Kommentar: Netanjahus Serie dauert an

Plakate mit dem Wahlsieger: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. (Bild: Getty)
Plakate mit dem Wahlsieger: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. (Bild: Getty)

Israels Ministerpräsident peilt seine fünfte Amtszeit an. Benjamin Netanjahu wird mehr Knesset-Parteien hinter sich vereinen als sein Herausforderer Benny Gantz.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es war ein Krimi mit lange ungewissem Ausgang: Wer wird Israel regieren? Im Zentrum der israelischen Parlamentswahl steht Benjamin Netanjahu, an ihm scheiden sich die Geister. Seine Likud-Partei hat der Ministerpräsident nach sich geschneidert, und die Opposition konzentrierte sich auf ein „Bibi-muss-weg“; am Ende wird dies den aktuellsten Umfragen zufolge nicht gereicht haben. Netanhaus Likud fuhr ein gutes Ergebnis ein und kann einige Parteien aus dem religiösen und rechten Umfeld hinter sich scharen. Das wird für die Mehrheit reichen.

Dem früheren Armeegeneral Benny Gantz bleibt ein Achtungserfolg. Erst vor wenigen Monaten hat er seine Blau&Weiß-Bewegung gegründet, heute steht diese nahezu gleichauf mit dem Likud. Wohl aber fehlen der neuen Partei Bündnispartner in der Knesset, die stark genug sind.

Big Brother Don

Dieser Wahlkampf wurde von Tag zu Tag unappetitlicher. Er trumpisierte sich. Netanjahu sieht im US-Präsidenten eine Blaupause. Selten hat ein Premier so heftig polarisiert und polemisiert wie Netanjahu. Nach mir die Sintflut, das war seine Botschaft der vergangenen Tage, oder in Anlehnung an seinen Spitznamen: Bibi or not to be. Und sein Herausforderer wurde mit zahlreichen Schmutzkampagnen überzogen, mal wurde sein Geisteszustand in Frage gestellt, mal über sein gehacktes Handy gelästert – die Schubladen konnten dem Likud nicht tief genug hängen.

Eine andere Sintflut hat Netanjahu indes womöglich noch vor sich. Die Staatsanwaltschaft will ihn wegen Korruptionsvorwürfen anklagen, Premier hin oder her. Dass die Anschuldigungen im Wahlkampf kaum Auswirkungen hatten, überrascht. Von außen betrachtet wird vielleicht unterschätzt, wie wichtig Israelis Sicherheit ist – und dass dafür andere Misslichkeiten wie Korruption im Zweifel in Kauf genommen werden. Netanjahu steht für eine Sicherheit des Status quo: Gewalt von Palästinensern wird rücksichtslos verfolgt. Politik von Palästinensern ausgelacht. Dass Netanjahu plötzlich eine Art Ariel Sharon wird, der als ehemaliger Likud-Politiker umschwenkte und auf Palästinenser zuging, Gaza räumte – dafür gibt Netanjahu keine Hinweise; er ist wie Trump: Macht treibt ihn an, und das Streben nach Machterhalt.

Die Gesellschaft selbst bleibt gespalten. Die religiösen Parteien haben gut abgeschnitten und können hoffen an der Regierung beteiligt zu werden. Eine Lösung für ein besseres Miteinander mit Palästinensern ist mit diesen Siegerparteien aus dem rechten und religiösen Umfeld nicht in Sicht, da regiert weiterhin Borniertheit.

Auch ein Fest der Demokratie

Aber so haben es die Wähler gewollt. Das Wahlergebnis ist ein lebendiges Zeugnis einer kraftvollen, kreativen und funktionierenden Demokratie. Viele Parteien schafften es ins Parlament, der Wählerwille bildet sich in der Knesset gut ab. Von der historisch großen Arbeitspartei, den israelischen Sozialdemokraten, ist hingegen kaum etwas übriggeblieben. Die palästinensischen Israelis, immerhin 15 Prozent der Bevölkerung, zeigten sich kaum wahlbegeistert, eher desillusioniert ob des Faktes, dass es mit ihrer Diskriminierung nicht nur immer weitergeht, sondern schlimmer wird.

Am Ende aber wird es für alle heißen, ob links oder rechts, säkular oder religiös, jüdisch, christlich oder sunnitisch: Die Regierung, die das Vertrauen erhält, muss liefern. Und Zustimmung kann auch schnell kippen.