Psychiatrie-"Tatort" mit Tobler und Berg: Wie verbreitet sind falsche Ärzte?
Im "Tatort: Letzter Ausflug Schauinsland", dem letzten vor der Sommerpause, untersuchten Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) den Tod einer Psychologin, die als Gutachterin in einer forensischen Psychiatrie arbeitete. Ein Clou von vielen in diesem Fall: Die ärztliche Leiterin war "Fake".
Viele gut ausgedachte Wendungen zauberte der letzte "Tatort" vor der Sommerpause im furiosen letzten Drittel ins heimische Wohnzimmer. Die Schwarzwald-Ermittler Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) mussten im "Tatort: Letzter Ausflug Schauinsland" den Tod einer Psychologin aufklären, die als Gutachterin in einer forensischen Psychiatrie arbeitete.
Dabei ging es um einen toxischen Charmeur unter den Patienten, doch auch bei den "Gesunden" war einiges los: Die Therapeuten und Ärzte des Krimis waren polyamor oder drogenabhängig. Und der Fels in der Brandung des Ganzen, Oberärztin Gisela Tausendleben (Ulrike Arnold), erwies sich am Ende als Betrügerin.
Gehört hat man von Fällen, in denen Menschen ohne Medizinstudium als Ärzte Karriere machten und ihren Job mitunter sogar besonders gut erledigten. Doch wie verbreitet sind falsche Ärzte? Gibt es dazu Zahlen? Und wann geht es nach der Sommerpause mit dem "Tatort" weiter?
Worum ging es?
Psychologin Lisa Schieblon lag erdrosselt im Kofferraum ihres Wagens. Als Gutachterin hatte sie zuletzt mehrfach Hansi Pagel (Rüdiger Klink) untersucht, den Insassen einer forensischen Psychiatrie im Schwarzwald. Sie wurde von Chef Dr. Günnewig (Falilou Seck) und seiner Oberärztin Gisela Tausendleben (Ulrike Arnold) mit ruhiger Hand geleitet. Hier saß Klink seit Jahren wegen Gewalt gegen seine Ehefrau (Angelika Richter) und die beiden fast erwachsenen Kinder (Lara Koller, Anton Dreger) ein.
Die Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) versuchten im "Tatort: Letzter Ausflug Schauinsland", aus den Patienten, Ärzten und Therapeuten der Klinik schlau zu werden. Dabei stießen sie auf ungeahnte Geheimnisse und Verbindungen zwischen dem Personal zunächst leisen, aber stimmigen und am Ende sogar furiosen Krimis.
Worum ging es wirklich?
Lange Zeit verlief der Krimi von Autorin Stefanie Veith (2024 Grimme-Preis-nominiert für die ZDFneo-Serie "Der Schatten") in ruhigen Bahnen: Die Ermittler führten Gespräche in der Psychiatrie und mit den Angehörigen des wie auch immer verdächtigen Hansi Pagel. Langweilig war dieses Ergründen von Charakteren und Motiven jedoch keineswegs - weil Figuren und Dialoge präzise geschrieben sind und die aufmerksame Regie von Stefan Krohmer ihr Personal großartig beobachtet.
Und die Moral von der Geschicht'? Nicht nur dieser Krimi selbst, sondern auch die Psychiatrie ist ein Fiction-Produkt: Ärzte sind hier keine Ärzte oder abgemeldet auf Droge - während der ein oder andere Patient gar nicht so verrückt oder gefährlich ist, wie er zunächst schien. Keine ganz neue Erkenntnis aus Psychiatrie-Filmen, aber subtil umgesetzt in einem teils fast schon witzigen Wer-war's-"Tatort".
Wie viele falsche Ärzte gibt es?
