Prognosen - Drei Experten sagen, wie Sie im zweiten Halbjahr an den Börsen erfolgreich sind

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Trotz überwiegend schlechter Stimmung und Herausforderungen wie Inflation oder hohen Zinsen hat beispielsweise der DAX im ersten Halbjahr 2024 ein neues Rekordhoch erreicht. Gerade wegen dieses vermeintlichen Widerspruchs stellt sich die Frage: Wie geht es im zweiten Börsenhalbjahr weiter? Wir haben dazu die Prognosen von drei Finanzexperten.

Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ:

„Die Märkte werden immer dann beflügelt, wenn Prognosen und Erwartungen übertroffen werden können. Das gilt zum Beispiel für das Wirtschaftswachstum in den USA und Europa, aber auch für China, wo derzeit eher die Molltöne überwiegen. Sollte das Wachstum im Reich der Mitte hingegen positiv überraschen, könnte dies die Aktienkurse rund um den Globus beflügeln - insbesondere in den Emerging Markets. Zeichnet sich hingegen eine weitere Zinssenkung der Europäischen Zentralbank ab, dürften davon vor allem die europäischen Aktienmärkte profitieren, zumal sie - insbesondere im Vergleich zu den USA - recht attraktiv bewertet sind.

Zudem wirft die im Juli beginnende Quartalsberichtssaison ihre Schatten voraus. Sollte beispielsweise das Gewinnwachstum die Erwartungen übertreffen, dürfte dies den Aktienmärkten ebenfalls Rückenwind verleihen. Umgekehrt gilt aber auch: Sollten die Gewinne im Durchschnitt unter den Erwartungen liegen, dürften die Aktienmärkte an Schwung verlieren. Und: Auch die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen im November dieses Jahres sollten Anleger im Auge behalten, ihnen aber nicht zu viel Bedeutung beimessen. Zwar könnte die Wahl im Vorfeld zu erhöhter Volatilität an den Märkten führen, langfristig haben sich die Märkte jedoch als resistent gegenüber politischen Veränderungen erwiesen.

Die Gemengelage bleibt herausfordernd

Welche Anlageklassen im Rampenlicht stehen werden, hängt von vielen zukünftigen Faktoren ab und lässt sich daher nicht seriös prognostizieren. Fakt ist jedoch: Die Gemengelage bleibt herausfordernd - vor allem aufgrund der nach wie vor beunruhigenden geopolitischen Lage, der zu erwartenden kurzfristigen Marktschwankungen aufgrund der Präsidentschaftswahlen in den USA, möglicher konjunktureller Abschwünge und der unklaren weiteren geldpolitischen Entwicklung der Notenbanken. Anleger sollten daher ihre Portfolios möglichst breit diversifizieren, d.h. in verschiedene Anlageklassen investieren, um Risiken abzufedern und von unterschiedlichen Marktchancen zu profitieren.

Die erste Zinssenkung der EZB seit 2016 hat dem Aktienmarkt grundsätzlich gut getan, auch wenn der Zinsschritt angekündigt war und daher keine große Überraschung darstellte. Wichtiger für die Märkte und Anleger wird nun sein, dass die Inflation wie erwartet weiter zurückgeht und die EZB damit ihren Zinssenkungszyklus fortsetzt, wovon der Aktienmarkt besonders profitieren sollte.

Da von den meisten Notenbanken bald Zinssenkungen erwartet werden, sollten insbesondere zinssensitive Branchen und Nebenwerte profitieren. Die Stärke der US-Technologieunternehmen dürfte anhalten, angetrieben von den weiterhin rasanten Entwicklungen rund um die künstliche Intelligenz.“

Jens Chrzanowski, Kapitalmarktexperte und Deutschland-Chef beim europäischen Broker XTB:

„Ich persönlich sehe im deutschen Bankensektor noch Chancen, auch wenn wir bei der Deutschen Bank seit Jahresbeginn schon ein Plus von rund 17% gesehen haben. Die Commerzbank liegt seit Jahresbeginn sogar mit rund 27 Prozent im grünen Bereich. Jahrelang - oder besser: Jahrzehnte - hat der Bankensektor gelitten und war unterbewertet - weil die Zinsen bei Null lagen und weil es „ewig“ gedauert hat, die Risiken der Finanzkrise 2007 aus den Büchern zu bekommen. Der Finanzmarkt war lange Zeit eher misstrauisch. Aber jetzt scheint sich das Blatt zu wenden!

Und KI verkauft weiterhin alles. Wer etwas „mit KI“ anzubieten hat, kann weiterhin auf dem Megatrend schwimmen und viele Investoren überzeugen. Trends sind gut, Trends an den Finanzmärkten bringen Dynamik und Kapital. Die Frage muss nur sein, wie lange der Trend anhält und wann es Zeit ist, auszusteigen.

