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Peter Kloeppel im Interview: "Wir Deutsche werden einerseits respektiert - aber auch ein bisschen belächelt"

Peter Kloeppel, 64, ist einer der erfahrensten TV-Journalisten Deutschlands. Nun widmet sich der RTL-Anchorman einem Lieblings-Reizthemen des Landes: der Deutschen Bahn. (Bild:  RTL / Guido Engels)
Peter Kloeppel, 64, ist einer der erfahrensten TV-Journalisten Deutschlands. Nun widmet sich der RTL-Anchorman einem Lieblings-Reizthemen des Landes: der Deutschen Bahn. (Bild: RTL / Guido Engels)

Anchorman Peter Kloeppel widmet sich in einer großen RTL-Primetime-Reportage der Deutschen Bahn. Ist das 200.000-Mitarbeiter-Unternehmen wirklich so schlecht wie sein Ruf? Und warum leiden wir Deutsche besonders darunter, wenn es in Sachen Logistik und Pünktlichkeit nicht läuft?

In Deutschland ist der DB-Konzern mit rund 211.000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber. Gleichzeitig aber auch eines der umstrittensten Unternehmen des Landes, denn Verspätungen und anderes Chaos sind gerade den Deutschen offenbar ein Dorn im Auge. Peter Kloeppel, RTL-Urgestein und einer der erfahrensten Politikjournalisten des Landes, fühlt in der 90 Minuten-Reportage "DURCHLEUCHTET: Das Chaos bei unserer Bahn" (Donnerstag, 8. Juni, 20.15 Uhr, RTL) den komplexen Problemen des Unternehmens - und damit auch den Deutschen - auf den Zahn.

teleschau: Über das Wetter und die Deutsche Bahn schimpft jeder gerne. Ist das Klagen über die Bahn auch ein Mythos oder Stellvertreter für andere Dinge, die in unserem Leben nicht laufen?

Peter Kloeppel: Ein Mythos eher nicht, aber das Klagen über die Deutsche Bahn ist durchaus ein Volkssport geworden. Wir Deutschen sind - und das ist ja keine schlechte Eigenschaft - Fanatiker in Sachen Genauigkeit und Pünktlichkeit. Deshalb ist uns das Versagen der Bahn ein Dorn im Auge. Es ist ja klar: Wenn es bei der Bahn nicht läuft, schlägt sich das fast immer in der Pünktlichkeit der Züge nieder. Aber unsere Tage, unser Leben - alles ist stark durchgetaktet. Da wirft einem die Unpünktlichkeit der Bahn schon größere Steine in den Weg, weil wir Termine nicht schaffen oder zu Verabredungen zu spät kommen. Deshalb ist es auch so ein großes Thema für die meisten von uns.

teleschau: Ist die Bahn denn wirklich so unpünktlich wie ihr Ruf?

Kloeppel: Gerade im Fernverkehr haben wir in der Tat ziemliche Probleme. Da lagen wir im vergangenen Jahr bei gerade mal 65 Prozent Pünktlichkeit. Das heißt, ein Drittel der Züge war sechs Minuten oder mehr verspätet. Und wenn es Verspätungen gibt, dann fallen die mit 20, 30, oder mehr als 60 Minuten gerne mal heftig aus. Und die Anschlusszüge werden dann selten erreicht. Ein Mythos sind die Probleme der Bahn also tatsächlich nicht. Es gibt handfeste Probleme, die uns leider noch eine Weile begleiten werden.

In einem monothematischen Reportage-Magazin widmet sich RTL-Urgestein Peter Kloeppel über 90 Minuten vertiefend einem gesellschaftlichen Thema. Es geht um das ewige Spott- und Sorgenkind, die Deutsche Bahn. Sind die Probleme des Schienen-Giganten einfach nicht in den Griff zu kriegen? Und wenn ja - warum ist das so?

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In einem monothematischen Reportage-Magazin widmet sich RTL-Urgestein Peter Kloeppel über 90 Minuten vertiefend einem gesellschaftlichen Thema. Es geht um das ewige Spott- und Sorgenkind, die Deutsche Bahn. Sind die Probleme des Schienen-Giganten einfach nicht in den Griff zu kriegen? Und wenn ja - warum ist das so? (Bild: )

Weichen ausgebaut, um Geld zu sparen

teleschau: Wenn man über die Deutsche Bahn spricht, werden gern Vergleiche mit Ländern wie Japan oder der Schweiz bemüht - wo Züge gern mal auf die Sekunde pünktlich kommen. Wie ist es möglich, dass wir im Vergleich so schlecht dastehen?

