Rechtsexperte klärt auf - Flaggen, Hupen, Rauslehnen: Was ist beim Autokorso eigentlich erlaubt?

Nach dem Spiel Deutschland gegen die Schweiz gab es in vielen deutschen Städten Autokorsos, wie hier in Frankfurt (Foto).<span class="copyright">dpa</span>
Nach dem Spiel Deutschland gegen die Schweiz gab es in vielen deutschen Städten Autokorsos, wie hier in Frankfurt (Foto).dpa

In Zeiten großer Sportereignisse sind sie kaum zu übersehen: Autokorsos. Doch welche Regeln gelten für die feiernden Fans? Rechts-Spezialist Tobias Klingelhöfer klärt auf.

Was muss ich bei der Teilnahme an einem Auto-Korso beachten?

Wir erinnern uns an 2014, als wir Weltmeister wurden. In den Innenstädten gab es lauter Autokorsos mit jubelnden Insassen. Sind die überhaupt erlaubt? Die Frage kann man mit einem ganz klaren „Jein“ beantworten. Denn eigentlich benötigt man für Autokorsos eine Erlaubnis der Straßenbehörde, weil die als sogenannte „Sondernutzung des Straßenraums“ eingestuft werden.

Aber wie wir natürlich alle wissen, entstehen diese Kolonnen-Fahrten spontan aus der Jubellaune heraus. Und dafür hält die Straßenverkehrsordnung eine Eilfallregelung bereit (Paragraf 44, Absatz 2), die der Polizei einen Ermessensspielraum einräumt. Daher können Autokorsos erlaubt sein und werden es erfahrungsgemäß ja auch.

Die üblichen Verkehrsregeln gelten natürlich auch für Autokonvois. Das heißt konkret, dass keine roten Ampeln überfahren werden dürfen, die Fahrer müssen sich an die vorgegebene Geschwindigkeit halten und es gelten die üblichen Promille-Grenzen – die liegen bei 0,5 und für Fahranfänger bei 0,0 Promille Alkohol im Blut.

Doch Vorsicht: Schon ab 0,3 Promille muss man mit einer Strafe und Führerscheinentzug rechnen, wenn es alkoholbedingt zu Ausfallerscheinungen oder einem Unfall kommt. Und ab 0,5 Promille sind auch ohne Unfall ein Bußgeld, Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot fällig.

Die Regeln gehen aber weiter: Alle Schilder, auch Stoppschilder, müssen während des Korsos beachtet werden. Die Anschnallpflicht gilt ebenfalls uneingeschränkt für alle Insassen des Fahrzeugs; und selbstverständlich dürfen nur so viele Personen im Auto sitzen, wie es Plätze mit Gurten gibt. Wird ein Mitfahrer bei einem Auffahrunfall verletzt, weil er nicht angeschnallt war, kann dies für ihn als Mitschuld gewertet werden. Für die Folgen haftet er dann unter Umständen selbst.

Ist es erlaubt, als Beifahrer bei offenem Fenster auf der Tür zu sitzen?

Es ist absolut tabu, während der Fahrt auf den Fensterrahmen, die Motorhaube oder das Autodach zu klettern oder in einem Cabrio während der Fahrt zu stehen. Schon das Herauslehnen mit dem Oberkörper aus dem Fenster des Fahrzeugs ist eigentlich nicht erlaubt, hier muss man damit rechnen, dass die Ordnungshüter einschreiten.

Darf ich eine Dashcam nutzen, um mögliche Schäden an meinem Auto zu dokumentieren?

Dazu gibt es sogar ein richtungsweisendes Urteil aus 2017: Damals hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Video einer Dashcam als Beweismaterial zugelassen. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass alle Videoaufzeichnungen der kleinen Kameras bei Gerichtsverhandlungen zugelassen werden müssen. Das permanente Filmen des Verkehrsgeschehens bleibt verboten, weil es gegen das Datenschutzrecht verstößt. Daher rate ich zu Geräten, die die Aufnahmen immer wieder überschreiben und löschen.

