"Ich produziere Eskapismus"

Mit Hans Sigl ins Jahr 2023 starten: Der österreichische Schauspieler präsentiert erstmals "Die große Silvester Show" (Samstag, 31. Dezember, 20.15 Uhr) in der ARD. Wenige Tage zuvor (Donnerstag, 29. Dezember, 20.15 Uhr) strahlt das ZDF die erste Folge der 16. "Der Bergdoktor"-Staffel aus. (Bild: ARD / BR / Markus Tedeskino)
Mit Hans Sigl ins Jahr 2023 starten: Der österreichische Schauspieler präsentiert erstmals "Die große Silvester Show" (Samstag, 31. Dezember, 20.15 Uhr) in der ARD. Wenige Tage zuvor (Donnerstag, 29. Dezember, 20.15 Uhr) strahlt das ZDF die erste Folge der 16. "Der Bergdoktor"-Staffel aus. (Bild: ARD / BR / Markus Tedeskino)

Frohes Neues, Hans Sigl! Erstmals moderiert der österreichische Schauspieler - bestens bekannt aus "Der Bergdoktor" - "Die große Silvester Show". Ein Gespräch über berufliche Freiheit, die Heilsamkeit der TV-Alltagsflucht und das Für und Wider von Silvesterfeuerwerk.

Dieser Mann ist "Der Bergdoktor": wörtlich und im übertragenen Sinne - und auch sonst recht umtriebig. Seit 2008 behandelt Hans Sigl als Dr. Martin Gruber seine Patienten am Wilden Kaiser und auf dem Gruberhof. Am Donnerstag, 29. Dezember (20.15 Uhr), geht die Heimat- und Arztserie im ZDF bereits in die 16. Staffel, die folgende wird 2023 gedreht. Wer an Silvester mit Sigl ins neue Jahr starten will, kann zum Jahreswechsel "Die große Silvester Show" (Samstag, 31. Dezember, 20.15 Uhr, ARD) einschalten: Der 53-jährige Österreicher feiert seine Premiere als Moderator der Eurovisions-Show - an der Seite von Francine Jordi.

teleschau: Herr Sigl, erstmals moderieren Sie "Die große Silvester Show": Kommt bei einer Aufzeichnung viele Wochen im voraus Silvester-Stimmung auf?

Hans Sigl: Um ganz ehrlich zu sein, hatte das etwas von einer Mottoparty. Vom Publikum musste ich mich überraschen lassen, doch die Leute waren willens, Silvester zu feiern und bester Laune. Da hat sich diese Atmosphäre von ganz alleine eingestellt. Als wir dann den Countdown heruntergezählt haben, war bei uns Silvester. Das Team hat sich im Anschluss sogar ein "Gutes neues Jahr" gewünscht, weil man so in Stimmung war.

teleschau: Haben Sie privat schon immer gerne Silvester gefeiert?

Sigl: Wegen Silvester bin ich nicht schon zwei Wochen vorher aufgeregt, doch zwangsläufig kommt es recht überraschend am Ende des Jahres immer wieder (lacht). Ich nehme mir stets vor, kein großes Aufheben darum zu machen. Aber wenn es am 31. Dezember 8, 9 oder 10 Uhr wird, kommt auch für mich der kurze Moment, in dem ich zurück- und vorausblicke. Diesen Einschnitt nimmt man doch ganz gerne mit.

Bereits seit 2008 vertrauen Patientinnen und Patienten rund um den Wilden Kaiser auf Hans Sigl alias Dr. Martin Gruber. "Der Bergdoktor" ist im ZDF ein Phänomen und kann sich auf seine treue Fangemeinde verlassen. (Bild: ZDF / Erika Hauri)
Bereits seit 2008 vertrauen Patientinnen und Patienten rund um den Wilden Kaiser auf Hans Sigl alias Dr. Martin Gruber. "Der Bergdoktor" ist im ZDF ein Phänomen und kann sich auf seine treue Fangemeinde verlassen. (Bild: ZDF / Erika Hauri)

"Ich zünde keine Raketen mehr"

teleschau: Sind Sie ein Fan von Feuerwerk?

Sigl: Grundsätzlich ja. Ich finde das immer sehr romantisch. Aber ich zünde keine Raketen mehr, man sollte sich zunehmend davon verabschieden. Ich wohne auf dem Land und wenn man an Neujahr spazieren geht, sieht man einfach, wie viel Müll überall herumliegt. Für mich steht die Kosten-Nutzen-Rechnung ob der Freude, dass da was kracht, infrage. Jeder sollte sich mal überprüfen, ob man das wirklich braucht. Wenn eine Stadt etwa mit Drohnen ein schönes Lichtprojekt zeigt, finde ich das angemessener.

teleschau: Haben Sie sich privat Ziele gesetzt für 2023?

