Orkantief über Westeuropa: Überflutung und Sturmböen drohen

Das von schweren Stürmen begleitete Orkantief "Ciaràn" hat den Nordwesten Frankreichs getroffen.

Schwere Stürme ziehen in der Nacht über Frankreich und Südengland. (Bild: Philippe Lopez/AFP/dpa)
Schwere Stürme ziehen in der Nacht über Frankreich und Südengland. (Bild: Philippe Lopez/AFP/dpa)

Umgestürzte Bäume blockierten Straßen und Bahnstrecken. Hunderte Feuerwehrleute waren im Einsatz. Aus Vorsorge evakuierten einzelne Orte Bereiche unmittelbar an der Küste. Vor dem Departement Finistère wurde eine 21 Meter hohe Sturmwelle gemessen.

1,2 Millionen Haushalte in Frankreich sind wegen ohne Strom. Techniker seien damit beschäftigt, die Versorgung wieder herzustellen, teilte Energiewendeministerin Agnès Pannier-Runacher mit. 780.000 der betroffenen Haushalte befinden sich in der Bretagne, wie der Stromversorger Enedis mitteilte. 3000 Techniker seien im Einsatz.

(deutsch: Sturm Ciaran geht weiter. Derzeit kommt es in 1,2 Millionen Haushalten zu Stromausfällen. Vielen Dank an die Teams @enedis und @rte_france und an alle, die an Deck sind, um die Stromversorgung wiederherzustellen. Ich werde heute Nachmittag bei ihnen sein.)

Erstes Todesopfer

Unterdessen wurde ein erstes Todesopfer durch den Sturm in Frankreich bekannt: Ein Lastwagenfahrer kam in der Nacht ums Leben, als sein Fahrzeug von einem umstürzenden Baum getroffen wurde, wie Transportminister Clément Beaune dem Sender France Info sagte. Obwohl das Unwetter sich in Teilen des Landes bereits abschwäche, sollten die Menschen vorsichtig sein und Fahrverbote in den Regionen beachten, erklärte er. Mindestens zwei Menschen - ein Feuerwehrmann und ein Autofahrer, dessen Wagen ebenfalls von einem Baum getroffen wurde - wurden leicht verletzt.

An der Atlantikküste, der Nordküste sowie der östlichen Mittelmeerküste gilt bis zum Abend Überschwemmungsgefahr durch Sturmwellen. Die Behörden warnen eindringlich vor dem Unwetter. Gemeinden hatten noch am Mittwoch Dämme verstärkt und zusätzliche Barrikaden nahe der Küste errichtet.

Auch heute drohen heftige Böen und Starkregen. (Bild: Philippe Lopez/AFP/dpa)
Auch heute drohen heftige Böen und Starkregen. (Bild: Philippe Lopez/AFP/dpa)

Orkantief trifft auf Südwestengland und Kanalinseln

Das Orkantief, das in Großbritannien "Emir" heißt, traf in der Nacht zum Donnerstag auch auf den Südwesten Englands und die Kanalinseln. Auf der Insel Jersey wurden der Polizei zufolge Windgeschwindigkeiten von bis zu 164 Stundenkilometer gemessen. "Bitte bleiben sie drinnen. Es ist sehr gefährlich da draußen", so eine Mitteilung der Jersey Police. Etwa 40 Menschen seien wegen Sturmschäden über Nacht aus ihren Häusern evakuiert worden, teilte die Polizei mit. Medien berichteten von abgedeckten Dächern und umgestürzten Bäumen. Der Flugverkehr von und nach Jersey wurde einem Bericht der BBC zufolge eingestellt. Schulen blieben geschlossen.

Auch an der Südküste Englands gibt es starke Einschränkungen durch den Sturm. Hunderte Schulen in den Grafschaften Cornwall und Devon blieben geschlossen. Berichten zufolge waren 6000 Haushalte in Devon ohne Strom. Erwartet wurde, dass das Orkantief im Laufe des Tages weitere Schäden entlang englischen Südostküste anrichten wird. Mehrere Bahnbetreiber im Großraum London riefen die Menschen auf, nur wirklich notwendige Reisen anzutreten.