Speichern sollte man nur bei einem Unfall die relevanten Passagen. Gute Kameras nehmen bei einer Vollbremsung die Erschütterung wahr und speichern die entsprechende Filmsequenz sogar automatisch. Die Richter müssen in jedem Einzelfall abwägen zwischen Aufklärungsinteresse, Schutz von Persönlichkeitsrechten, wie z. B. dem Recht am eigenen Bild, und informationeller Selbstbestimmung.

 

Ist es gesetzlich erlaubt, aus Freude zu hupen?

Grundlos auf die Hupe zu drücken ist allerdings grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit. Geht es aber ansonsten gesittet zu, ist es durchaus möglich, dass die Polizei nach einem Sieg bei einem Hupkonzert Milde walten lässt, wie es ja auch schon 2014 der Fall war. Dennoch rate ich auch hier, den Bogen nicht zu überspannen und vor allem in Wohngebieten und zu später Stunde auf die Hupe zu verzichten.

Gibt es gesetzliche Vorgaben zur Größe von Flaggen, die aus dem Schiebedach geschwenkt werden dürfen?

Flagge zeigen gehört auf solchen Sportevents wie der Fußball-EM natürlich dazu. Auch in und auf Fahrzeugen. Doch der Fahrer darf während der Fahrt nicht durch das Tuch beeinträchtigt werden. Dazu heißt es in der Straßenverkehrsordnung (Paragraf 23), dass Sicht und Gehör des Fahrers nicht durch die Mitfahrer beeinträchtigt werden dürfen. Sollten die Mitfahrer vor Begeisterung so in Rage geraten, dass ein sicheres Fahren unmöglich ist, bleibt nichts anderes, als den Korso zu verlassen und die Fahrt zu beenden.

Fahrzeuge dürfen samt Fahne nicht breiter als 2,55 Meter sein und nicht länger als drei Meter. Das bedeutet, dass Fahnen, die hinter dem Fahrzeug herflattern mit einem zusätzlichen hellroten Wimpel oder Fähnchen versehen werden müssen, sobald sie mehr als einen Meter über die Rücklichter hinausreichen. Ragen sie seitlich mehr als 40 Zentimeter über das Fahrzeug hinaus, müssen sie nachts theoretisch mit einer Beleuchtung versehen werden, wie man es von überbreiten Fahrzeugen kennt.

Wer während der EM am Auto Flagge zeigt, haftet für den Fall, dass die Fahne abbricht oder durch falsche Befestigung beim Folgefahrzeug Schäden verursacht, denn der Auto-Schmuck hat keine TÜV-Zulassung. Wer seine Motorhaube mit einer Flagge ziert, sollte sie für den Autokorso gut befestigen, aber am besten für längere Fahrten, vor allem vor Autobahnfahrten ganz entfernen. Das Material ist für derartige Belastungen nicht ausgelegt und es kann wirklich großen Ärger geben, wenn dadurch ein Unfall passiert.

Das gilt übrigens auch für das Anbringen eines Plastikhalters von Fahnen im Fensterspalt. Die können sich nicht nur leicht während der Fahrt lösen, sondern die Halter erhöhen zudem das Risiko eines Einbruchs. Und die Autoversicherung muss bei einem Einbruch durch das beflaggte Autofenster den Schaden unter Umständen nicht regulieren.

Ist die Sicht durch die Lieblingsfahne im Heckfenster eingeschränkt, kann man sich zwar vorübergehend mit dem Blick in die Außenspiegel behelfen. Nach dem Autokorso sollte man das Tuch aber auch von dort wieder rasch entfernen. Bei Frontscheibendekorationen wie Aufklebern oder Wimpeln stehen Halter und Fahrer in der Pflicht, für eine ungehinderte Sicht zu sorgen.