Sigl: Privat freue ich mich, wenn alles so bleibt, wie es ist. Dafür werde ich auch alles tun. Aber ich bin ich ja passionierter Golfspieler, und jeder, der diesen Sport ausübt wird es kennen, dass man sich Ziele setzt, die man im kommenden Jahr erreichen will.

teleschau: Dieses Jahr gab es viele Krisen zu bewältigen. Verstehen Sie, wenn Menschen pessimistisch in die Zukunft schauen?

Sigl: Das kann ich sehr gut verstehen. Doch es ist auch immer eine Frage des Standpunkts. Wir leben in einer gut funktionierenden Demokratie, und wenn man sich weltweit umschaut, gehören wir damit offensichtlich zu einer Minderheit. Innerhalb dieses Mindsets kann man sich fragen: Ist es wirklich Pessimismus, oder ist es die Angst vor der Zukunft, was ich auch nachvollziehen kann?

Francine Jordi steht Hans Sigl bei seiner Premiere als Moderator der "großen Silvester Show" zur Seite. Zahlreiche Musik-Auftritte prägen die Sendung: Von Chris de Burgh über die Spider Murphy Gang bis hin zu Eko Fresh soll für jeden etwas dabei sein. (Bild: ARD / BR / Markus Tedeskino)
Francine Jordi steht Hans Sigl bei seiner Premiere als Moderator der "großen Silvester Show" zur Seite. Zahlreiche Musik-Auftritte prägen die Sendung: Von Chris de Burgh über die Spider Murphy Gang bis hin zu Eko Fresh soll für jeden etwas dabei sein. (Bild: ARD / BR / Markus Tedeskino)

Abends mal für 90 Minuten alles ausblenden

teleschau: Viele Menschen flüchten sich dann in Eskapismus.

Sigl: Ich bediene das, ich produziere Eskapismus (lacht). Ich bekomme immer wieder Zuschriften von Menschen, die eine Show oder den "Bergdoktor" gesehen haben. Die schreiben, dass es wichtig ist, dass dieser Eskapismus stattfindet und man abends mal für 90 Minuten alles ausblenden kann. Schon früher, als ich Theater gespielt habe, sind die Leute gekommen, um den Alltag zu vergessen. Das ist quasi der Hintergrund meines Berufes.

teleschau: Brauchen Sie selbst diesen Eskapismus auch?

Sigl: Persönlich betrachte ich Serienschauen und Theater nicht als Eskapismus. Ich sehe mir das einfach gerne an und verfolge es auch aus beruflichen Aspekten. Doch natürlich tut es gut, mal mit Binge-Watching und einer spannenden Miniserie abzuschalten.

teleschau: Und beim Abschalten hilft Ihnen auch Meditation?

Sigl: Absolut! Menschen glauben immer, um zu meditieren, muss man sich zwei Stunden schwebend im Raum bewegen. Aber das braucht man nicht, um sich eine kleine Auszeit im Kopf zu schaffen. Gerade in einer stressigen Zeit wie vor Weihnachten, wenn Leute durch die Städte hetzen, um Geschenke zu besorgen: Einfach mal fünf Minuten im Auto sitzen bleiben und die Augen schließen. Das hilft immer.

teleschau: In der "Silvester-Show" veröffentlicht eine Astrologin persönliche Jahreshoroskope. Können Sie Astrologie etwas abgewinnen?

Sigl: Mit einem Augenzwinkern lese ich die Horoskope immer ganz gerne. Aber ich habe noch nie einen Astrologen ein umfassendes Horoskop erstellen lassen. Ich finde ja schon, dass man gewisse Charaktereigenschaften aus Sternkreiszeichen ablesen kann. Aber ob das hieb- und stichfest ist, muss jeder für sich entscheiden.

teleschau: Worauf freuen Sie sich beruflich im kommenden Jahr?

Sigl: Es passieren viele spannende Dinge. Ich freue ich mich natürlich auf die 17. Staffel von "Der Bergdoktor". Jahr für Jahr verändern wir uns, sei es technisch oder inhaltlich. Auch diesmal wollen wir die Geschichte wieder weiterentwickeln, und es wird Neuerungen geben. Ich habe aber auch noch andere spannende Projekte: Lesungen mit Orchester beispielsweise.

Am Tiroler Landestheater in Innsbruck wurde Hans Sigl als Schauspieler, Sänger und Tänzer ausgebildet. Er ist mit der deutschen Musikerin und Fotografin Susanne Sigl verheiratet, das Paar lebt in Bayern. (Bild: ARD / BR / Markus Tedeskino)
Am Tiroler Landestheater in Innsbruck wurde Hans Sigl als Schauspieler, Sänger und Tänzer ausgebildet. Er ist mit der deutschen Musikerin und Fotografin Susanne Sigl verheiratet, das Paar lebt in Bayern. (Bild: ARD / BR / Markus Tedeskino)

"Freiheit bedeutet zu tun, was einem Spaß macht"

teleschau: Wie wichtig ist Ihnen denn berufliche Abwechslung?

