Politologe Johannes Varwick sorgt sich bei Lanz vor "apokalyptischem Krieg mit Russland"

Der Angriffskrieg in der Ukraine sorgt weltweit für Diskussionen. Bei "Markus Lanz" machte sich Politologe Johannes Varwick gegen weitere Waffenlieferungen und für Verhandlungen mit Russland stark. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter plädierte dagegen für eine Lieferung von Kampfjets.

"Wir befeuern mit den Waffenlieferungen nur einen dauerhaften Abnutzungskrieg, den keiner gewinnen kann", kritisierte Politologe Johannes Varwick. (Bild: ZDF)
"Wir befeuern mit den Waffenlieferungen nur einen dauerhaften Abnutzungskrieg, den keiner gewinnen kann", kritisierte Politologe Johannes Varwick. (Bild: ZDF)

Sollte Deutschland weitere Waffen in die Ukraine liefern oder nicht? Diese Frage steht momentan im Zentrum der Debatte rund um Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg. Dazu trug zuletzt auch das von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte "Manifest für Frieden" bei. Auch bei "Markus Lanz" lieferten sich die Gäste am Dienstagabend eine lebhafte Debatte. Im Fokus der Diskussion: Johannes Varwick und Roderich Kiesewetter. Während Politologe Varwick versuchte, sich für den Beginn von Friedensverhandlungen mit Russland starkzumachen, stellte sich der CDU-Außenpolitiker entschieden dagegen und warnte vor den Folgen eines Stopps von Waffenlieferungen.

Im Gespräch mit Varwick stellte Kiesewetter daher bewusst klar: "Nicht alle Kriege werden mit Verhandlungen beendet. Wir hatten das alles schon mal." Nahost-Expertin Kristin Helberg stimmte dem zu und ergänzte: "Auch Nicht-Handeln hat einen sehr hohen Preis. Das sehen wir zum Beispiel in Syrien. Wir haben Putin schon seit Jahren gewähren lassen. Er sagt kontinuierlich, was er möchte." Versuche man nun nicht, in den Dialog mit Putin zu treten und etwas von ihm zu fordern, vermittle man ihm: "Dann kann ich das ja in zwei Jahren wieder machen." Diese "Salami-Strategie" müsse man verhindern, forderte die Nahost-Expertin und Journalistin. Diesem Argument stimmte die Mehrheit der Runde zu, einzig Johannes Varwick schien eine andere Strategie zu bevorzugen.

Roland Kiesewetter: "Wenn Russland den Frieden will, muss es sich zurückziehen"

Roderich Kiesewetter (links) und Johannes Varwick nahmen bei
Roderich Kiesewetter (links) und Johannes Varwick nahmen bei "Markus Lanz" gegensätzliche Positionen ein. (Bild: ZDF)

Er warnte im ZDF-Talk immer wieder vor einer Eskalation des Krieges mit Waffenlieferungen und argumentierte: "Ich würde sagen, dass die USA leider ein Teil des Problems sind. Mit dem Wechsel von Trump zu Biden hat der Zug für den NATO-Beitritt der Ukraine an Fahrt aufgenommen." Markus Lanz reagierte verblüfft und fragte in Richtung Varwick: "Warum fallen Sie auf das schlichte russische Narrativ herein, dass die böse NATO eine Bedrohung ist?" Kristin Helberg fügte daraufhin hinzu: "Sie denken immer nur darüber nach, was für den Aggressor akzeptabel wäre. Kriege enden dann, wenn es keine Chance mehr gibt, seine Ziele militärisch zu erreichen. An diesem Punkt sind wir zum Glück noch nicht."

Grafik-Diagramm Nr. 105372, Querformat 90 x 75 mm,
Kriegsgerät für die Ukraine. (Grafik: J. Reschke, Redaktion: D. Loesche)

Johannes Varwick wollte dies jedoch nicht so stehen lassen und kritisierte: "Wir sind in einer Situation, wo dieser Krieg täglich tausende Opfer bringt. Wir befeuern mit den Waffenlieferungen nur einen dauerhaften Abnutzungskrieg, den keiner gewinnen kann." Ein Argument, das CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter überhaupt nicht passte, denn: "Ich finde das zynisch zu sagen, dass Waffenlieferungen eindimensional seien. Zynisch ist auch, wenn Sie in Ihrem Manifest verlangen, dass die Ukraine Zugeständnisse machen muss. Wir haben einen Täter, der angegriffen hat und ein souveränes Land, das seit 2014 im Krieg ist."

Die Waffen seien nur ein weiterer Schritt gewesen, fügte Kieswetter hinzu und verwies darauf, dass es am Anfang des Krieges durchaus Friedenverhandlungen gegeben habe. "Wir müssen deutlich machen: Wenn Russland den Frieden will, muss es sich zurückziehen. Für all das steht Ihr Manifest nicht!"

"Russland muss Zugeständnisse machen, sie sind der Aggressor"

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter vertrat bei
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter vertrat bei "Markus Lanz" eine klare Meinung bezüglich des weiteren Vorgehens im Ukraine-Krieg: "Wir müssen deutlich machen: Wenn Russland den Frieden will, muss es sich zurückziehen." (Bild: ZDF)

Über seine Unterschrift des Manifests, die er wenig später wieder zurückgezogen hatte, sagte Johannes Varwick in der ZDF-Sendung: "Das Manifest habe ich unterzeichnet, weil ich der Auffassung bin, dass die Stimmen der Menschen, die für Verhandlungen sind, zu wenig vernehmbar und zu leise sind." Der Politologe weiter: "Aber ich wollte nicht unbedingt in einen Topf mit Frau Wagenknecht gerührt werden. Außerdem haben immer mehr Menschen das Manifest unterschrieben, mit denen ich nun wirklich nichts zu tun haben wollte. Ich möchte nicht mit Rechten in einer Reihe genannt werden."

Varwick verteidigte dennoch den Inhalt des Manifests und erklärte: "Mir geht es ausschließlich darum, dass die Ukraine möglichst gut aus diesem Krieg herauskommt und dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt. In dem Manifest steht nicht, dass wir alle Waffenlieferungen heute beenden müssen. Es geht darum, dass wir die Eskalation der Waffenlieferungen beenden müssen."

CDU-Politiker Kiesewetter reagierte schockiert und stellte klar: "Nicht die Waffenlieferungen eskalieren den Krieg, sondern Putin eskaliert den Krieg. Wir können der Ukraine nicht zumuten, Teile ihrer Souveränität zu verlieren. Russland muss hier Zugeständnisse machen, sie sind ja der Aggressor." Auch Markus Lanz fragte in Richtung Varwick: "Krieg zu führen ist böse, aber ist es manchmal nicht genauso böse, keinen Krieg zu führen?"

Als Kiesewetter sich daraufhin für eine Lieferung deutscher Kampfjets und den Einsatz auf russischem Territorium stark machte, mahnte Johannes Varwick abschließend mit ernstem Blick: "Ich fühle mich bestätigt in meiner Sorge vor einer Eskalation der Waffenlieferungen. Vielleicht landen wir in einem apokalyptischen Krieg mit Russland. Das müssen wir verhindern."

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