Neue Netflix-Serie "The Witcher": Von Monstern und Menschen

Der Roman- und Computerspielheld Geralt von Riva gibt sich in acht Episoden bei Netflix die Ehre: "The Witcher" kämpft sich in einer durchgeknallten Fantasy-Saga durch eine Welt voller Fabelwesen, in der die Menschen die größten Monster sind.

Geralt von Riva fackelt nicht lange: Der Monsterjäger erledigt seinen Job, stärkt sich mit einem Reh, besäuft sich, hat Sex mit einer mysteriösen Hexe, tötet selbige und presst zwischendrin ein paar Mal "fuck" durch die Zähne. Willkommen bei "The Witcher", der Serienadaption eines extrem erfolgreichen Computerspiels, das wiederum auf einer Reihe von Fantasy-Romanen beruht. Ab 20. Dezember sind die acht etwa einstündigen Folgen der ersten Staffel bei Netflix zu sehen.

"Superman" Heny Cavill spielt den titelgebenden "Witcher" - einen weißhaarigen Hexer mit lohender Mähne, der scheinbar ziellos durch eine von Krieg, Gier, Verbrechen und Fremdenhass geprägte Welt streift. Schmallippig und kampferprobt, besteht sein Leben daraus, Jobs, also Monster, zu erledigen und sich zwischen den Kämpfen an den Brüsten schöner Frauen zu erholen. Alles andere, darunter das Geschwätz seines Begleiters Rittersporn (Joey Batey), interessiert ihn reichlich wenig.

Aber da kein Mann eine Insel ist, muss sich Geralt wohl oder übel den Menschen und ihrer Politik stellen. Das ist gleichbedeutend mit einer Menge Elend. Denn die schlimmsten Monster sind nicht die mit Klauen bewehrten, spitzzähnigen Kreaturen, die er routiniert zur Strecke bringt. Rassismus, Sexismus, Hass, Gewalt und ethnische Säuberungen sind auch in der Fantasy-Parallelwelt genuin menschliche Erfindungen.

"The Witcher" ist ein Füllhorn der Fantasie, so reichhaltig mit Mythen, Menschen und Monstern gesegnet, dass man als Nicht-Leser und Nicht-Spieler zunächst einmal ziemlich verloren ist zwischen all den Figuren mit schwer zu merkenden Namen, die in Gegenden, Städten und Königreichen mit noch viel schwerer zu merkenden Namen leben. Als wäre das nicht genug, wird der Kontinent, wie die komplette "Witcher"-Welt ganz ohne Schnickschnack heißt, bevölkert von jeder Menge Wesen, die aus aller Herren Märchenbücher den Weg hierher gefunden haben: Monster und Mutanten, Formenwandler und Zauberer, Dschinn, Elfen und Dryaden.

Lässiger Ton, knackige Action

In jeder der fünf Folgen, die Netflix vorab zur Verfügung gestellt hat, tauchen neue Fabelwesen und neue Figuren auf, Handlungsstränge verzweigen sich, Zeitebenen werden durcheinander gewirbelt. Es ist zum Verrücktwerden! Man kommt ohne Vorwissen einfach nicht mit. Immerhin wird irgendwann klar, dass Geralt durch ein uraltes Gesetz zum Ziehvater der geheimnisvollen Ciri (Freya Allan) wurde und sich der Zauberin Yennefer (Anya Chalotra) besonders hingezogen fühlt.

Nun sollte eine neue Serie freilich auch funktionieren, ohne zuvor eine Enzyklopädie studiert haben zu müssen. Wäre ja auch blöd, wenn sich Netflix ausschließlich an Leser der Romane und Geschichten des polnischen Fantasy-Autors Andrzej Sapkowski und die darauf basierende enorm erfolgreiche Computerspielreihe richten würde. Manche Zuschauer wollen einfach nur ein gut gemachtes Fantasy-Abenteuer in Episodenform sehen.

Aber, jetzt kommt's: Das können sie auch! Denn es ziemlich egal, ob man "The Witcher" gelesen oder gezockt hat: Die Netflix-Serie ist ein kurzweiliger, unfassbar durchgeknallter Trip in eine faszinierende Fantasy-Welt, gegen die Westeros und Mittelerde so aufregend wie mitteldeutsche Landkreise sind.

Die Mischung aus "Der Herr der Ringe", "Game of Thrones" und "John Wick" nimmt sich nicht allzu ernst, sondern ist mit lässigem Ton, knackiger Action und großen Schauwerten ein Best-of Fantasy, ohne dabei völlig abzuheben. Ziemlich düstere Zeitbezüge holen "The Witcher" immer wieder ins Hier und Jetzt zurück. Und zwar mindestens noch eine zweite Staffel lang, die Netflix bereits bestellt hat.