Sigl: Die war mir schon immer sehr wichtig. Als ich im Theater gearbeitet habe, habe ich ebenso Musicals gemacht oder stand auf der Studio-Bühne. Für mich war es schon immer der Reiz an meinem Beruf, dass ich mich nicht festlegen musste. Genau das macht das Leben spannend. Freiheit bedeutet zu tun, was einem Spaß macht.

teleschau: Und alles hat die gleiche Wertigkeit für Sie?

Sigl: Wenn ein Trailer zu einem Film kommt, an dem ich seit zwei Jahren arbeite, bin ich genauso stolz, wie wenn ich eine Silvester-Show moderiere und merke, dass das Publikum über fünf Stunden einen guten Abend hatte. Ich habe hart dafür gearbeitet, dass es einerseits möglich ist, eine solche Show zu moderieren und andererseits eine Lesung mit klassischer Musik zu machen.

teleschau: Demgegenüber stehen etwa 15 Jahre "Bergdoktor". Brauchen Sie diese Konstante im Leben?

Sigl: A: Was braucht man schon? Und B: Wenn es die Serie nicht gäbe, würde ich etwas anderes machen. "Brauchen" ist also das falsche Wort. Aber ich bin sehr glücklich, dass es diese Serie gibt und demütig und dankbar, dass ich das mit den Kollegen noch in dieser Form machen kann. Ich liebe diese Konstante und bin mit vollem Herzen dabei.

teleschau: Das heißt, es geht noch ein paar Jährchen weiter?

Sigl: Mich hat neulich am Kaffeeautomaten ganz random ein Regisseur gefragt: "Na, hast du noch Bock?" Dann habe ich sofort gesagt: "Klar!" Nach wie vor gibt es so tolle Erlebnisse. Ich stelle es mir so vor: Irgendwann kommt ein magischer Moment, in dem ich weiß, es ist Zeit, Abschied zu nehmen.

teleschau: Das wäre ein spannender Titel für dieses Interview ...

Sigl: Diese Diskussionen sind für die Leute immer spannend: Wenn ich lese "Sigl hört auf" oder "Das Ende des Bergdoktors" ist das nur Ausdruck dessen, dass wir es in den letzten Jahren geschafft haben, uns einen Platz im Fernseh-Herz des Publikums zu erarbeiten. Je länger wir senden, umso erstaunlicher ist es, dass ein solches Format sich so erfolgreich hält im deutschen Fernsehen. Und das, in einer Zeit, in der es eine hohe Fluktuation fiktionaler Stoffe gibt.

Das kommende Jahr möchte Hans Sigl nutzen, um sein Handycap zu verbessern. Auch beruflich hat der Österreicher wieder einiges auf dem Plan. (Bild: Stuart Franklin / Getty Images)
Das kommende Jahr möchte Hans Sigl nutzen, um sein Handycap zu verbessern. Auch beruflich hat der Österreicher wieder einiges auf dem Plan. (Bild: Stuart Franklin / Getty Images)

"Bei Fahrraddieben fängt das Unheil der Menschheit an"

teleschau: Die Fan-Liebe treibt dabei bisweilen seltsame Blüten.

Sigl: Ja. Bis wir 2007 kamen und angefangen haben, dort zu drehen, stand dieses Bauernhaus leer. Zwischen den Dreharbeiten haben wir das Schild mit der Aufschrift "Martin Gruber" einfach draufgelassen, es war ja festgeschraubt. Doch irgendwann hat das jemand geklaut. Seitdem muss die Requisite das abschrauben und ein anderes dranschrauben. So sind Menschen nun mal. Ich sage immer: "Bei Fahrraddieben fängt das Unheil der Menschheit an."

teleschau: Haben Sie auch eine schöne Fangeschichte?

Sigl: Ja, habe ich. Vor unserem Drehort ist ein kleiner Briefkasten angebracht. Wir bekommen immer wieder Post von Menschen, die uns dort besuchen kommen. Da sind sehr viele Briefe von Kindern drin, die süße Zeichnungen hinterlegen oder an den Bergdoktor schreiben. Den leere ich im Sommer dann ein, zweimal die Woche und die Kinder bekommen Autogramme geschickt.

teleschau: Seit 2008 sind Sie bereits der "Bergdoktor". Gehen Sie inzwischen mit einem anderen Blick zum Arzt?

Sigl: Tatsächlich nein, aufgrund meiner Tätigkeit im Zivildienst und aufgrund dessen, dass ich schon immer einen sehr pragmatischen Zugang zu Ärzten und Gesundheit hatte. Aber im Freundeskreis sind einige Ärzte, und was sich verändert hat, ist, dass man mit "Herr Kollege" angesprochen wird (lacht).

Als "Der Bergdoktor" hat Hans Sigl (hier mit Hilde Dalik) immer ein offenes Ohr. Im kommenden Jahr wird bereits die 17. Staffel gedreht. (Bild: ZDF / Erika Hauri)
Als "Der Bergdoktor" hat Hans Sigl (hier mit Hilde Dalik) immer ein offenes Ohr. Im kommenden Jahr wird bereits die 17. Staffel gedreht. (Bild: ZDF / Erika Hauri)