Kloeppel: Dafür gibt es viele Gründe. Unter anderem ist das deutsche Bahnnetz trotz vieler Streckenstilllegungen dichter und komplexer als das der meisten vergleichbaren Länder. Bei uns teilen sich Schnellzüge wie ICEs sehr oft das Schienennetz mit Güterzügen, Regionalzügen und anderem Nahverkehr. In Ländern wie Japan dagegen hat der berühmte Shinkansen-Schnellzug sein eigenes Schienennetz. Und wenn Sie nach Frankreich, Spanien oder Italien schauen, sind dort insgesamt viel weniger Züge unterwegs. Unser System ist auch deshalb anfällig, weil es viel mehr leisten muss als der Schienenverkehr im Ausland. Insofern sind die Vergleiche nicht immer fair.

teleschau: In der Schweiz teilen sich ebenfalls Nah- und Fernverkehr die Gleise. Aber auch dort ist man sehr viel pünktlicher ...

Kloeppel: Dass es in der Schweiz so gut läuft, war ein Prozess von mehreren Jahrzehnten. Da hat man sehr viel Geld in die Hand genommen, um das System komplett neu zu durchdenken. Jedes Verkehrsmittel ist in der Schweiz aufeinanderabgestimmt, so dass jeder Anschluss passt und wenig schiefgehen kann. Und man hat Höchstgeschwindigkeiten zugunsten von Genauigkeit und Pünktlichkeit geopfert. Vor allem aber wird weiterhin sehr viel Geld in das System investiert, während in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten vor allem beim Netz teilweise massiv gespart wurde.

teleschau: Also investieren wir nicht genug in die Bahn?

Kloeppel: Bisher war das so. Nur ein Beispiel: Die Schweizer haben zum Teil Ersatzzüge samt Personal in der Reserve, falls es zu größeren Verspätungen eines erwarteten Zuges kommt. So etwas muss man sich natürlich leisten wollen. In Deutschland sparte man hingegen über Jahre und Jahrzehnte. Das Ziel war, den Gewinn des Unternehmens Bahn zu erhöhen. So hat man zum Beispiel Weichen ausgebaut, weil sie in Pflege und Betrieb sehr kostenintensiv sind. Das Signalsystem ist in Teilen veraltet. Mit dem Nachteil, dass die Streckennutzung unflexibler und fehleranfälliger wird. Auch personell ist die Deutsche Bahn auf Kante genäht. Momentan wird jedoch wieder mehr Geld in die Hand genommen. Es dürfte aber noch eine ganze Weile dauern, bis wir das auch merken werden.

Kriegen wir Deutschen es einfach nicht hin? Peter Kloeppel (links) befragt Richard Lutz, Chef der Deutschen Bahn. (Bild: )
Kriegen wir Deutschen es einfach nicht hin? Peter Kloeppel (links) befragt Richard Lutz, Chef der Deutschen Bahn. (Bild: )

"Da wird es Bürgerbegehren geben, es werden alle möglichen Gegner auf den Plan treten"

teleschau: Wo fließen die Investitionen der Deutschen Bahn hin?

Kloeppel: Vor allem in Personal und Streckensanierung. Gerade an Letzteres gehen die Bahner jetzt mit Hochdruck ran. Früher hat man Reparaturen auf maroden Strecken teilweise schlecht geplant und nur häppchenweise erledigt. Da wurden im Januar die Gleise erneuert, im Sommer die Weichen und im nächsten Frühjahr die Signalwege. Mit dem Ergebnis, dass die Strecke mit kurzen Unterbrechungen für ein oder zwei Jahre nicht richtig funktioniert hat. Die neue Politik ist, dass man Strecken in kompakter Zeit komplett erneuert - was natürlich teurer ist. Und, Achtung: Es führt dazu, dass die Züge während der Reparaturzeit auf andere Strecken ausweichen müssen - Verspätungen sind garantiert.

teleschau: Nach Ihrer großen Recherche - glauben Sie, dass die Deutsche Bahn bald sehr viel besser "performen" wird?

Kloeppel: Ich glaube, dass es noch etliche Jahre dauern wird, bis wir die Verbesserungen alle spüren. Dazu muss zu viel auf- und nachgeholt werden. Das Problem ist auch, dass wir gleichzeitig den Schienenverkehr aus Gründen des Klimaschutzes deutlich ausbauen wollen. Es sollen - so das Ziel der Politik - mehr Güter auf die Schiene und mehr Passagiere in die Züge. Dafür brauchen wir mehr Züge, eine schnellere Taktung und eine sicherere Infrastruktur. Ich habe die Sorge, dass wir mit unseren Plänen für die "Verkehrswende" die Bahn ein Stück weit überfordern.

teleschau: Was müsste passieren, damit sich die Erfolgsaussichten für eine Verkehrswende verbessern?