Im zweiten Halbjahr kommen „politische Börsen"

In der zweiten Jahreshälfte 2024 werden wir sicherlich „politische Börsen" erleben. In Frankreich wird wieder gewählt und je nach Wahlausgang könnte ein Sieg der Rechtsextremen" belasten! Auch die US-Präsidentschaftswahlen Ende des Jahres bleiben spannend und werden von den Börsianern genau beobachtet.

Aktuell wirkt sich die Zinssenkung der EZB eher auf die Tagesgeldangebote aus, die bei vielen Anbietern nun rückläufig sind. Die grundsätzliche Frage ist, ob (bald) weitere Zinsschritte folgen oder nicht. Die Mehrheit der Profis an den Terminmärkten geht davon aus, und auch die Historie stützt diese Vermutung: In den letzten 25 Jahren folgten auf die erste Zinssenkung regelmäßig weitere. Wenn es so kommt, ist das in der Regel positiv für die Aktienmärkte“.

David Wehner, Head of Liquid Assets beim unabhängigen Münchener Vermögensverwalter Do Investment:

„Der nahezu lineare Anstieg der Aktienmärkte in den USA und Europa seit dem vierten Quartal 2023 ist vor allem auf die „Magnificent 7“ aus dem Technologiesektor zurückzuführen, insbesondere auf die Outperformance von Nvidia##chartIcon , Microsoft##chartIcon , Meta##chartIcon , Amazon##chartIcon und Apple##chartIcon . Rund 50 bis 60 Prozent des Kursanstiegs des US-Aktienindex S&P 500 gehen auf das Konto dieser Technologieüberflieger. Alles andere hat dagegen Nachholbedarf, etwa Konsum- und Pharmatitel oder Industriewerte. Auch die Small und Mid Caps haben gegenüber den Mega Caps und Blue Chips noch reichlich Aufholpotenzial. Sollte der entscheidende Impuls für eine Aufholrally bei diesen Aktien kommen, wäre eine Sektorrotation durchaus möglich, bei der sich die Anleger wieder den vernachlässigten Old-Economy-Aktien sowie den Small und Mid Caps zuwenden.

Kurstreiber und -bremser sind seit dem vierten Quartal 2023 einmal mehr die Notenbanken. Die Märkte sind seit Jahren sehr zentralbankfixiert. Die zunächst angekündigten und dann wieder verschobenen Zinssenkungen der US-Notenbank haben die Märkte ordentlich durchgeschüttelt. Aber wenn sich die US-Inflation stabilisiert, die US-Wirtschaft weiter schwächelt und eine Rezession droht, wird die Fed doch mit Zinssenkungen beginnen. Ich vermute, dass dies im Spätsommer der Fall sein wird. Dann würde das Konsumentenvertrauen steigen, die Gewinnaussichten der Unternehmen würden sich verbessern und damit auch höhere Aktienbewertungen rechtfertigen. Die dann sinkenden Anleiherenditen würden auch Small- und Mid-Cap-Unternehmen bei der Refinanzierung helfen und deren Kurse nach oben treiben. Diese Chance für Anleger wird kommen.

Harte Landung der US-Wirtschaft droht

Ein Risiko stellt hingegen die Konjunktur dar. Sollte es zu einer harten Landung der US-Wirtschaft kommen, würde dies zu einer scharfen Korrektur an den Aktienmärkten führen. In die gleiche Richtung würde eine Verschärfung des Zollstreits mit China wirken, der bereits jetzt den Außenhandel belastet. Eine Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten könnte diesen Zollstreit weiter eskalieren lassen, was für die Märkte fatal wäre - zumal China längst nicht mehr der große Wachstumsmotor für die westlichen Industrienationen ist.

Die erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank im Juni ist an den Märkten schnell verpufft, weil EZB-Chefin Lagarde den Anlegern keine Perspektive aufgezeigt hat. Weitere Zinssenkungsschritte sind aber nach wie vor möglich und könnten den Markt nachhaltig stützen. Zinssenkungen würden vor allem Anleihen mit kurzen Laufzeiten oder Geldmarktfonds unattraktiver machen und mehr Anlegergelder in den Aktienmarkt fließen lassen. Auf der anderen Seite steigen bei sinkenden Zinsen die Kurse langlaufender Rentenpapiere, so dass sich Aktien- und Rentenmarkt wie in den vergangenen Jahren in die gleiche Richtung bewegen. Europäische Aktien könnten sich also gut entwickeln, aber für eine Outperformance der US-Börse wird es wohl nicht reichen“.