"Rosamunde Pilcher"-Produzent Michael Smeaton will "Frauen in Ihrer Vielfalt erzählen"

Michael Smeaton (71) erweckt die Geschichten aus dem kleinen schwarzen Notizbüchlein der 2019 verstorbenen Erfolgsautorin Rosamunde Pilcher zum Leben - und das seit mittlerweile 30 Jahren. Anlässlich des Jubiläums erinnert er sich im Interview an eine bewegte Erfolgsgeschichte. (Bild: Horst A. Friedrichs)
Michael Smeaton (71) erweckt die Geschichten aus dem kleinen schwarzen Notizbüchlein der 2019 verstorbenen Erfolgsautorin Rosamunde Pilcher zum Leben - und das seit mittlerweile 30 Jahren. Anlässlich des Jubiläums erinnert er sich im Interview an eine bewegte Erfolgsgeschichte. (Bild: Horst A. Friedrichs)

"Rosamunde Pilcher" im TV feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen: Was sich hinter dem Erfolg der ZDF-Reihe verbirgt, worauf es bei den guten alten Romanzen wirklich ankommt, und wie es um weitere Filme bestellt ist, weiß Produzent Michael Smeaton.

30 Jahre Rosamunde-Pilcher-Filme im ZDF: Produzent Michael Smeaton blickt im Interview auf eine ebenso lange wie bewegte Erfolgsgeschichte zurück. Was zeichnet jene Romantik aus, die seit über 170 Filmen ein Millionenpublikum vor die Bildschirme lockt? Der 71-jährige Filmemacher weiß, wovon er spricht, wenn er über das Märchenhafte philosophiert und den tief im Menschen verankerten Wunsch, den Problemen des Alltags zu entfliehen, in den Mittelpunkt rückt. Auch im neuen Film "Schlagzeile Liebe", der pünktlich zum Jubiläum am Sonntag, 24. September, um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird, geht es drunter und drüber ... Smeaton gewährt einen Blick hinter die Kulissen der Produktion, erzählt von seiner Beziehung zur Erfolgsautorin persönlich und seinen Zukunftsplänen.

teleschau: Wie wurde "Rosamunde Pilcher" zum Dauerbrenner im deutschen Fernsehen?

Michael Smeaton: Ich vermute, dass wir - ohne es groß geplant zu haben - einen besonderen Wunsch einer großen Zuschauerschaft erfüllen: den Wunsch nach Unterhaltung. Viele Leute wollen etwas sehen, das sie nicht mit den alltäglichen Unbilden des Lebens konfrontiert, sondern sie auch ein bisschen träumen lässt. Ich sage immer: Pilcher-Filme sind Märchenfilme. Sie sind fiktive und verlässliche Rückzugsorte für die Zuschauer und Zuschauerinnen und bieten ihnen einen "Urlaub" sowie eine Pause vom Alltag. Natürlich weiß das Publikum, dass ihre Realität eine andere ist.

teleschau: Märchen also, die auch für sehr erwachsene Zuschauer funktionieren?

Michael Smeaton: Genau. Aber der Wunsch nach einem gelingenden Leben, nach Glück, ob im Beruf oder privat, nach Zugehörigkeit und Sinn ist auf einer tieferen Ebene in unseren Filmen verankert. Genau das ist sicherlich eines von vielen kleinen Geheimnissen des Erfolgs.

teleschau: Wollen Sie uns noch mehr verraten?

Michael Smeaton: (lacht). Aber gerne. Man muss wissen, dass Frau Pilcher ja schon seit einigen Jahren nicht mehr an ihren Kurzgeschichten geschrieben hat. Dafür schrieb sie in ihren jungen Jahren umso mehr Geschichten und Romane. Dabei handelte es sich aber um Kurzgeschichten, geschrieben am Küchentisch und veröffentlicht in Frauenmagazinen. Diese Vorlagen durften wir immer frei bearbeiten. Nach einer gewissen Zeit verzichtete sie sogar darauf, uns zu kontrollieren, weil wir ein starkes Vertrauen zueinander aufgebaut haben. Die Storyline ist immer recht schnell zu erahnen - aber das ist eben das, was den Zuschauerinnen und Zuschauern so gefällt. Jeder weiß, worauf er sich einlässt. Außerdem gibt es immer ein Happy End.

Sie verband eine tiefe Freundschaft: Die 2019 verstorbene Schriftstellerin Rosamunde Pilcher und der Filmproduzent Michael Smeaton brachten lange große Romanzen und kleine Dramen in die Wohnzimmer einer treuen Zuschauerschaft. "Wir hatten ein starkes Vertrauen zueinander aufgebaut haben", erinnert sich Smeaton.  (Bild: Jon Ailes Photography 2016)
Sie verband eine tiefe Freundschaft: Die 2019 verstorbene Schriftstellerin Rosamunde Pilcher und der Filmproduzent Michael Smeaton brachten lange große Romanzen und kleine Dramen in die Wohnzimmer einer treuen Zuschauerschaft. "Wir hatten ein starkes Vertrauen zueinander aufgebaut haben", erinnert sich Smeaton. (Bild: Jon Ailes Photography 2016)

"Es gilt in einer heutigen Erzählweise, die emanzipatorischen Ansätze in ihren Geschichten zu beachten"

teleschau: Wie wichtig sind eigentlich gesellschaftspolitisch relevante Themen in Ihren Pilcher-Märchen?