Kloeppel: Unter anderem müssten wir mehr Gleise verlegen, die Digitalisierung vorantreiben, neue Strecken bauen, vielleicht auch Strecken für Güter- und Personenverkehr trennen. Das ist aber nicht nur kostenintensiv, sondern in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland sehr schwer umzusetzen. Versuchen Sie doch mal, neue Bahnstrecken zu bauen. Ich weiß gar nicht, wie viele tausend Planfeststellungsverfahren angestrengt werden müssen, um eine neue Strecke rein rechtlich durchzubekommen. Da wird es Bürgerbegehren geben, es werden alle möglichen Gegner auf den Plan treten. Infrastruktur-Ausbau in Deutschland ist eine schwierige Angelegenheit.

Es gibt viel zu tun bei der Deutschen Bahn, sagt Peter Kloeppel. Allerdings wisse das auch das Unternehmen selbst. (Bild: RTL / Stefan Gregorowius)
Es gibt viel zu tun bei der Deutschen Bahn, sagt Peter Kloeppel. Allerdings wisse das auch das Unternehmen selbst. (Bild: RTL / Stefan Gregorowius)

"Es ist doch offensichtlich, wie sehr wir uns bisweilen selber im Wege stehen"

teleschau: Früher sagte man: "Nimm doch lieber die Bahn", wenn das Wetter schwierig wurde. Zum Beispiel bei Eis und Schnee. Heute scheint es so, dass die Bahn als erstes Verkehrsmittel schlapp macht, wenn das Wetter Kapriolen schlägt. Warum ist das so?

Kloeppel: Auch das hat mit fehlenden Investitionen in Strecken und Technik zu tun. Allerdings spielt auch der Klimawandel eine Rolle. Klimaanlagen in einem ICE müssen eine Menge leisten, das sind hochkomplexe Systeme. Sie sind nicht unbedingt ausgelegt auf Spitzentemperaturen, wie wir sie jetzt im Hochsommer immer öfter beobachten. Dazu kommt, dass wir viel häufiger Stürme erleben, bei denen Windbruch die Strecken lahmlegt, und die Bahn dann aus Sicherheitsgründen vorsorglich den Verkehr in betroffenen Bereichen ganz einstellt. Schnee ist weniger das Problem, da sind die Züge sogar robuster geworden. Allerdings ist es auch nicht mehr so kalt wie früher...

teleschau: Sie führen am Ende Ihrer Reportage ein Interview mit Bahnchef Richard Lutz. Die satten Gehaltserhöhungen und Bonus-Zahlungen der Bahn-Vorstände waren zuletzt in der Kritik. Hatten Sie den Eindruck, der Mann ist der richtige?

Kloeppel: Richard Lutz ist "Bahner" durch und durch. Er kommt aus einer Familie mit Bahn-Tradition, ist selbst seit 30 Jahren im Unternehmen und hat sich dort hochgearbeitet. Man merkt, dass es ihn emotional nicht kaltlässt, wie die Deutsche Bahn dasteht. Natürlich sieht er die Defizite, die vorhanden sind, denn er war ja auch mitverantwortlich für den Kurs des Unternehmens in den vergangenen 15 Jahren. Er ist kein Schönfärber. Lutz weiß auch, dass eine Mammut-Aufgabe vor ihm und seinen mehr als 200.000 Mitarbeitern in Deutschland liegt. Was interessant ist: Die meisten Eisenbahner sind trotz aller Probleme und der öffentlichen Kritik sehr stolz auf ihren Arbeitgeber und ihren Arbeitsplatz. Man ist gerne bei der Bahn und will auch dort bleiben.

teleschau: Sie sind mit einer Amerikanerin verheiratet und haben so auch einen etwas internationaleren Blick auf deutsche Probleme. Natürlich auch wegen ihrer langjährigen Erfahrung als Polit-Journalist: Würden Sie sagen, dass wir Deutschen zu viel meckern?

Kloeppel: Ich glaube schon, dass wir bisweilen gerne nach dem Haar in der Suppe suchen. Im Ausland weiß man sehr genau, dass wir Deutschen sehr kritisch sind und hohe Ansprüche haben. Dafür werden wir einerseits respektiert - aber natürlich auch ein bisschen belächelt. Denn es ist ja doch offensichtlich, wie sehr wir uns bisweilen selber im Wege stehen.

Peter Kloeppel, 64, widmet sich in "DURCHLEUCHTET: Das Chaos bei unserer Bahn" einem gern diskutierten Problem der Deutschen. (Bild: RTL / Stefan Gregorowius)
Peter Kloeppel, 64, widmet sich in "DURCHLEUCHTET: Das Chaos bei unserer Bahn" einem gern diskutierten Problem der Deutschen. (Bild: RTL / Stefan Gregorowius)