Oldtimer mit Kult-Status: 50 Jahre Ford Granada
Köln (dpa/tmn) - In weniger als vier Stunden mit der Concorde nach New York und im Urlaub mal eben bis an die Südspitze Spaniens: Die Welt wurde kleiner in den 1970er Jahren. Und die Autoindustrie leistete dazu ihren Beitrag. So sprach Ford auf dem Genfer Autosalon im Frühjahr 1972 denn auch von «umwälzenden Veränderungen, die in den letzten Jahren im Reiseverkehr in Europa» stattgefunden hätten.
«Eine Fahrt, die früher mal ein wochenlanges Abenteuer für Unerschrockene war, ist plötzlich ein unproblematischer Zweitages-Trip», konstatierten die Manager. Dabei wurde praktischerweise gleich das passende Auto enthüllt, das solche Reisen ermöglichen sollte: Bühne frei und Vorhang auf für den neuen Granada.
Das neue Modell wurde mit einem gewaltigen Budget von 500 Millionen D-Mark im Doppel mit dem Consul entwickelt. Dieser war technisch identisch, aber etwas weniger prestigeträchtig positioniert - und am Ende eher erfolglos. So löste vor 50 Jahren der Granada die Familie 17 M, 20 M und 26 M ab.
Reiselimousine für auch gehobene Ansprüche
Er wollte all jene Autofahrer ansprechen, «die im Urlaub und auf Geschäftsreisen regelmäßig größere Entfernungen zurücklegen» und deshalb Autos verlangen, «die komfortabel, nicht ermüdend und gut ausgestattet sind und mit denen man mühelos 1000 Kilometer an einem Tag zurücklegen kann», sprach die PR von Ford seinerzeit.
Diesen Anspruch hatte Ford so gründlich umgesetzt, dass der Granada nicht in Fahrberichten nach der Premiere nicht mit Opel und Co verglichen wurde, sondern mit Mercedes und BMW. Und zumindest beim Geräuschkomfort hatte sich Ford selbst ohne falsche Bescheidenheit mit Rolls-Royce verglichen.
Sechs-Appeal aus Köln
Was den Granada aber wirklich zum Aufsteiger adelte, waren seine Sechszylinder. Zwar gab es das Flaggschiff von Ford auch mit nüchternen Vierzylindern und die Modellpalette hat damals mit 1,7 Litern Hubraum und 48 kW/65 PS begonnen.
«Doch wer Granada sagt, der meint eigentlich den 3.0 mit seinem 110 kW/150 PS starken V6», sagt Frank Wilke vom Marktbeobachter Classic Analytics. «Mit bis zu 184 km/h hat der den Granada vollends in eine andere Liga katapultiert.»
Außer beim Preis natürlich. Denn der begann bei 11 995 D-Mark. Damit lag er zwischen 25 und 50 Prozent unter der noblen Konkurrenz, was den großen Ford zur Wahl der Vernunft machte. «Wer Granada fährt, hat es zu etwas im Leben gebracht. Er beweist außerdem, dass die Relation zwischen Kaufpreis und Gegenwert eine Überlegung wert war», schrieben ihm die Tester damals ins Stammbuch.
Diese Rechnung ging offenbar auf: Schon im ersten Jahr verkaufte Ford über 100.000 Consul und Granada. Bis zum Generationswechsel nach fünf Jahren waren es über 700.000 Exemplare. Und als 1985 der Scorpio an seine Stelle trat, standen mehr als 1,6 Millionen Auslieferungen in den Büchern, sagt Ford-Sprecher Hartwig Petersen.
Butterweiche Sitze und ein patentes Fahrwerk
Viel von der Noblesse ist auch heute noch spürbar: Das Format stattlich, aber die Formen weniger barock als bei der amerikanischen Konzernmutter: So empfängt einen der knapp 4,60 Meter lange Granada mit einer inneren Größe, die heute allenfalls noch Luxuslimousinen bieten. Dazu gibt es butterweiche Sitze, die trotzdem genügend Führungsstärke zeigen. Ein schmuckes Ambiente aus Cord und Kunstleder lässt sich obendrein genießen.
Das Fahrwerk lässt sich durch nichts und niemandem aus der Ruhe bringen lässt - selbst wenn der Asphalt genauso alt sein sollte wie der Testwagen. Und weil der Sechszylinder ja irgendwie im Zaum gehalten werden musste, sind auch die Bremsen entsprechend dimensioniert und rechtfertigen so bis heute das Vertrauen, das einem dieser Ford vermittelt.
Viel Platz - und dann noch mehr
Angeboten wurde der Granada allerdings nicht nur als Limousine und schnittiges Fastback-Coupé, sondern auch als Kombi. Dergestalt brachte er damit lange vor Mercedes, BMW und natürlich insbesondere Audi ein wenig Überfluss an die Laderaum. «Denn mit seinem riesigen Platzangebot und dem damals bei Kombis konkurrenzlosen Sechszylinder war der Granada Turnier der erste luxuriöse Livestyle-Laster», sagt Wilke und stempelt ihn so zum Vorreiter all der potenten Praktiker aus dem deutschen Süden, die heute zu den Lieblingsautos der Außendienstler zählen.
Für Fahnder, Profis und Haudegen aus dem Pott
Von diesem üppigen Platzangebot zehrte der Granada auch bei seiner zweiten Karriere als Gebrauchtwagen. Erste Wahl war er zunächst für alle, die viel Platz für Familie und Gepäck und Transportgut suchten und beim großen Ford auch fanden. Später im zweiten Leben bot sich der Kölner Krösus zudem auch als coole Karre für alle an, die es nicht ganz so eng sahen mit den Konventionen, so zeigte er sich mal als Winterauto der Harley-Fahrer und gab den Star bei Studenten.
Das Kult-Potenzial des Granadas haben auch Film und Fernsehen erkannt. So war er Anfang der 1980er Jahre in der sehr populären ARD-Vorabendserie «Der Fahnder» zu sehen. Und selbst der bis dato unkonventionellste «Tatort»-Kommissar Horst Schimanski jagte im großen Kölner durch Duisburg bevor er auf Citroën CX setzte. In der Kinokomödie «Der Schnüffler» fuhr Dieter Hallervorden ebenso im Granada vor. Auch in der britischen Fernsehserie «Die Profis» war er neben anderen Modellen wie dem Capri zu sehen.
Auch als Liebhaberfahrzeug bleibt der Granada in Reichweite
Erst die ungewöhnliche Positionierung als Neuwagen, dann gebrauchter Liebling bei den Platzhungrigen und der Kult-Status - heute zählt Wilke den Granada zu den mit Abstand populärsten Oldtimern aus Köln.
«Außer Capri und Escort kommt da nicht mehr viel dran», sagt er. Und trotz dieses Ruhms bleibt er beim Preis seinem Ruf treu. Auch als Klassiker ist er ein Luxus, den man sich leisten kann, sagt Wilke: «Selbst ein V6-Modell aus den ersten Jahren ist heute in gutem Zustand noch für rund 10.000 Euro zu haben.»