Immer wieder gelingt es Betrügern, sich erfolgreich als Arzt auszugeben - und sogar Karriere zu machen. Wohl der bekannteste Fall aus Deutschland: Der gelernte Postzusteller Gert Uwe Postel alias Dr. Clemens Bartholdy erlangte in den 80-er und 90-er Jahren unter anderem als Amtsarzt in Flensburg und Oberarzt einer psychiatrischen Klinik im sächsischen Zschadraß Berühmtheit.
Auch Cornelia E. arbeitete fünf Jahre ohne Studienabschluss als Ärztin der Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. 2007 flog sie auf und ihre Geschichte wurde danach zügig verfilmt: "Eine Frage des Vertrauens" hieß 2010 ein ZDF-Fernsehfilm mit Silke Bodenbender als falscher Ärztin. Verlässliche Zahlen, wie oft falsche Ärzte in Amt und Würden gelangen, gibt es nicht. Laut einer Umfrage von Welt am Sonntag von 2021 bei Landespolizeibehörden und Ärztekammern waren in deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen sind seit 2014 mindestens 62 Hochstapler aufgeflogen, die sich als Arzt ausgaben.
Wer waren die starken Episoden-Darsteller?
Einer stach in diesem "Tatort" als Typ heraus: Wem der charmant-bedrohliche Baden-Dialekt-Sprecher Hansi Pagel irgendwie bekannt vorkam: Er wurde gespielt vom 1971 in Karlsruhe geborene Schauspieler Rüdiger Klink. Dieser verkörperte vor zehn Jahren im viel beachteten True Crime- und Justizirrtums-Drama "Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz" die Titelfigur. Auch im neuen "Tatort" liefert Klink wieder starkes Schauspiel ab.
Ebenso zu erwähnen sind die subtile Darstellung der Oberärztin Gisela Tausendleben, deren Schauspielerin Ulrike Arnold am Staatstheater Nürnberg arbeitet und der starke Part von Rüdiger Klinks Ex-Frau Andrea, deren Schauspielerin Angelika Richter "Stromberg"-Fans noch als "graue Büromaus" Nicole Rückert in Erinnerung sein könnte.
Wie geht es im Schwarzwald-"Tatort" weiter?
Drei weitere Schwarzwald-Fälle sind fertig oder in Vorbereitung: "Tatort: Ad Acta" heißt der nächste Film (Buch: Bernd Lange, Regie: Rudi Gaul), der im kommenden Herbst oder Winter läuft. August Zirner ist darin der Antagonist der Kommissare. Ein Rechtsanwalt, dessen Stiefsohn erschossen wurde. Der übernächste Film hat schon wieder mit dem Berg Schauinsland zu tun: Im "Tatort: Die große Angst" (Arbeitstitel) geschieht ein Mord in der Seilbahn-Gondel. Voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2025 kann man den Film sehen.
Vor wenigen Wochen wurde bereits der nächste, noch namenlose Fall abgedreht (Regie: Robert Thalheim). Der Kammerspiel-Thriller findet hauptsächlich auf einem einsamen Hof in Breitnau (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) statt. Weil die Kommissare selbst in große Gefahr geraten und dabei viel von der Vergangenheit Friedemann Bergs ans Tageslicht kommt, könnte es ein sehr besonderer Fall werden (Ausstrahlung: zweite Jahreshälfte 2025).
Wie lange dauert 2024 die "Tatort"-Pause?
Fans des Formats müssen ganz stark sein, denn die "Tatort"-Pause dauert 2024 wohl satte elf Wochen. Am kommenden Sonntag folgt noch der zweite neue Münchener "Polizeiruf 110: Funkensommer" (26. Mai) mit Johanna Wokalek. Danach gibt es elf Wochen Wiederholungen und Live-Sport im Ersten. Nach der Fußball-EM in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) finden die Olympische Spiele in Paris statt (26. Juli bis 11. August). Erst ab jenem Sonntagabend (11. August) könnte es mit "Tatort" oder "Polizeiruf" weitergehen. Ein genaues Datum oder gar ein konkreter Fall wurden von der ARD noch nicht bekannt gegeben.