Das schönste deutsche Comeback
In der deutschen Leichtathletik gibt es kaum eine Athletin, die so viele Rückschläge zu verdauen hatte wie Lisa Mayer. Die 28-Jährige verpasste verletzungsbedingt in den vergangenen Jahren die meisten Großereignisse, zuletzt auch die Weltmeisterschaft in Budapest.
Umso erfreulicher, dass Mayer in diesem Jahr ein beachtliches Comeback feierte und sich rechtzeitig vor der EM in Rom in Form brachte.
Nachdem sie am Samstag trotz schwachen Starts souverän ins Halbfinale über 100 Meter eingezogen war, peilt sie einen Tag später den Endlauf an.
Mayer: „Nicht ganz so gut gelungen“
Im SPORT1-Interview spricht die Athletin vom Sprintteam Wetzlar über ihre Rückkehr zu alter Stärke, die Chancen mit der Sprint-Staffel - und wie sich ihr Vorlauf anfühlte.
SPORT1: Frau Mayer, Ihr Vorlauf sah bis auf den etwas holprigen Start sehr flüssig aus. Wie hat es sich angefühlt?
Mayer: Es war ein bisschen schade, dass der erste Start zurückgeschossen wurde. Ich hatte das Gefühl, den für meine Verhältnisse richtig gut erwischt zu haben. Aber auch damit muss man umgehen, das auch beim zweiten Mal zu machen und einen kühlen Kopf zu bewahren. Das ist mir nicht ganz so gut gelungen.
SPORT1: Dennoch ist es mit 11,20 Sekunden noch eine sehr ansprechende Zeit geworden ...
Mayer: Absolut. Ich habe wieder hinten meine ganz große Stärke ausgespielt. Das hat mir mein Trainer mit auf den Weg gegeben: ‚Lisa, egal, was du vorne machst, was vorne passiert, hinten bist du die Stärkste. Da kannst du fliegen, vertrau darauf.‘ Da habe ich mich im Rennen dann irgendwie dran erinnert, es ausgespielt und hinten macht es schon sehr viel Spaß, was natürlich auch für die Staffel keine ganz schlechte Qualität ist.“
Mayer: „Finale nicht das große Ziel“
SPORT1: Und jetzt? Liebäugeln Sie insgeheim mit dem Finale?
Mayer: Natürlich war der Vorlauf eine Pflichtaufgabe, das war klar. Ich war tierisch aufgeregt, da bin ich ganz ehrlich. Ich glaube, ich war vor dem Vorlauf aufgeregter, als ich es im Halbfinale sein werde, weil ich da wirklich gar nichts mehr zu verlieren habe. Da möchte ich mich einfach gut präsentieren, im Feld mit dabei sein. Wofür es dann reicht, das wird man sehen. Ich sag niemals nie, aber das Finale ist jetzt nicht das große Ziel.
SPORT1: Sie haben sich in Ihrer Karriere schon etliche Male zurückgekämpft. Ist das jetzt die Belohnung für die ganzen Qualen?
Mayer: Ich erinnere mich immer wieder dran: 2016 war mein letzter Wettkampf im Einzel auf der ganz großen Bühne, jetzt mal Team-EM oder Hallen-EM ausgenommen. Damals auf 200 Meter, jetzt das erste Mal über die 100 Meter. Ich glaube, dass ich nach den ganzen Verletzungen und den ganzen Geschichten der vergangenen Jahre heute hier überhaupt stehen darf, ist schon ein Riesenerfolg, worauf ich sehr, sehr stolz sein kann.
Finalteilnahme oder Staffel-Medaille?
SPORT1: In der Sprint-Staffel, mit der am Mittwoch die EM endet, haben Sie einen Titel zu verteidigen. Ist noch mal Gold drin?
Mayer: Das wird nicht einfach, definitiv. Das Minimalziel ist eine Medaille, die Titelverteidigung wäre das Krönchen. Das Potenzial haben wir. Wir stehen jetzt zu viert im Halbfinale, haben mit Sophia Junk und Nele Jaworski noch zwei Mädels, die heute Abend mit zur Staffel dazukommen. Ich glaube, da sind wir eine sehr schlagfertige Truppe, auch wenn uns Alexandra Burghardt leider verletzungsbedingt fehlt und sich auf Paris vorbereitet. Wir können da auf jeden Fall sehr selbstbewusst an den Start gehen.
SPORT1: Zum Schluss eine ketzerische Frage. Was ist Ihnen lieber: Finalteilnahme über 100 Meter oder Staffel-Medaille?
Mayer: Staffelgold (lacht).