Israelische Medien: Neue Anti-Regierungsproteste in Jerusalem erwartet

Bei Protesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu haben tausende Menschen in Israel Neuwahlen und ein Abkommen mit der radikalislamischen Hamas zur Rückkehr der Geiseln aus dem Gazastreifen gefordert. Israelischen Medien zufolge sind für Dienstag weitere Proteste geplant. (Menahem Kahana)
Bei Protesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu haben tausende Menschen in Israel Neuwahlen und ein Abkommen mit der radikalislamischen Hamas zur Rückkehr der Geiseln aus dem Gazastreifen gefordert. Israelischen Medien zufolge sind für Dienstag weitere Proteste geplant. (Menahem Kahana)

Bei Protesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu haben tausende Menschen in Israel Neuwahlen und ein Abkommen mit der Hamas zur Geiselfreilassung gefordert. Die Demonstranten zogen am Montagabend vom Parlament in Jerusalem zu Netanjahus Residenz, israelischen Medien zufolge ist für Dienstag ein weiterer Protest vor der Knesset geplant. Während Augenzeugen am Dienstag von vereinzelten israelischen Angriffen im Gazastreifen berichteten, drang der US-Gesandte Amos Hochstein auf eine Deeskalation zwischen der Hisbollah und Israel.

Seit Monaten gehen in Israel immer wieder zehntausende Menschen gegen Netanjahu auf die Straße. Sie werfen ihm vor, aus Rücksicht auf seine rechtsextremen Koalitionspartner Verhandlungslösungen für eine Waffenruhe und die Rückkehr der Hamas-Geiseln zu verzögern.

Bei ihrem brutalen Großangriff auf Israel am 7. Oktober hatten die Islamisten der Hamas und des Palästinensischen Dschihad laut israelischen Angaben 1194 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Einige von ihnen wurden inzwischen freigelassen, andere befreit, wieder andere sind vermutlich tot.

Aber "dutzende Geiseln sind mit Sicherheit noch am Leben", sagte am Montag ein mit den Verhandlungen vertrauter hochrangiger israelischer Regierungsvertreter. "Wir können sie nicht mehr lange dort lassen, sie werden sterben", sagte der Unterhändler, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur AFP. "Wir erwarten und warten darauf, dass die Hamas 'Ja' sagt", fügte er hinzu.

Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seit Oktober massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, wurden dabei bislang mehr als 37.340 Menschen getötet.

Netanjahu steht innenpolitisch wegen seiner Kriegsführung und fehlender Nachkriegsperspektiven immer mehr unter Druck - nicht zuletzt auch nach dem Rückzug des Oppositionspolitikers Benny Gantz aus dem Kriegskabinett. Am Montag, eine Woche nach dessen Rückzug, teilte ein Regierungssprecher mit, dass das Kriegskabinett aufgelöst worden sei. Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Krieg werde Netanjahu künftig im Sicherheitskabinett besprechen.

Zu den dort besprochenen Themen dürfte auch die sich immer weiter verschärfende Lage zwischen Israel und der Hisbollah im Grenzgebiet zum Libanon gehören. Dieser Konflikt dauere "schon lange genug an", sagte der Sondergesandte von US-Präsident Joe Biden, Amos Hochstein, am Dienstag bei einem Besuch in Beirut. Es liege "im Interesse aller, ihn schnell und diplomatisch zu lösen", betonte er. "Das ist sowohl möglich als auch dringend notwendig."

Hochstein traf in Beirut auch den Parlamentsvorsitzenden Nabih Berri, mit dem er nach eigenen Angaben ein "sehr gutes Gespräch" hatte. Zuvor war er in Israel mit Netanjahu und Präsident Isaac Herzog zusammengekommen. Mit Herzog habe der US-Gesandte über die "unerbittlichen Angriffe und den Raketenbeschuss durch die Hisbollah, die vom Iran angezettelt wurden, auf Israels nördliche Städte" beraten, sagte Israels Regierungssprecher David Mencer.

Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas vor mehr als acht Monaten feuert die vom Iran unterstützte und mit der Hamas verbündete Schiiten-Miliz Raketen und Drohnen auf Israel ab. Zehntausende Menschen mussten seitdem ihre Häuser verlassen. Israel reagiert auf den Beschuss verstärkt mit Angriffen auf Hisbollah-Stellungen im Südlibanon.

Im Gazastreifen hat die Intensität der Kämpfe hingegen offenbar etwas abgenommen. Im nördlichen Gazastreifen und im Zentrum des Küstengebiets berichteten Zeugen und das Hamas-Medienbüro am Dienstag von einigen Angriffen und Gefechten. Ein AFP-Korrespondent berichtete von israelischen Angriffen in der Nähe der Stadt Gaza. In Rafah im Süden des Gazastreifens wurden israelische Militärfahrzeuge gesichtet.

Nahe der Flüchtlingssiedlung Nuseirat im Zentrum des Gazastreifens, wo die israelische Armee vor gut einer Woche vier Geiseln befreit hatte, berichteten Zeugen von Schüssen und Artilleriebeschuss. Nach Angaben der Hamas-Zivilschutzbehörde wurden bei zwei separaten Angriffen auf ein Wohnhaus und ein Geschäftsgebäude mindestens 13 Menschen getötet.

Die israelische Armee erklärte, dass ihre Einsätze im Süden und Zentrum des Gazastreifens am Dienstag fortgesetzt würden. Am Vortag seien mehrere militante Angreifer getötet worden. Im Zentrum des Gazastreifens gehe die Armee "aus nächster Nähe" bei Einsätzen vor, zu denen auch Luftangriffe auf Kämpfer des Islamischen Dschihad gehörten.

Die israelische Armee hatte am Sonntag zum Auftakt des islamischen Opferfestes Eid al-Adha angekündigt, im Süden des Gazastreifens bis auf Weiteres tagsüber eine "taktische Pause der militärischen Aktivität" einzuhalten. Die taktische Pause sei dafür da, "den Vereinten Nationen die Möglichkeit zu geben, mehr Hilfsgüter einzusammeln und zu verteilen".

kas/ck