Rettungsaktion in Mariupol kommt voran - Lawrow erzürnt Israel

Ein Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten: Mit Hilfe des Roten Kreuzes werden in Mariupol Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk gerettet - und es soll weitergehen. Russlands Außenminister bringt derweil mit einem Nazi-Vergleich nicht nur Israel gegen sich auf.

In der ukrainischen Hafenstadt Mariupol findet eine internationale Evakuierungsaktion zur Rettung von Zivilisten aus dem von russischen Truppen belagerten Stahlwerk statt (Foto: Alexey Kudenko/Sputnik/dpa)
In der ukrainischen Hafenstadt Mariupol findet eine internationale Evakuierungsaktion zur Rettung von Zivilisten aus dem von russischen Truppen belagerten Stahlwerk statt (Foto: Alexey Kudenko/Sputnik/dpa)

Kiew/Moskau (dpa) - Die Rettung von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol kommt voran: Es seien seit dem Wochenende 126 Menschen in Sicherheit gebracht worden, teilte das russische Verteidigungsministerium am Montag mit. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft auf eine Fortsetzung der Rettungsaktion.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sorgte mit einem Nazi-Vergleich in Bezug auf den Ukraine-Krieg vor allem in Israel für Empörung. Die Regierung in Jerusalem bestellte den russischen Botschafter ein. In Berlin kam aus der Ampel-Koalition die Warnung vor einem Übergreifen des russischen Angriffskriegs auf den ukrainischen Nachbarstaat Moldau. Nach dem deutschen Ja für ein Embargo für russischen Öl nimmt die europäische Debatte Fahrt auf.

Auch 20 Kinder im Stahlwerk in Mariupol

Die ukrainische Nationalgarde sprach davon, dass noch 200 Zivilisten in dem Stahlwerk seien, unter ihnen 20 Kinder. Zudem hielten sich dort noch rund 500 verletzte ukrainische Verteidiger auf, die dringend medizinische Hilfe bräuchten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte ihnen eine Behandlung zugesichert, sollten sie die Waffen niederlegen und sich ergeben.

Ein Bus-Konvoi hatte am Wochenende rund 100 Zivilisten aus dem von russischen Soldaten belagerten Stahlwerk Azovstal gebracht. Beteiligt waren auch die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Zuvor hatte die ukrainische Regierung davon gesprochen, es seien allein in den Bunkeranlagen des Stahlwerks noch etwa 1000 Zivilisten eingeschlossen. Russland spricht von etwa 2500 Menschen, darunter Militärs und ausländische Söldner.

Ein Bus-Konvoi hatte am Wochenende rund 100 Zivilisten aus dem von russischen Soldaten belagerten Stahlwerk Azovstal gebracht (Bild: by Chris McGrath/Getty Images)
Ein Bus-Konvoi hatte am Wochenende rund 100 Zivilisten aus dem von russischen Soldaten belagerten Stahlwerk Azovstal gebracht (Bild: by Chris McGrath/Getty Images)

Lawrow bringt Israel mit Nazi-Vergleich gegen sich auf

Der russische Außenminister hatte die Kriegsbegründung wiederholt, in der Ukraine seien Nazis am Werk. Als Gegenargument werde gesagt: «Wie kann es eine Nazifizierung geben, wenn er (Selenskyj) Jude ist? Ich kann mich irren. Aber Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind.»

Der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett sagte: «Seine Äußerungen sind unwahr, und sie dienen einem falschen Zweck.» Es sei das Ziel «solcher Lügen, den Juden selbst die Schuld an den schlimmsten Verbrechen der Geschichte zu geben, die gegen sie verübt wurden». Israel hat traditionell sowohl zu Russland als auch zur Ukraine gute Beziehungen. An Russlands Vorgehen hatte Bennett bislang nur verhalten Kritik geäußert. Ein Sprecher der Bundesregierung nannte Lawrows Äußerungen am Montag «absurd».

