Süßwarenmesse in Köln: Von wegen gesundes Müsli – So viel Zucker steckt im Frühstück

In einem klassischen Knuspermüsli stecken rund 25 Prozent Zucker.

Wie schön könnte das Leben sein, würden nicht ständig neue Katastrophen-Szenarien heraufbeschworen, die dann wie Gewitterwolken über unseren Köpfen schweben. Wem es vielleicht gerade erst gelungen ist, sich aus seiner festen Beziehung zur Zigarette zu lösen, bekam kürzlich den nächsten Schocker aufgetischt: „Frühstück ist das neue Rauchen.“ Ist demnach auch das Müsli am Morgen „eine gefährliche Mahlzeit“, wie der britische Bioforscher Terence Kealey in seinem neuen Buch schreibt? Eine sättigende Antwort erhoffen wir uns bei Seitenbacher & Co. auf der Internationalen Süßwarenmesse, die am gestrigen Sonntag in Köln eröffnet wurde. Ein Viertel des Packungsinhalt ist Zucker „Für uns ist das Frühstück als erste Mahlzeit immer noch die wichtigste“, sagt Florian Eberle mit einem Zungenschlag, wie man ihn aus der Werbung kennt. Hinter ihm eine Vitrine mit Dutzenden Sorten, darunter auch „Das Erfolgsrezept!“ in Form des Manager-Müslis mit allen Zutaten, „die unser Chef liebt“. Eine dieser Zutaten neben Dinkelflocken, Weinbeeren, Apfelstücken und Mandeln ist Zucker, und dieser macht mit 24 Gramm (Fruchtzucker und Industriezucker) nahezu ein Viertel des Packungsinhaltes auf. Das ist nicht sonderlich überraschend: Bei ihrer letzten groß angelegten Untersuchung von Müslisorten hat die Verbraucherorganisation Foodwatch 143 Sorten untersucht und herausgefunden, dass nicht mal sechs Prozent der Frühstückszerealien weniger als zehn Prozent Zucker enthalten. Billiges Gemisch aus Mehlpampe und Zucker In einem klassischen Knuspermüsli stecken rund 25 Prozent, in einem scheinbar gesunden Früchtemüsli mit Trockenobst sogar 27 Prozent Zucker. Bei den speziell auf Kinder zugeschnittenen Müslis liegt der Zuckeranteil mitunter sogar bei über 40 Prozent. Aus einem eigentlich ausgewogenen Produkt habe die Industrie „ein billiges Gemisch aus Mehlpampe und Zucker gemacht“, klagte Oliver Huizinga, bei Foodwatch für die Kampagnenaktivitäten zum Thema Kinderernährung zuständig. Frage ist, inwieweit die Industrie inzwischen darauf reagiert hat. Am Stand von Ovomaltine gibt es neben einem neuen Schokotrunk auch ein Crisp-Müsli. „Sehr gesund, natürlich!“, sagt eine Frau am Stand und lobt Malz „als natürlichen Energiespender“ – mit immerhin 20,1 Prozent Zuckeranteil. Ein Glas Cola entspricht der empfohlenen täglichen Zuckermenge Allerdings erklärt die Verpackung dem Verbraucher die Produktherkunft: „In der Schweiz sagt man Müesli, denn Müsli sind kleine Mäuse“. Spätestens an dieser Stelle würde sich Ernährungsreformer Max Bircher-Brenner im Grab umdrehen, der seine Erfindung in Anlehnung an Mus oder Pampe verkleinert „Müsli“ genannt hat. Zurück zum Zucker: Angesichts der Tatsache, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, täglich nicht mehr als 25 Gramm davon zu konsumieren, was in etwa der Menge eines 0,25-Liter-Glases Cola entspricht, muss man sich fragen, ob man nach einer ordentlichen Portion Müsli je nach Hersteller mit dem Frühstück bereits das Soll überschritten ist. Zuckergehalt lässt sich nur mühsam entziffern Die tschechische Firma Bona Vita beispielsweise verkündet auf ihrer Neuheit „Balls“ auch ohne Sehhilfe erkennbar „no Palm Oil“ und „+Calcium“. Dass der Zuckeranteil bei diesem – mit dem Comic-Bild eines keck grinsenden Jungen versehenen – Produkt bei 27 Gramm liegt, lässt sich nur mühsam entziffern. „Choca Rice“ verführt möglicherweise schon deshalb zum Kauf, weil vorne groß „25% weniger Zucker“ versprochen werden. Aber selbst das heißt im kleingedruckten Klartext: 21 Gramm bei 100 Gramm Inhalt. Die Firma „Helden“ hingegen tritt an, „um die Snackwelt zu retten“. Die Neuheit besteht in Müsli-Würfeln, die man auch unterwegs knabbern kann. Bei den zusammengepressten Cerealien und Früchten ist kein Industriezucker zugesetzt, die Süße kommt vom Datteldicksaft. „Die Aufmachung ist cool, und Eltern müssen trotzdem kein schlechtes Gewissen haben“, sagt Roswitha Sauer am Stand des Produzenten Erbacher. „Probieren Sie die luftig-leichten Schokowölkchen auch zum Frühstück mit frischer Milch“, wirbt die Firma Wawi auf ihrer Messeneuheit. Zuckeranteil: 34 Prozent. Müsli mit Schinken und Lachs Aber es gibt auch Beispiele, die dem kritischen Zuckerkonsumenten Mut machen: Abgesehen davon dass die schwäbischen Seitenbachers auch vorbildliche Sorten wie die „Knackige Mischung“ im Programm haben (drei Prozent Zucker), wird etwa bei Seeberger „das Versprechen vom Inhalt gehalten“. Das Ulmer Familienunternehmen hat sich mit „Müsliglück“ zusammengetan und eine neue Linie entwickelt; darunter auch herzhafte Sorten wie „Bauernfrühstück“ mit Schinken und getrocknetem Lauch. Die süßen Varianten – wie etwa „Hüttenzauber“ bestehend aus lila Pflaumen, Mohn und Mandeln – kommen mit 6,8 Prozent Zucker aus und das in einer Verpackung, „die so schön ist, dass man das Produkt sogar verschenken kann“, betont Marketingleiter Joachim Mann. Die zuckerfreie Frühstückskomponente Mister „gar kein Zucker“ kommt aus der Nähe von Hamburg: Stephan Beitz hat an seinem Stand ein Crunch-Müsli, in dem sage und schreibe 0,0 Prozent Zucker stecken. Die Firma Asira fügt ihrem im Wesentlichen aus Haferflocken und Chiasamen bestehendem Müsli lediglich vier Gramm leicht süßendes Inulin (eine natürlich vorkommende Fructose-Verbindung) zu. Fazit: Sie ist schwer zu finden, aber es gibt sie, die zuckerfreie Frühstückskomponente. Mit dieser Nachricht von der Internationalen Süßwarenmesse in Köln wird vielleicht auch der britische Forscher Terence Kealey wieder fröhlicher frühstücken können. ...Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta