Pistorius: Schutz der Baltikum-Partner «ohne Wenn und Aber»
Vilnius (dpa) - Verteidigungsminister Boris Pistorius hat dem Nato-Verbündeten Litauen einen militärischen Schutz «ohne Wenn und Aber» zugesichert. Bei seinem ersten Besuch in dem Land äußerte sich der SPD-Politiker zugleich skeptisch zu Aussichten, dauerhaft eine deutsche Kampfbrigade - etwa 5000 Männer und Frauen - zu stationieren, wie es aus Litauen gefordert wird.
«Die Idee ist, dass einzelne Truppenteile, möglicherweise auch die gesamte Brigade, immer wieder nach Litauen verlegt werden, um hier zu üben. Das ist der Plan», sagte Pistorius.
Der litauische Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas bekräftigte bei einem Treffen mit Pistorius in Vilnius den Wunsch, Deutschland möge eine Kampftruppenbrigade permanent in seinem Land stationieren. Er sehe Russland bereit für eine lange Konfrontation. «Litauen strebt nach einer dauerhaften Präsenz der deutschen Brigade in Litauen, weil die Nato-Verteidigungslinie hier anfängt», sagte er. Sein Land setze bereits einen Plan für den Bau der Infrastruktur um, den er Pistorius vorgestellt habe. Im Juli ist in Vilnius das Nato-Gipfeltreffen angesetzt.
Bundeswehr verstärkt Nato-Ostflanke
Pistorius besuchte am frühen Morgen auf dem Truppenübungsplatz Pabrade rund 600 deutsche Soldaten, die dort zusammen mit den Litauern in einem verschneiten Waldgebiet den Kampf gegen einen möglichen Aggressor üben. Er dankte ihnen für ihren Dienst, der ein Beitrag zur Abschreckung sei. Nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014 wuchs bei östlichen Nato-Partnern der Argwohn gegen Russland. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vor einem Jahr verstärkte die Nato ihre Präsenz entlang ihrer Ostflanke weiter.
Deutschland hält seit Herbst vergangenen Jahres die Panzergrenadierbrigade 41 «Vorpommern» zur Verteidigung Litauens bereit. Sie ist dort mit einem vorgeschobenen Brigadegefechtsstand präsent und soll Waffen und Material im Land vorhalten. Im Spannungsfall soll so eine umgehende Verlegung der restlichen Soldaten möglich sein.
Eine «absolute Hochwertressource»
Deutsche und Litauer trainieren seit Tagen mit der Übung «Griffin Lightning» Abläufe in der Verstärkung sowie im Gefecht. Die Übung sei eine «absolute Hochwertressource», sagte Oberstleutnant Alexander Döge, dessen Soldaten am Dienstag das Einbrechen in gegnerische Stellungen sowie die Gegenwehr übten. Die Soldaten waren schon seit einigen Tagen bei Minustemperaturen unterwegs. «Wir sind über eine Strecke von 1200 Kilometern in fünf Tagen aus unserem Heimatstandort Torgelow anmarschiert», sagte er. Ein anderer Soldat verwies darauf, dass diese Art der Landes- und Bündnisverteidigung den Grundfertigkeiten der Bundeswehr näher sei als die Missionen im ferneren Ausland.
«Bis 1990 war die Bundesrepublik Deutschland die Ostflanke. Unsere Sicherheit wurde gewährleistet durch die Nato und ihre Verbündeten», sagte Pistorius. Und heute seien «Polen, das Baltikum und andere Länder die Ostflanke». Deutschland stehe mit «sehr starken Kräften hier». «Keine der anderen Nationen hat mehr als wir hier, soweit ich das überblicken kann und auch vor allen Dingen so beständig», sagte Pistorius zum Nato-Engagement im Baltikum. In Litauen sind derzeit etwa 1450 deutsche Soldaten.
Die Frage einer Dauerpräsenz der Kampfbrigade sorgt in Litauen für innenpolitische Diskussionen. So geht die Regierung in Vilnius davon aus, dass eine komplette Brigade mit wechselnder Besetzung vor Ort in Litauen stationiert wird. Die Bundesregierung dagegen hat wiederholt erklärt, eine kampfbereite Brigade für Litauen vorzuhalten, die teils in dem Baltenstaat und teils in Deutschland stationiert ist. Im Spannungsfall solle sie binnen zehn Tagen komplett verlegbar sein.
Zuletzt beharkten sich vor allem der litauische Präsident Gitanas Nauseda und Außenminister Gabrielius Landsbergis, der auf eine vom Staatschef brüsk zurückgewiesene nochmalige Formalisierung der Vereinbarung pochte. In einem Interview Anfang März verglich Landsbergis die Situation mit der Brigade bildlich mit dem «Fangen eines Aals im Wasser mit bloßen Händen». Litauen müsse die Infrastruktur für die deutsche Brigade schaffen, obwohl es keine endgültige Antwort dazu gebe, ob und wann diese in Litauen eintreffen werde.