Proteste gegen Zirkustierhaltung: Wie ist das Thema in Deutschland geregelt?
Tierschützer fordern Verbot für Wildtiere in der Manege
Tierschützer kritisieren seit Jahren die Lebensbedingungen und Auftritte wilder Tiere in Zirkusmanegen. Verschiedene Tierschutzorganisationen wollen wollen am Samstag nun in München ein Zeichen für tierfreie Zirkusse setzen und gemeinsam protestieren. Was die Tierschützer fordern - und wie die aktuelle Situation von Zirkustieren in Deutschland ist.
Wildtiere werden aus Sicht von Tierschützern im Zirkus nicht artgerecht gehalten. Die laute Musik, ständig unter vielen Menschen, Scheinwerfer und zu kleine Käfige, Stress durch viele Reisen - diese Bedingungen sind für die Wildtiere laut Tierschützern nicht tragbar. Besonders fahrende Zirkusse würden demnach den besonderen Bedürfnisse von Wildtieren nicht gerecht. Die Organisationen "Animals United", "Peta Deutschland", der Münchner Tierschutzverein und weitere Organisationen rufen deshalb für Samstag in München zu einer Großdemonstration auf dem Stachus auf. Nach einer Auftaktkundgebung ziehen die Demonstranten zum Gebäude des Circus Krone weiter, wo gegen 14 Uhr eine Zwischenkundgebung geplant ist. Die Forderung der Tierschützer: Die Ausbeutung von (Wild-)Tieren als "'Unterhaltungsobjekte' in der Manege" soll endlich ein Ende finden.
Tiere im Zirkus: Wie ist die Situation in Deutschland?
Doch wie ist eigentlich der aktuelle Stand bezüglich Wildtieren in deutschen Zirkussen? Wir geben hier einen Überblick in 10 Fakten:
So viele Zirkusse mit Tieren gibt es in Deutschland
In Deutschland gibt es laut Verband deutscher Circusunternehmer rund 300 Zirkusse, von denen rund 40 bis 50 noch mit Wildtieren arbeiten.
Die Haltung der Wildtiere ist unverbindlich geregelt
Ein Gesetz, das die Wildtierhaltung in Zirkussen einschränkt oder verbietet, gibt es in Deutschland bislang nicht - es gab zwar bereits mehrere Vorstöße, die scheiterten jedoch schlußendlich alle. In Deutschland existieren laut "Vier Pfoten" nur rechtlich unverbindliche Leitlinien, die weit unterhalb der Mindestanforderungen an Zoos liegen. Zuletzt scheiterte 2020 eine entsprechende Verordnung von der damaligen Agrarministerin Julia Klöckner (CDU). Die Pläne sahen vor, dass Wildtiere nicht mehr neu angeschafft werden dürfen und bestimmte Haltungskriterien aller Zirkustiere erfüllt werden müssen. Klöckner kritisierte damals, der Bundesrat habe eine große Chance vertan - Tierschützer begrüßten hingegen das Aus und forderten umfassendere Verbote.
Zuletzt startete die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens im Februar 2023 eine Bundesratsinitiative zum bundesweiten Verbot von exotischen Wildtieren in Zirkussen.
Exotische Tiere in Zirkussen: Von der wilden Bestie zum Tanzbär
Zirkusse wie wir sie heute kennen gibt es seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Doch exotische Tiere wurden laut dem "Verein gegen Tierfabriken" bereits im 17. Jahrhundert auf Jahrmärkten zur Schau gestellt. Im 19. Jahrhundert wurde der Mensch oft als "Bezwinger" der Tiere dargestellt, die oft sogar bewusst provoziert wurden, um möglichst wild und gefährlich zu wirken. Die Nachfrage nach Wildtieren war damals enorm und Händler wie Carl Hagenbeck belieferten viele Zirkusse mit Raubtieren. Im 20. Jahrhundert verlor der künstliche Kampf zwischen Mensch und Wildtier jedoch seine Anziehungskraft und Tiere wurden eher zu komischen Handlungen wie Tanzen, Singen, Musizieren oder Wasserskifahren gezwungen - doch mittlerweile wächst die Kritik an solchen Darbietungen und den Haltungsbedingungen.
Immer mehr Menschen sehen Wildtieraufführungen kritisch
Gehören exotische Wildtiere in den Zirkus oder nicht? In einer Umfrage von Peta aus dem Jahre 2014 fanden bereits 80% der Befragten, dass die Haltung von Wildtieren im Zirkus nicht artgerecht möglich sei. In einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts „Kantar“ von April 2019 sprachen sich insgesamt zwei Drittel der Befragten gegen Wildtiere im Zirkus aus. Einige Zirkusse reagieren mittlerweile auf den Trend: 2012 waren zum Beispiel noch 80 Zirkuselefanten registriert, 2018 nur noch 45. 1990 gab es noch 90 Bären - heute gib es offiziell keine Zirkusbären mehr.
