Prozess in Mosbach wegen Geiselnahme und Vergewaltigung
Mosbach (dpa) - Geiselnahme, besonders schwere Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung - die Liste der Verbrechen, die die Staatsanwaltschaft einem 38-jährigen «Life Coach» in einem Verfahren am Landgericht Mosbach vorwirft, ist lang. Mitangeklagt ist sein 24-jähriger Bruder.
Die Anklageschrift umfasst mehrere Hundert Seiten. Insgesamt 35 Verhandlungstage sind bis Ende September angesetzt, rund 20 Zeugen geladen. Zum Prozessauftakt hat das Gericht die Öffentlichkeit allerdings für das gesamte Verfahren ausgeschlossen.
Es folgte damit einem entsprechenden Antrag von Nebenklage - darunter auch die Ehefrau des Angeklagten - und Staatsanwaltschaft. Grund dafür sei, dass während der Verhandlung Details aus dem persönlichen Lebensbereich der Nebenklägerinnen besprochen werden, teilte das Gericht mit.
Der 38-jährige Angeklagte bot laut Staatsanwaltschaft als «Life Coach» Online-Seminare an und betrieb in seinem Haus in Walldürn im Dreiländereck Baden-Württemberg - Hessen - Bayern ein «Boot Camp zur Persönlichkeitsentwicklung». Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 2019 bis 2022.
Gewalt und sexueller Missbrauch
Der Angeklagte soll dazu entschlossen gewesen sein, die Coaching-Angebote dazu zu nutzen, Kontakt zu jungen Frauen aufzunehmen und diese systematisch zu verunsichern. Er habe sie dann zum «Boot Camp» zu sich nach Hause eingeladen. Danach habe er die Frauen erniedrigt, schwere Gewalt angewandt und sie immer wieder sexuell missbraucht.
Der Hauptangeklagte soll insgesamt sieben Frauen sexuell missbraucht und misshandelt haben. Ebenso habe er zwei weitere Frauen, ein Kind sowie drei Männer, darunter seinen mitangeklagten Bruder, misshandelt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Dem Bruder wird wiederum Beihilfe zur Geiselnahme und zur besonders schweren Vergewaltigung vorgeworfen. Zudem soll er selbst Frauen vergewaltigt und verletzt haben.
Im Oktober 2022 gelang es einem Opfer, einen Notruf abzusetzen. In der folgenden Nacht durchsuchten Einsatzkräfte das Haus und nahmen die Angeklagten fest. Der Hauptangeklagte kam vorübergehend in eine psychiatrische Einrichtung, sitzt aber seit Mai 2023 in Untersuchungshaft.
Berufsbezeichnung Coach nicht geschützt
Alexander Brungs, Vorstandsmitglied des Deutschen Coachingverbandes, schreibt in einem Artikel für das Wirtschaftsmagazin «Business Punk», dass von aktuell weit über 50.000 Coachs in Deutschland wohl nur rund ein Viertel eine anerkannte Qualifikation besäße. «Die Restlichen sind nicht selten Blender», schreibt er. Um sich als Kunde abzusichern, empfiehlt Brungs, darauf zu achten, ob ein Coach etwa über eine Mitgliedschaft in einem Berufsverband verfüge. Dies garantiere «ein bestimmtes Qualitätsniveau».
Am Kultusministerium in Stuttgart sitzt eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema Sekten und Psychogruppen. Diese verweist darauf, dass die Berufsbezeichnung Coach nicht geschützt ist - eine Prüfung oder berufliche Qualifikation gebe es nicht. Jeder könne sich Coach nennen. «Der Erfolg des Coachs hängt daher vor allem auch mit seiner Persönlichkeit und seinem Auftreten zusammen», sagte Mirijam Wiedemann von der Arbeitsgruppe. «Insbesondere seit der Pandemie beobachten wir eine hohe Nachfrage im Bereich des Persönlichkeits- oder Lifecoachings. Menschen suchen durch Coaching-Angebote vor allem Halt und Führung auf ihrem Weg zu einem erfolgreichen, glücklichen Leben.»
Professionelles Coaching finde in der Regel auf Augenhöhe statt, sagte Wiedemann. «Dubiose Life-Coaches etablieren jedoch nicht selten eine ,Meister-Schüler'-Beziehung. Dabei werden Universalansprüche und Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen, die auch mit einer Isolierung vom bisherigen sozialen Umfeld einhergehen können.»
Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer, sagte: «Coaching gibt es in vielen verschiedenen Lebensbereichen: bei Problemen im Beruf, in der Beziehung oder der Lebensplanung. Coaching ist aber klar von Psychotherapie abzugrenzen. Beim Coaching geht es nicht darum, psychische Erkrankungen zu behandeln.» Dies könnten nur Psychotherapeuten und Ärzte tun.