(deutsch: Der Wind hat in der letzten halben Stunde eine Höchstgeschwindigkeit von 102 Meilen pro Stunde erreicht und in der nächsten Stunde werden in der St. Ouen's Bay Wellen von bis zu 9 m erwartet. Bitte bleiben Sie drinnen. Es ist sehr gefährlich da draußen.)

Verkehr eingeschränkt

In Frankreich wurde der Zugverkehr in den Regionen Bretagne, Normandie, Pays de Loire, Hauts de France und Centre Val de Loire für Donnerstag weitgehend eingestellt. In drei besonders stark betroffenen Départements rief Verkehrsminister Beaune dazu auf, das Auto nicht zu benutzen. Auch Lastwagen durften zunächst nicht fahren. Teils sollen herabgesenkte Maximalgeschwindigkeiten im Straßenverkehr gelten. Gemeinden hatten noch am Mittwoch Dämme verstärkt und zusätzliche Barrikaden nahe der Küste errichtet.

Am Flughafen Nantes konnten Flüge wegen der Wetterlage nicht landen und wurden Richtung Süden nach Toulouse umgeleitet.

Tief dürfte heute Niederlande und Belgien erreichen

Auch andere Länder dürften das Tief am Donnerstag zu spüren bekommen. In großen Teilen der Niederlande wurde vor dem Sturm gewarnt. Das Meteorologische Institut rechnet für den Donnerstag vor allem an den Küsten mit Böen von bis zu 110 Kilometer pro Stunde. Der Automobilclub ANWB appellierte an die Menschen, am Donnerstag möglichst zu Hause zu arbeiten. Wegen des starken Windes und schwerer Regenfälle würden extrem lange Staus erwartet.

In der Nacht zum Donnerstag hat das Tief bereits Belgien erreicht und sorgt dort für Verkehrseinschränkungen und Feuerwehreinsätze. Am Hafen in der Stadt Gent konnten Schiffe seit Mitternacht nicht mehr ein- oder ausfahren, etwa zehn Schiffe waren zunächst betroffen. Einzelne Flüge von und nach Antwerpen wurden nach Brüssel umgeleitet. Wenn der Wind nicht nachlasse, könnten auch am Freitag noch Flüge umgeleitet werden, hieß es. Am Flughafen der Hauptstadt wurde am Donnerstag aufgrund des Sturms nur eine Start- und Landebahn genutzt, was zu Verspätungen führte.

Aufgrund umgestürzter Bäume oder beeinträchtigter Stromleitungen musste die Feuerwehr in verschiedenen Regionen des Landes zu zahlreichen Einsätzen ausrücken. Laut Polizei und Feuerwehr wurden etwa Teile eines Dachs, zwei Autos und Zelte weggeweht, auch ein Trampolin. Der Bahnverkehr war ebenfalls stark beeinträchtigt, mit geänderten Routen und gestrichenen Zugverbindungen. Sturmschäden führten zu Unterbrechungen auf verschiedenen Bahnstrecken.

Das Königliche Meteorologische Institut (KMI) warnte vor starken Windböen, die im Westen des Landes Geschwindigkeiten von bis zu 110 km/h erreichen könnten. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, vorsichtig zu sein und sich über aktuelle Informationen auf dem Laufenden zu halten.

Deutschland soll von dem Tief auch etwas zu spüren bekommen, aber nur sehr abgeschwächt. Der Deutsche Wetterdienst gab am frühen Morgen eine Sturm- und Unwetterwarnung für die deutsche Nord- und Ostseeküste heraus. Bis zum Mittag werden demnach Sturmböen von bis zu 90 Kilometern pro Stunde erwartet.

An der Nordsee seien inbesondere Ostfriesland und Helgoland betroffen. An der Ostsee soll es mehrheitlich bei Starkwind bleiben, aber von Flensburg bis Fehmarn und auf Rügen sei mit stärkeren Windböen zu rechnen. Begleitet wird der Starkwind von dichter Bewölkung und Regenschauern bei Temperaturen zwischen 11 und 14 Grad. Zum Wochenende hin soll der Wind leicht abnehmen, es bleibt aber größtenteils stürmisch und regnerisch.

Im Video: Unwetter in England - Teile Nordirlands überflutet – Sturm "Ciaran" im Anmarsch