Nawalny nach dem überlebten Giftanschlag überhaupt wieder dazu entschlossen habe, nach Russland zurückzukehren. Der Jurist antwortete nüchtern: "Alexej Nawalny wollte nicht derjenige sein, der in der Bedeutungslosigkeit des Exils verschwindet. Vor allem wollte er nicht Putin den Gefallen tun, dass er ihn mit dieser Vergiftung und dem versuchten Mord loswird."
Lanz hakte nach: "War ihm klar, was das im Zweifel in letzter Konsequenz bedeuten kann?" Nikolaos Gazeas nickte: "Das war ihm klar." Ihm sei durchaus bewusst gewesen, "dass es für ihn auch den sicheren Tod bedeuten kann". Nawalny sei dennoch "immer ein optimistischer Mensch" gewesen.
Das gab Lanz Anlass zu fragen, ob der Tod Nawalnys kurz vor der Präsidentschaftswahl in Russland eine Rolle spiele. ZDF-Korrespondent Armin Coerper, der aus Moskau zugeschaltet war, sagte vorsichtig: "Das ist ganz schwer einzuschätzen, finde ich." Der Korrespondent ergänzte: "Diese Wahl hat natürlich mit dem, was wir unter Wahlen verstehen, überhaupt nichts zu tun. Es gibt drei Gegenkandidaten, die sind aber vom Kreml aufgestellt." Auch Osteuropa-Expertin Alice Bota tat die Wahlen vor Ort unbeeindruckt als "Schmierentheater" ab.
Atomdrohungen "für das eigene Publikum gedacht kurz vor der Wahl"
In dem Zusammenhang sprach Markus Lanz das jüngste TV-Interview von Wladimir Putin im russischen Staatsfernsehen an. "Er droht wieder mit Atomwaffen", stellte Lanz klar. Osteuropa-Expertin Alice Bota antwortete besorgt: "Das ist eine Drohung, die Wirkung entfaltet - weltweit." Laut Bota sei die Botschaft jedoch vor allem "für das eigene Publikum gedacht kurz vor der Wahl".
Demnach wolle sich Putin als jemand präsentieren, "der der Einzige ist, der Russland vor der Bedrohung des Westens schützen kann". Lanz wies derweil darauf hin, dass die nukleare Drohung in einer Zeit komme, in der in Deutschland über mögliche Taurus-Lieferungen an die Ukraine debattiert werde. "Gibt es da einen Zusammenhang?", fragte der ZDF-Moderator. Russland-Korrespondent Armin Coerper antwortete darauf mit einem klaren "Ja" und sagte warnend: "Putin spielt ein Spiel der Stärke und er akzeptiert nur Stärke. Und er spielt mit seiner Stärke."
Nawalny-Anwalt hat "große Sorge" um deutsche Korrespondenten
Dieses Spiel könne nun auch mit der Reisewarnung des Auswärtigen Amts nach Russland zusammenhängen. Das Ministerium warnte in einer kürzlich herausgegebenen Erklärung unter anderem vor willkürlichen Festnahmen. Dazu sagte Jurist Nikolaos Gazeas deutlich: "Aktuell, Herr Lanz, (...) sehe ich die Situation so, dass es noch nie so gefährlich war in Russland für deutsche Staatsbürger."
Er habe zudem "die große Sorge", dass unter anderem deutsche Journalisten und Korrespondenten die ersten sein könnten, "die man als Faustpfand und als Geiseln nimmt". Dazu sagte ZDF-Korrespondent Armin Coerper: "Ich glaube, es sollte sich halt jeder schon fragen, ob sein Aufenthalt in Russland gerade notwendig ist." Er selbst halte seinen in Zeiten wie diesen für dringend notwendig.