Grünes Licht aus Berlin für Öl-Embargo

Nach dem deutschen Ja zu einem Öl-Embargo gegen Russland kommt die europaweite Diskussion darüber in Gang. Eine Einigung gebe es noch nicht, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Deutschland könne ein Öl-Embargo zwar tragen, andere Länder seien aber noch nicht so weit. Sanktionsmaßnahmen müssen innerhalb der EU in der Regel einstimmig beschlossen werden.

Die EU-Kommission will spätestens am Mittwoch ihren Vorschlag für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen präsentieren. Bis zuletzt war aber unklar, unter welchen Bedingungen sehr stark von russischen Öllieferungen abhängige Länder wie Ungarn die benötigte Zustimmung zu einem EU-Einfuhrverbot geben könnten.

Ampelpolitiker warnen vor Übergreifen des Angriffs auf Moldau

Aus der Ampel-Koalition kommen Warnungen vor einem Übergreifen des russischen Angriffskrieges auf das Separatistengebiet Transnistrien in der Republik Moldau. «Man muss befürchten, dass Moldau das nächste Ziel ist. Und deswegen sind wir ja auch so fest davon überzeugt, dass man Putin jetzt in der Ukraine stoppen muss», sagt Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, der dpa. Moldau grenzt im Westen an den EU-Staat Rumänien und ist im Osten von der Ukraine umgeben. Auch die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte: «Es geht um die grundsätzliche Frage, autarke Länder wieder in ein großes russisches Reich einzuverleiben.»

Der Linken-Außenpolitiker Gregor Gysi will von diesem Dienstag an bis Sonntag durch die Ukraine reisen und neben der Hauptstadt Kiew auch die Vororte Butscha und Irpin sowie die westukrainische Stadt Lwiw besuchen. Die Reise durch das Kriegsgebiet findet ohne Personenschutz durch das Bundeskriminalamt statt. Auch CDU-Chef Friedrich Merz will nach Kiew reisen.

Der Linken-Außenpolitiker Gregor Gysi will von diesem Dienstag an bis Sonntag durch die Ukraine reisen (Bild: Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images)
Der Linken-Außenpolitiker Gregor Gysi will von diesem Dienstag an bis Sonntag durch die Ukraine reisen (Bild: Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images)

London hält russische Truppe für stark geschwächt

Russland hat nach Einschätzung britischer Geheimdienste seit seinem Einmarsch in die Ukraine massiv an Kampfstärke eingebüßt. Zu Beginn habe Moskau mehr als 120 sogenannte taktische Bataillonsgruppen eingesetzt, was etwa zwei Dritteln seiner gesamten Bodentruppen entspräche, hieß es in einem in London veröffentlichten Bericht des Verteidigungsministeriums. Wahrscheinlich seien mittlerweile mehr als ein Viertel dieser Einheiten nicht mehr kampffähig. I

Russen wollen ukrainisches Kampfflugzeug abgeschossen haben

Moskau meldete gleichwohl zahlreiche neue Luft- und Raketenangriffe gegen die Ukraine. Dabei hätten die taktische Luftwaffe und Heeresflieger 27 Ziele beschossen, mit flugzeugbasierten «Hochpräzisionsraketen» seien weitere 38 Militärobjekte getroffen worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. «Bei einem Luftkampf im Raum Slowjansk wurde ein ukrainisches Kampfflugzeug vom Typ MiG-29 abgeschossen.»

Ukrainische Streitkräfte wehrten nach eigener Darstellung eine Reihe russischer Angriffe in Richtung der Großstadt Saporischschja im Süden des Landes ab und konnten die Fronten südöstlich der Stadt stabilisieren.

Über 13 Millionen Menschen aus Ukraine heimatlos

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind von dort fast 5,6 Millionen Menschen geflüchtet, teilte das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen mit. Mindestens 7,7 Millionen Menschen seien innerhalb der Ukraine auf der Flucht.

Video: Ukraine-Krieg überschattet deutsch-indische Regierungsgespräche