Quit-Tok: Was steckt hinter dem Trend?

Die jüngere Generation kündigt nicht mehr leise

Gekündigt wird nicht mehr leise, sondern vor den Augen der Welt: Quit-Tok heißt der Trend (Symbolbild: Getty Images)
Gekündigt wird nicht mehr leise, sondern vor den Augen der Welt: Quit-Tok heißt der Trend (Symbolbild: Getty Images)

Quiet Quitting war einmal - jetzt wird lautstark gekündigt. Auf TikTok heißt das Quit-Tok.

Zehn Jahre ist es her, dass die US-Amerikanerin Marina Shifrin mit ihrem Kündigungsvideo einen viralen Hit landete - zu einer Zeit, in der virale Hits noch nicht mehrmals täglich gelandet wurden. In ihrem Youtube-Clip teilte sie ihrem Chef zu Kanye Wests Song "Gone" mit, dass sie genug davon habe, ihr Privatleben für einen kaum erfüllenden Job zu opfern - und dass sie kündigte. Vor wenigen Monaten gab sie ein Update zu ihren beruflichen und privaten Entwicklungen seit dieser Zeit. Das Video endet mit den Worten: "Ich bereue nichts."

Zwar generierte Shifrins laute, virale Kündigung damals reichlich Aufmerksamkeit, jedoch keinen verbreiteten Trend - dafür waren Arbeitswelt und Social Media offenbar noch nicht bereit. Diese Zeit scheint jetzt gekommen zu sein. Junge Menschen begnügen sich zunehmend nicht mehr damit, heimlich, still und leise zu kündigen und den Frust über die Gründe höchstens mit engen Vertrauten zu teilen: Auf TikTok trendet nun Quit-Tok.

Was steckt hinter Quit-Tok?

Wer nach Quit-Tok sucht, findet eine ganze Reihe an Videos mit jeder Menge Klicks, in denen vornehmlich junge Menschen ihre Kündigung mit der ganzen Welt teilen. Die Darstellung ist unterschiedlich: Während die einen lediglich von ihren Beweggründen für die Kündigung berichten, zeigen sich andere lediglich in dem Moment, in dem sie ihr Kündigungsmail losschicken.

Wiederum andere stellen ihre Abschiedsgespräche mit den Vorgesetzten nach - oder filmen diese direkt. Dies rangiert von ruhigen Gesprächen bis hin zu wütenden Ausbrüchen wie dem eines Walmart-Mitarbeiters, der lautstark mitteilt, dass er keine Regale mehr einräumen würde und auf dem Weg nach draußen noch eine Palette umwirft.

Auch die Emotionen sind sehr unterschiedlich. Während einer nach Kündigungsmail und anschließendem Gespräch die Tränen kommen ("Ich habe das Gefühl, alle im Stich zu lassen"), grinst der andere während des Telefonats mit seinem Chef in die Kamera und schreibt in den Kommentaren: "Bester Tag meines Lebens."

Vereinzelt finden sich auch Clips, in denen nicht der TikToker selbst gekündigt hat, sondern entlassen wurde - auch dies wird immer häufiger öffentlich.

Toxische Unternehmenskultur auf dem Präsentierteller

Damit lassen sich reichlich Klicks generieren, doch hinter dem Trend steckt mehr als das. Mit Quit-Tok werden jene Gespräche, die normalerweise hinter verschlossenen Türen stattfinden, der Öffentlichkeit preisgegeben - und damit auch die Unternehmenskultur in verschiedenen Branchen.

Eine davon ist die Tech-Branche, die zwar volles Engagement von ihren Mitarbeitern verlangt, dafür aber nicht immer Sicherheit oder Zukunftsaussichten bietet. Im Silicon Valley findet derzeit eine Kündigungswelle statt, die nicht immer etwas mit den Betroffenen zu tun hat, sondern mit der Entwicklung der Industrie und dem Management von Firmen und Start-ups. Als die Stelle von Brittany Pietsch beim Internetsicherheitsanbieter Cloudflare wegrationalisiert wurde, sah sie das aufgrund mehrere Calls mit Kollegen kommen, als ihr eigener angesetzt wurde - und beschloss, ihn zu filmen, einschließlich aller obskurer Ausreden der Personalabteilung, die sie als Grund für die Kündigung darstellten. Als Pietsch nach konkreten Zahlen fragte, die ihre vermeintlich schwache Leistung belegen würden, konnten ihr keine genannt werden.

Einige stammen von Lehrern, die mit dem Klischee vom Traum nach mehr Geld aufräumen wollen - "Wenn wir diesen Berufsweg einschlagen, wissen wir, dass wir nicht reich werden", schildert eine - sondern von Burn-out oder mangelnder Erfüllung im Job berichten.

Es gibt sie jedoch auch, diejenigen, die eine sichere Stelle aufgeben, um ihre "Träume zu verfolgen" - oder einfach wieder mehr Freizeit zu haben.

Leben, um zu arbeiten oder arbeiten, um zu leben? Der Trend zeigt auch einen Generationen-Unterschied

Dies zeigt einen weiteren Hintergrund des Trends, der schlicht in einem Unterschied steckt zwischen einer älteren Generation, die sich an die Arbeitswelt angepasst hat, mit einer jüngeren, die findet, dass sich die Arbeitswelt an sie anpassen müsse. Das zeigt ein Video von Gabrielle Judge, die sich auf TikTok "Anti Work Girlboss" nennt. Ihren nach eigener Aussage sicheren und zunächst komfortablen Job hatte sie verlassen, nachdem ihr nach diversen Entlassungen immer mehr Aufgaben aufgebrummt worden seien. Sie verkündete ihre Kündigung einst ebenfalls auf TikTok und bewirbt dort seitdem ihre "Lazy-Girl-Movement" (deutsch: Faules-Mädchen-Bewegung). In einer kürzlichen Debatte über Vier-Tage-Wochen mit einer CEO einer älteren Generation erklärt sie, was damit gemeint ist.

"Wir sehen eine große Neugier darüber, wie das Leben wohl aussieht, wenn die Arbeit nicht in dessen Mittelpunkt steht", erklärt sie darin und meint, dass in der neuen Generation Konzepte wie Work-Life-Balance komplett neu definiert würden. Sie betont auch, dass dies nicht bedeute, dass Menschen wie sie nicht arbeitswillig wären, sondern lediglich, dass sich Erfolg für sie nicht über eine Beförderung definiere.

Ehrgeizige Karrieremacher für die höheren Positionen würde es immer geben, wie Judge meint. Die anderen würden mit Freude und Elan die anderen, kleineren Jobs übernehmen - solange diese anständig bezahlt und mit ausreichend Freizeit versehen würden.