Netflix-Serie "Alles Licht, das wir nicht sehen": Ein Radio als einzige Hoffnung im Krieg
Der Roman von Anthony Doerr gewann den Pulitzerpreis, nun adaptiert Netflix "Alles Licht, das wir nicht sehen" als Miniserie. Die internationale Produktion taucht in die Kriegswirren des Zweiten Weltkriegs ein, überrascht aber mit einem durchaus poetischen Blickwinkel.
"Ich hoffe, ihr schaltet auch morgen wieder ein - falls es ein Morgen gibt": Die junge Marie-Laure (Aria Mia Loberti) betreibt ihre Radiosendung in betrüblichen Zeiten. 1944 steuert der Zweite Weltkrieg zwar auf ein Ende zu, doch im französischen St. Malo halten die Nationalsozialisten unter US-amerikanischem Bombenhagel eisern ihre Stellung. Von den zerstörten Häuserzügen und qualmenden Ruinen bekommt Marie-Laure optisch nichts mit, sie ist blind. Doch mit ihrer Stimme, mit der sie regelmäßig über den illegal betriebenen Radiosender Geschichten von Jules Verne und Co. verliest, verbreitet sie in der Netflix-Miniserie "Alles Licht, das wir nicht sehen" (ab 2. November) ein wenig Normalität.
Davon zehrt auch Wehrmachtssoldat Werner ("Dark"-Star Louis Hofmann). Mit der nationalsozialistischen Ideologie hat er nichts am Hut, doch seine genialen Fähigkeiten als Radiobastler wollen sich die Deutschen zunutze machen. An einen Endsieg glaubt auch Nazi-Scherge Reinhold von Rumpel (herrlich böse: Lars Eidinger) nicht mehr, doch die Suche nach dem berühmt-berüchtigten Diamanten "Das Meer der Flammen" führt ihn nach St. Malo - und zu Marie-Laure, deren Vater (Mark Ruffalo) den Edelstein in weiser Voraussicht vor den gierigen Händen der Nazis in Sicherheit brachte.
Romanvorlage zu "Alles Licht, das wir nicht sehen" gewann den Pulitzerpreis
In vier Episoden adaptiert Netflix in "Alles Licht, das wir nicht sehen" den gleichnamigen Roman von Anthony Doerr. 2014 avancierte das Werk in den USA zum Überraschungshit: Die Erstauflage von 60.000 Exemplaren war umgehend vergriffen, es folgten mehr als 200 Wochen in der "New York Times"-Bestseller-Liste und 15 Millionen verkaufte Bücher weltweit. 2015 wurde Doerr für sein Buch mit dem Pulitzerpreis für Belletristik bedacht.
Anders als in Übersee fand "Alles Licht, das wir nicht sehen" hierzulande weniger Anklang, wohl auch, weil Kritiker Doerrs Hang zum Kitsch kritisierten. Entsprechend überrascht es nicht, dass hinter der Netflix-Produktion ein internationales Team um Regisseur Shawn Levy ("The Adam Project", "Free Guy") und Drehbuchautor Steven Knight ("Peaky Blinders - Gangs of Birmingham") die Fäden zieht. Auch die Besetzung ist international, neben Hollywoodstar Mark Ruffalo gibt sich unter anderem "Dr. House"-Star Hugh Laurie die Ehre.
Zwischen Napola-Terror und unbeschwerter Kindheit in Paris
Im Mittelpunkt der vierteiligen Miniserie stehen die gänzlich unterschiedlichen Leben von Werner und Marie-Laure. In Rückblenden taucht das Publikum ins pulsierende Paris ein, wo das blinde Mädchen aufwuchs und schließlich von den Nazis vertrieben wurde. Auf der anderen Seite fiel Werner schon in seiner Kindheit in einem Waisenhaus als technisches Genie auf und durchlief später den psychologischen Terror der Napola. Gemein ist den beiden jungen Erwachsenen die Liebe zum Radio, das in Roman wie Serie zur unerschütterlichen Bastion von Völkerverständigung und Menschlichkeit stilisiert wird.
Das alles mag ein wenig konstruiert wirken, ebenso wie die Kreuzung der Schicksale von Marie-Laure und Werner und die wahre Intention der vermeintlichen Geschichtenerzählerin Marie-Laure. Dazu gerät der eine oder andere Nazi scherenschnittartig böse. Trotzdem wirft die hochwertig produzierte Miniserie "Alles Licht, das wir nicht sehen" einen neuen erzählerischen Blick auf den Zweiten Weltkrieg, für den sich das Einschalten lohnt.