Michael Smeaton: Das hat sich über die Jahre natürlich auch ein bisschen geändert. Seit Beginn der Pilcher-Verfilmungen sind viele Veränderungen im Leben eingetreten - politische, gesellschaftliche und mediale. Auch unsere Filme haben das durch neue Gesichter und neue Themen widergespiegelt. Dafür war auch Frau Pilcher immer zu begeistern, da in Großbritannien Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen mit vielen verschiedenen Religionen leben.

teleschau: Haben sich auch die Frauenfiguren in den Filmen im Laufe der Zeit verändert?

Michael Smeaton: Obwohl Rosamunde Pilcher aus ihrer Zeit herausgeschrieben hat, haben ihre Geschichten etwas Zeitloses. Es gilt in einer heutigen Erzählweise, die emanzipatorischen Ansätze in ihren Geschichten zu beachten, zu verstärken und teilweise vielleicht an manchen Stellen auch neu zu entwickeln. Worauf wir als Produzenten bei der filmischen Adaption besonderen Wert legen ist, dass wir Frauen in ihrer Vielfalt und mit all ihren unterschiedlichen Facetten erzählen wollen. Familie, Partner, Freunde - das sind wichtige Bestandteile ihres Lebens, aber nicht deren Hauptthema oder Lebensziel. Wenn wir die Geschichten aus weiblicher Sicht medial und filmisch erfahrbar machen, bekommen sie die aktuelle Relevanz, die Frauen zusteht.

In Rosamunde Pilchers (rechts) Geschichten gewinnt immer die Liebe. Dafür bedankte sich Prinz Charles 2016 sogar persönlich bei der Romanautorin - wegen der Publicity für Cornwall. Der damalige Prince of Wales und seine Ehefrau Camilla statteten Pilcher einen royalen Besuch ab ...  (Bild: Jon Ailes Photography 2016)
In Rosamunde Pilchers (rechts) Geschichten gewinnt immer die Liebe. Dafür bedankte sich Prinz Charles 2016 sogar persönlich bei der Romanautorin - wegen der Publicity für Cornwall. Der damalige Prince of Wales und seine Ehefrau Camilla statteten Pilcher einen royalen Besuch ab ... (Bild: Jon Ailes Photography 2016)

"Der Versuch, jünger zu werden, geht einher mit der Vorstellung, dass Pilcher-Filme zu altmodisch sind"

teleschau: War jemals ein anderer Drehort als Cornwall im Gespräch?

Michael Smeaton: Nein, nicht wirklich. Wir beschnupperten schon hin und wieder die Nachbar-Countys, wie beispielsweise Devon oder Somerset, wo einige Episoden gedreht wurden. Cornwall ist aber grundsätzlich ein ganz wichtiger Teil des Gesamtkonzepts. Wir können uns nicht vorstellen, Cornwall zu verlassen. Das würde in meinen Augen die Marke Rosamunde Pilcher beschädigen. Die atemberaubende Landschaft bietet eben eine Art Eskapismus.

teleschau: Trotzdem werden statt wie früher sechs mittlerweile nur noch drei Filme pro Jahr produziert ...

Michael Smeaton: Als Sender will man das Publikum natürlich an sich binden. Als öffentlich-rechtlicher Sender vor allem das jüngere Publikum. Der Versuch, jünger zu werden, geht einher mit der Vorstellung, dass Pilcher-Filme zu altmodisch sind. Daher wurde die Produktion reduziert. Im Moment warten wir gerade auf den endgültigen Bescheid vom ZDF, was letztlich gewünscht ist. Begrifflichkeiten wie "altmodisch" oder gar "konservativ" sind meiner Meinung nach letztlich sehr schwer zu definieren und passen nicht wirklich zu unseren Filmen.

teleschau: Würden Sie sagen, dass die Sender und das Publikum Produktionsfirmen in bestimmte Schubladen stecken?

Michael Smeaton: Rosamunde Pilcher verbindet man natürlich stets mit mir oder meiner Firma. Aber wir machen auch ganz andere, ernstere Filme. Dieser Tage habe ich mich riesig gefreut, dass wir mit dem Film "Ramstein - das durchstoßene Herz" für den Deutschen Fernsehpreis nominiert worden sind. Darauf bin ich sehr stolz. Ich arbeite gerne ernste Themen auf, wie das beispielsweise auch bei "Du sollst hören" (ein ZDF-Drama von 2022 mit Claudia Michelsen und Benjamin Piwko, d. Red.) der Fall war.

teleschau: Wird da noch mehr von Ihnen kommen oder denken Sie gar ans Aufhören?

Michael Smeaton: In diese Richtung werden auch weitere Themen auf unsere Zuschauerschaft zukommen ... Aber, Hand aufs Herz: Sie werden sicher recherchiert haben, wie alt ist der Kerl? Auch wenn ich Arbeit nicht als solche empfinde, muss ich zugeben, dass ich künftig vielleicht etwas kürzertreten möchte. Ich sehe meine Arbeit aber eher als glückliche Fügung. Was ich alles machen darf, erlebt habe und wie viele wunderbare Menschen ich kennenlernen durfte und noch immer darf - Ich schätze das sehr.

Auch im neuen Film "Schlagzeile Liebe", der pünktlich zum Jubiläum am Sonntag, 24. September, um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird, geht es drunter und drüber: Gärtnerin Laura (Nicola-Rabea Langrzik) wird plötzlich Bürgermeisterin und ein weltgewandter Journalist (Garry Fischmann, rechts) stellt ihren Alltag auf den Kopf ... Mittendrin: Horst Lichter als Butler. (Bild: ZDF/Jon Ailes)