Faeser verbietet rechtsextremistische "Artgemeinschaft"

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine weitere rechtsextremistische Vereinigung verboten.

Vergangene Woche hat Innenministerin Faeser eine Neonazi-Gruppierung verboten. Jetzt geht es gegen völkische Siedler. (Bild: Jan-Philipp Strobel/dpa)
Vergangene Woche hat Innenministerin Faeser eine Neonazi-Gruppierung verboten. Jetzt geht es gegen völkische Siedler. (Bild: Jan-Philipp Strobel/dpa)

Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten am Morgen 26 Wohnungen von 39 Mitgliedern sowie Räume des Vereins "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" in zwölf Bundesländern, wie das Innenministerium in Berlin mitteilte.

Das Verbot gegen die Vereinigung, die sich häufig in einem Hotel in Thüringen traf, wurde nach Angaben des Ministeriums seit mehr als einem Jahr vorbereitet. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen, hieß es. Die Vereinigung richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.

Wer oder was ist "Die Artgemeinschaft"?

Faeser beschrieb "Die Artgemeinschaft" in einer Mitteilung als "sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung". Die Ministerin begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl. Sie sagte: "Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen."

Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte "Gefährtschaften", "Gilden", "Freundeskreise" und ein Verein namens "Familienwerk".

Durchsucht wurde den Angaben zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Aus Sicherheitskreisen hieß es, eine größere Siedlung zum gemeinschaftlichen Wohnen habe die "Artgemeinschaft" nicht gegründet.

Mit einem Großeinsatz hat die Polizei in Kupferzell (Hohenlohekreis) das Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung
Mit einem Großeinsatz hat die Polizei in Kupferzell (Hohenlohekreis) das Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" durchgesetzt. (Bild: Jan-Philipp Strobel/dpa)

In der vergangenen Woche hatte Faeser die elitäre Neonazi-Gruppierung "Hammerskins Deutschland" verboten. Vor allem durch die "manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder" und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die "Artgemeinschaft" nicht weniger gefährlich als die "Hammerskins", sagte die Ministerin.

Wie wird das Verbot begründet?

Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen "Art", was mit dem nationalsozialistischen Begriff der "Rasse" gleichzusetzen sein.

Es lohne sich, Verbindungen der "Artgemeinschaft" zur rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrunds" herauszuarbeiten, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. Zudem soll der Rechtsextremist Stephan Ernst, der 2019 den Kasseler Regierungspräsidenten, Walter Lübcke, erschossen hatte, der nun verbotenen Vereinigung zeitweilig angehört haben. Darauf deutet nach Informationen aus Sicherheitskreisen eine alte Mitgliederliste hin.

Reaktionen auf Verbot

Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan sprach von einem wichtigen Schlag gegen die organisierte rechte Szene. Es brauche aber mehr als Vereinsverbote, betonte Khan. Sie sagte: "Wir müssen endlich die Finanzstrukturen der Rechtsextremisten trockenlegen, ihre Entwaffnung voranbringen und eine konsequente Gesamtstrategie gegen Rechts auflegen."

Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der "Erhalt der Deutschen". "Deutschsein" werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen "Blut-und-Boden"-Ideologie definiert.

Die "Artgemeinschaft" taucht hier nicht auf. In einer Publikation des Verfassungsschutzes von 2020 wurde die Gemeinschaft als "die derzeit größte deutsche neonazistische Vereinigung mit völkischer, rassistischer, antisemitischer sowie antichristlicher Ausprägung" bezeichnet. Ihre Mitglieder werden angehalten, möglichst viele Kinder zu bekommen.

Das "American Jewish Comittee Berlin" begrüßte das Verbot. In einer Mitteilung hieß es: "Seit seiner Gründung 1951 nahm der Verein eine zentrale ideologische und organisatorische Scharnierfunktion zwischen verschiedenen neonazistischen und rechtsextremistischen Milieus und Organisationen ein, die bis in den Bereich des Rechtsterrorismus reichten."

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