Was Befürworter von Zirkusshows mit Tieren sagen
Krone-Direktor Martin Lacey Jr. macht immer wieder deutlich, dass es den Tieren in seinem Circus gut gehe. "Unsere Tiere werden gepflegt, versorgt, beschäftigt und ärztlich untersucht. Wir lieben unsere Tiere. So wie andere zum Beispiel einen Hund oder eine Katze hegen und pflegen und eine Beziehung aufbauen, so machen wir es mit unseren Elefanten und Löwen", erklärte er etwa in einem Gespräch mit Tag24. Frank Keller, Tierschutzbeauftragter vom Circus Krone, betont in einem Interview mit dem SWR, dass es sich nicht um Wildtiere, sondern exotische Tiere handele: "Sie sind in der 16. Generation in der Obhut geboren, groß geworden und alt geworden."
Laut der Gesellschaft der Circusfreunde ist eine „tier- und verhaltensgerechte Haltung“ im Zirkus möglich und werde in den meisten Zirkus-Unternehmen auch praktiziert. Viele Zirkusse unternehmen große Anstrengungen unternommen, um ihre Tierhaltung zu verbessern. Die Haltung von Zirkustiere werde durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen geregelt und von den Veterinärämtern kontrolliert.
Wildtierverbot in der EU: Deutschland zählt zu den Schlusslichtern
Viele Länder haben die Wildtierhaltung im Zirkus im Gegensatz zu Deutschland bereits reglementiert. In 26 EU-Mitgliedstaaten gilt beispielsweise bereits ein vollständiges oder teilweises Verbot von Wildtieren in Zirkussen. Einige Länder wie Bosnien-Herzegowina oder Griechenland verbieten sogar grundsätzlich alle Tiere in Zirkussen, also auch Pferde, Hunde und Co.
Zirkustiere - Sicherheitsrisiko in Deutschland?
In Zirkussen gehaltene Wildtiere sind laut "Pro Wildlife" nicht zuletzt auch ein Sicherheitsrisiko. Laut der Organisation ereigneten sich fast die Hälfte aller Unfälle mit Wildtieren im Zirkus, die zwischen 1995 und 2017 in der EU dokumentiert wurden, in Deutschland. Sowohl auf dem Zirkusgelände als auch bei Ausbrüchen von Zirkustieren komme es immer wieder vor, dass Besucher und Tiertrainer verletzt oder sogar getötet würden. Laut einem 2021 erschienenen EU-Zirkusbericht des europäischen Tierschutz-Dachverbands Eurogroup for Animals wurden von 1995 bis 2019 in der EU insgesamt 478 Vorfälle mit Wildtieren in Zirkussen registriert. Die höchste Anzahl an Vorfällen wurde demnach in Deutschland (202 Fälle) verzeichnet. Insgesamt wurden 13 Menschen getötet und 99 Menschen als Folge eines Vorfalls mit einem Wildtier in einem Zirkus verletzt.
Geplantes Tierschutzgesetz betrifft auch Tierhaltung der Zirkusse
Im Februar 2024 wurde der erste Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) an die Länder und Verbände geschickt. Der Entwurf sieht auch vor, den Schutz von Wildtieren im Zirkus zu verbessern: Dies umfasst unter anderem die Vorführung von Tieren in Zirkussen und Zoos. Laut "Pro Wildlife" sind die vorgesehenen Änderungen jedoch nicht mehr als ein ein Schritt in die richtige Richtung - sie reichen laut der Organisation aber bei Weitem nicht aus, um dem "Tierschutz gerecht zu werden".
Einige Kommunen setzen ein Zeichen
Zahlreiche Kommunen wie Heidelberg, Stuttgart oder Heibronn vermieten keine Flächen mehr an Zirkusse mit Wildtieren und setzten dadurch ein Zeichen gegen die Wildtierhaltung in Zirkussen. Peta listet auf seiner Seite alle Kommunen auf, die entschieden haben, Zirkusbetriebe mit bestimmten Wildtierarten nicht mehr auf kommunalen Flächen zuzulassen
Was jeder Einzelne gegen Tiervorstellungen tun kann
Jedem ist überlassen, ob er eine Zirkusvorstellungen mit Tiger, Löwe und Co. sehen möchte. Wer die Wildtierhaltung in Zirkussen kritisch sieht, besucht am besten keine Zirkusse, die Wildtiere mitführen. Wer auf Zirkus nicht verzichten will, kann übrigens auch tierfreie Vorstellungen von Zirkussen besuchen, die den Fokus auf Kunststücke mit Menschen und Akrobatik setzen. Die findet man unter anderem bei Circus Roncalli, Zirkus Flic Flac, Cirque Eloize, Cirque du Soleil oder Circus Monti. Weiterhin kann man entsprechende Petitionen unterzeichnen, die das Ende von Wildtiershows fordern und gegebenenfalls Kommunalvertreter auffordern, keine Flächen an entsprechende Zirkusse zu vermieten.