„Nur ein PR-Schachzug“? Die iranische Sittenpolizei soll abgeschafft werden

Im Iran laufen mehr und mehr Frauen durch die Straßen, ohne den vorgeschriebenen Hijab zu tragen.

Der iranische Generalstaatsanwalt Mohammad Jafar Montazeri hatte am Wochenende überraschend bekannt gegeben, dass die Einheiten der Sittenpolizei geschlossen worden seien. Die Aussagen wurden allerdings nicht von einem Beamten der Regionspolizei bestätigt. Die Sittenpolizei untersteht dem Innenministerium und letztlich dem religiösen Oberhaupt der islamischen Republik Ayatollah Chamenei – und nicht, so wie Montazeri, der Justiz.

Nur ein Ablenkungsmanöver?

"Solange nicht alle gesetzlichen Beschränkungen für die Kleidung von Frauen und die Gesetze, die das Privatleben der Bürger kontrollieren, aufgehoben werden, ist dies nur ein PR-Schachzug", meint Roya Boroumand, Mitbegründerin der in den USA ansässigen Rechtsgruppe Abdorrahman Boroumand Center. Die Abschaffung der Einheiten wäre für die Demonstrierenden, die nun einen völligen Regimewechsel fordern, „wahrscheinlich zu wenig und zu spät“, fügte sie hinzu.

Auch der iranische Journalist Omid Memarian sieht in der Ankündigung Montazeris ein Ablenkungsmanöver: „Die angebliche Aussetzung der iranischen Sittenpolizei bedeutet gar nichts, da sie aufgrund des massiven zivilen Ungehorsams der Frauen und der Missachtung der Hijab-Vorschriften bereits irrelevant geworden ist“. Der leitende Iran-Analyst bei Democracy for the Arab World Now bezeichnete den verpflichtenden Hijab als eine der Säulen der islamischen Republik: „Die Abschaffung dieser Gesetze und Strukturen würde eine grundlegende Veränderung der Identität und der Existenz der Islamischen Republik bedeuten“.

Keine Änderung der Kleidervorschriften

Aktivistinnen und Aktivisten betonen, dass eine Abschaffung der Sittenpolizei keine Änderung der strikten Kleidervorschriften erwirken werde. Die iranische Kopftuchpolitik stellt eine wichtige ideologische Stütze der klerikalen Führung des Landes dar. Es wird daher befürchtet, dass das Innenministerium eher seine Taktik bei der Durchsetzung des Kopftuchs ändern wird.

Die Erklärung Montazeris und die Verwirrung, die seine Äußerungen auslösten, wurden als Zeichen für die Unruhe innerhalb des Regimes über den Umgang mit den Protesten gewertet, die trotz der Niederschlagung im ganzen Land weitergehen.

In den sozialen Medien wurde ab Montag zu einem dreitägigen Streik aufgerufen.

Die Proteste waren vor mehr als zwei Monaten durch den Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini (kurdisch: Jina Amini) nach ihrer Verhaftung durch die Sittenpolizei in Teheran ausgelöst worden. Nach Angaben der in Norwegen ansässigen Gruppe Iran Human Rights wurden bei den Ausschreitungen bereits mehr als 500 Menschen getötet.

Die Patrouillen der Sittenpolizei wurden 2006 während der Präsidentschaft des ultrakonservativen Mahmoud Ahmadinejad eingeführt. Die klerikale Führung hatte die Regeln, einschließlich des Hijabs, aber schon lange vorher streng durchgesetzt.