Paar für Mord an Vierjährigem verurteilt
Hannover (dpa) - Sie haben den vierjährigen Fabian mit einem Gürtel, Ladekabel und einem Fleischklopfer geschlagen, ihm Nahrung und Trinken verweigert und ohne Kleidung über Nacht in eine winzige Abstellkammer gesperrt: Von Ende Mai 2022 an wurden die Misshandlungen des Kleinkindes immer brutaler. In der Nacht zum 13. Januar 2023 starb Fabian nach mehreren Gewaltexzessen durch Verbluten und Ersticken in der Wohnung seines Stiefvaters in Barsinghausen.
Das Landgericht Hannover hat den 34-Jährigen und die 29 Jahre alte Mutter des Jungen am Montag wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Damit wäre eine Freilassung aus dem Gefängnis nach 15 Jahren unwahrscheinlich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Grausamkeit und niedrige Beweggründe
«Sie wollten ihm erhebliche Schmerzen zufügen», sagt die Vorsitzende Richterin Imke Simon zu den Misshandlungen von Fabian. Die Mutter und ihr neuer Partner hätten mitleidlos und egozentrisch agiert. Als Mordmerkmale stellte das Gericht Grausamkeit und niedrige Beweggründe fest. Motiv für die massiven Misshandlungen war demnach, dass der Vierjährige das Paar in seiner Liebesbeziehung störte und «Probleme» bereitete, etwa wenn er eingesperrt in die Hose machte.
Die Polin hatte den 34-jährigen Deutsch-Polen über TikTok kennengelernt und war Ende Mai 2022 mit ihrem kleinen Sohn und ihrer sechsjährigen Tochter nach Deutschland gezogen. Die Kinder sollten den neuen Mann Papa nennen, beiden schwebte eine Patchwork-Familie vor - er hat drei Söhne aus früheren Ehen. Auch in diesen Familien soll er Gewalt ausgeübt haben. Ein gemeinsames Kind mit der neuen Frau war geplant.
Allerdings begannen sofort die Misshandlungen, bei denen auch die Mutter einen aktiven Part übernahm, wie die Richterin ausführte. Im Oktober habe sich das «Martyrium» intensiviert, sagt Simon. Auch Fabians ältere Schwester musste stundenlang mit erhobenen Armen auf dem harten Laminatboden in der Wohnung knien, wurde in die Abstellkammer gesperrt und bekam kein Essen und Trinken.
«Protokolle des Grauens»
Das Mädchen war in dem im Juni gestarteten Prozess per Videovernehmung als Zeugin gehört worden - ebenso wie ein Sohn aus einer früheren Ehe des 34-Jährigen. Die Gewalttaten konnten vor allem aber teils minuziös rekonstruiert werden, weil sich das Paar darüber per WhatsApp ausgetauscht hatte.
Der Verteidiger der 29-Jährigen, Matthias Waldraff, sprach von «Protokollen des Grauens», die 700 bis 800 Seiten lang seien. «Man hat sich gegenseitig bestärkt», sagte die Vorsitzende Richterin. Das Paar habe das Handy genutzt, um «Misshandlungen abzustimmen und zu koordinieren und durch das Senden von Lichtbildern zu überwachen». Fabian wurde bald nur noch mit vulgären Schimpfworten bezeichnet. «Herabwürdigende Äußerungen häufen sich, das Kind wird entmenschlicht», beschreibt Simon die Situation im Juli 2022.
Einige Zuhörerinnen und Zuhörer im Gerichtssaal reiben sich die Augen, ihre Gesichter spiegeln Erschütterung und Fassungslosigkeit wider. Der bullige Angeklagte sieht zunächst lediglich etwas ängstlich aus, die sorgfältig geschminkte Angeklagte knetet nervös ihre Hände. Die mehr als einstündige Urteilsbegründung verfolgen beide mit gesenktem Kopf, nach dem Ende der Verhandlung sprechen sie äußerlich ungerührt mit ihren Verteidigern.
Das Paar hatte im Verlauf des Prozesses die Vorwürfe weitestgehend eingeräumt, sich aber gegenseitig die Hauptschuld zugeschoben. Wer von den beiden Fabian Ende Dezember 2022 einen Schneidezahn ausschlug und einen Unterkieferbruch zufügte, bleibt ungeklärt. «Es ist davon auszugehen, dass Fabian in den Tagen vor seinem Tod täglich knien musste», sagt Simon. Das unterernährte Kind musste dabei nackt sein, damit es auch friert. Vom 10. Januar an sei Fabians Bewusstsein infolge eines Schädel-Hirn-Traumas getrübt gewesen.
Von den letzten Tagen vor seinem Tod gibt es keine detaillierten Chat-Protokolle - laut der Richterin, weil das entkräftete Kind nicht mehr «störte», indem es weinte oder nach Essen rief. Weil kein Arzt gerufen worden sei, sei der Junge langsam und mit erheblichen Schmerzen gestorben. Der Staatsanwaltschaft zufolge war der Vierjährige «zum Sterben» auf das Schlafsofa im Zimmer seiner sechsjährigen Schwester getragen worden.
Erst am nächsten Tag rief der 34-Jährige den Rettungsdienst, die Mutter startete Wiederbelebungsversuche. Das Paar behauptete, der Junge habe sich bei einem Treppensturz verletzt. Die Rechtsmediziner fanden bei der Untersuchung der Leiche jedoch eine Vielzahl von Verletzungen - unter anderem solche, die von dem Fleischklopfer stammten, zwei Schnittwunden sowie eine Brandwunde am Sprunggelenk. Die Richterin zitiert aus dem Gutachten der Rechtsmedizinerin: «Fabian hatte mehr verletzte als heile Stellen am Körper.»