Oktoberfest-Stimmung im fränkischen Amerika

Zwei Kellner vor dem Bavarian Inn in Frankenmuth. Foto: Dorothea Wagner

Akzent das Lied an, auf das alle warten: «Ein Broooosit, ein Broooosit, da Gemüadlichkeit.» Das weiß-blau gestreifte Festzelt steht nicht auf dem Münchner Oktoberfest, sondern im rund 7000 Kilometer von der bayerischen Landeshauptstadt entfernten Frankenmuth.

Viele Amerikaner kennen die kleine Stadt in Michigan - als «Klein-Bayern», als eine Art bayerischer Freizeitpark voller Lederhosen, Dirndl und anderer schrulliger Traditionen. Jedes Jahr wird in Frankenmuth das Oktoberfest gefeiert - es beginnt fast zeitgleich mit dem Original in München, dauert aber nur vier Tage.

Wenn in Frankenmuth Oktoberfest-Zeit ist, dann strömt auch dort das Bier. Für echte Wiesn-Besucher undenkbar: Der Gerstensaft wird beim Auftritt von Tom und seiner Band aus Plastikbechern getrunken. Auch Bierbänke sind Fehlanzeige - die Gäste sitzen auf Plastikstühlen. Immerhin: Der traditionelle Wiesn-Umzug gehört auch in «Little Bavaria» dazu. Zur jährlichen «Sunday Bavarian Parade» strömen bis zu 100 000 Besucher.

Der heute 5000 Einwohner zählende Ort wurde im Jahr 1845 von 15 Siedlern aus dem mittelfränkischen Neuendettelsau gegründet. «Die Familien kamen im Auftrag der Kirche, sie sollten die Ureinwohner in diesem östlichen Teil Michigans missionieren», erklärt die Stadtverwaltung. Immer mehr Familien kamen nach, immer aus Franken. Mitgebracht haben sie ihre Traditionen, die bis heute überlebt haben.

«Wenn ich Deutsch rede, ist das immer a weng verkehrt», sagt Judy Simmermann mit unüberhörbar fränkischem Akzent. Die 69 Jahre alte Frankenmutherin wurde noch auf Fränkisch erzogen. Bis zur ersten Klasse konnte sie kein Englisch sprechen - und auch kein Hochdeutsch. «Ich habe es dem Lehrer nicht leicht gemacht», sagt sie.

Im Jahr 1996, berichtet eine andere Frankenmutherin, habe man das Münchner Hofbräuhaus als offiziellen Sponsor gewinnen können. Es sei das erste Mal gewesen, dass eine US-Stadt deutsches Bier importiert habe. Das Frankenmuther Oktoberfest sei deswegen das authentischste außerhalb Münchens, behaupten viele Frankenmuther.

Bei der Pressestelle der Münchner Wiesn will man das so nicht unterschreiben. «Es gibt mittlerweile weltweit rund 3000 Oktoberfeste», sagt Sprecherin Gabriele Papke. Das wohl größte nach München finde in Blumenau im Süden Brasiliens statt. Jedes Jahr ergötzen sich dort bis zu 500 000 Oktoberfestfans an deutscher Kultur mit eindeutig brasilianischem Einschlag, sagt Papke. Immerhin könne das Fest in Frankenmuth aber auf eine lange Tradition zurückblicken.

Das gilt auch für das Frankenmuther Bier. Die älteste Brauerei Michigans befindet sich in der Kleinstadt. Markenzeichen ist ein dicker Dackel. Auf die Sorte «Rumpelstilzchen» sind die Inhaber besonders stolz. «Das ist Bier mit Ahornsirup», erzählt Bar-Manager Brandon Cataline und nippt am Radler. «Aber das Bier selbst brauen wir nach dem bayerischen Reinheitsgebot», beteuert er. Dass schon früher gut und gerne Bier in Frankenmuth getrunken wurde, beweisen die Familiennamen der Bewohner: Heute zählen «Schluckbier» und «Bierlein» mit zu den häufigsten Nachnamen in der Stadt.

Frankenmuth